Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Gerhard Z*****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Arbeitsmarktservice, Wien 1, Weihburggasse 30, vertreten durch Dr. Georg Freimüller, Univ. Doz. Dr. Alfred Noll, Dr. Alois Obereder und Mag. Michael Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 480.000 S sA und Feststellung (Streitwert 10.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Juni 2000, GZ 16 R 161/99k-13, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. September 1999, GZ 12 Cg 91/99m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit das Klagebegehren auf eine Verletzung des § 33 AlVG gestützt wird, werden die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.
Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die jeweils anteilig mit 23.756 S (darin 3.956 S USt und 20 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, mit 14.839,50 S (darin 2.473,25 S USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und mit 10.687,50 S (darin 1.781,25 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die übrigen Verfahrenskosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte vom beklagten Arbeitsmarktservice, einem mit dem ArbeitsmarktserviceG BGBl 1994/313 idgF (AMSG 1994) aus der unmittelbaren Bundesverwaltung ausgegliedertem "Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts", die Zahlung von 480.000 S sA sowie die Feststellung der Haftung für alle Schäden aus der schuldhaften Nichtvermittlung seiner geschiedenen Ehegattin (im Folgenden nur Schuldnerin) auf dem Arbeitsmarkt. Er habe gegen die Schuldnerin titulierte Forderungen von 750.000 S, diese seien uneinbringlich, weil die Schuldnerin seit neun Jahren - zu Unrecht - Notstandshilfe beziehe. Die beklagte Partei habe ihre in den §§ 29 und 31 AMSG 1994 festgeschriebene Verpflichtung, die Schuldnerin auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln, schuldhaft verletzt und ihr ohne Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 33 Abs 2 des (wiederverlautbarten) ArbeitslosenversicherungsG BGBl 1977/609 idgF (AlVG 1977) Notstandshilfe gewährt. Dadurch sei sie erst in der Lage (gewesen), weiterhin keiner Arbeit nachzugehen und sich auf diese Weise ihrer Zahlungsverpflichtung zu entziehen. Wenn die beklagte Partei ihre gesetzlich festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt hätte, hätte die Schuldnerin ein pfändbares Einkommen von 480.000 S erzielt, das dem Kläger als Überweisungsgläubiger zugeflossen wäre. Die beklagte Partei hafte wegen ihres schuldhaften Verhaltens dem Kläger für diesen Ausfall sowie für sämtliche künftigen Schäden, die aus der schuldhaft unterbliebenen Vermittlung seiner Schuldnerin resultierten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Kläger einen reinen Vermögensschaden geltend mache und als Gläubiger einer Arbeitsuchenden weder vom Schutzbereich des AMSG 1994 noch von dem des AlVG 1977 erfasst sei. Im Übrigen handle die beklagte Partei bei Prüfung der Voraussetzungen nach dem AlVG 1977 im Namen und auf Rechnung des Bundes; insoweit fehle ihr die passive Klagelegitimation.
Das Berufungsgericht berichtigte die Parteibezeichnung der beklagten Partei von "Arbeitsmarktservice Wien AMS", der Landesorganisation ohne Rechtspersönlichkeit, auf den öffentlich-rechtlichen Fonds "Arbeitsmarktservice" und bestätigte im Übrigen das Ersturteil aus dessen Gründen.
Soweit das Klagebegehren auf schuldhaftes Handeln der beklagten Partei gestützt wird, bleibt dem Kläger gegen diesen insoweit als Organ des Bundes fungierenden Fonds der Rechtsweg verwehrt, sodass aus Anlass der Revision die Urteile der Vorinstanzen in diesem Umfang als nichtig aufzuheben sind und die Klage zurückzuweisen ist; im Übrigen ist die Revision zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
a) Die im Übrigen zutreffende (vgl dazu die RV, 1468 BlgNR 18.GP, 32) Berichtigung der Parteibezeichnung der beklagten Partei durch die zweite Instanz blieb unangefochten.a) Die im Übrigen zutreffende vergleiche dazu die RV, 1468 BlgNR 18.GP, 32) Berichtigung der Parteibezeichnung der beklagten Partei durch die zweite Instanz blieb unangefochten.
b) Der Kläger behauptet, als in Anspruch genommener Bürge aus dem Rechtsgrund des § 1358 ABGB titulierte, indes uneinbringliche Forderungen gegen seine geschiedene und seit rund neun Jahren arbeitslose Ehegattin (als Hauptschuldnerin) zu haben, und macht damit einen bloßen (reinen) Vermögensschaden geltend. Nach ständiger, von der Lehre gebilligter Rsp (1 Ob 2312/96y; 1 Ob 79/00z = EvBl 2000/206 = bbl 2000, 237 = ImmZ 2000, 351 mwN uva) macht außerhalb eines Vertragsverhältnisses - wie hier - die Verursachung eines bloßen Vermögensschadens nur dann ersatzpflichtig, wenn dem geltend gemachten Anspruch die vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts, ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers oder die Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB zugrundeliegt, sich somit die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens aus der Rechtsordnung, also unmittelbar auf Grund des Gesetzes, ableiten lässt. Von diesen Voraussetzungen kommt hier nur die Verletzung von Rechtsvorschriften in Betracht, die bestimmte Personen vor der Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen sollen (vgl 1 Ob 272/99b = bbl 2000, 168 [Auer] = immolex 2000, 251 [Iby] = RdW 2000, 664 mwN), stützt doch der Kläger seinen Schadenersatzanspruch einerseits auf behauptete schuldhafte Unterlassungen (Nichtvermittlung seiner geschiedenen Ehegattin) von Organen der beklagten Partei und andererseits auf deren behauptete schuldhaften Handlungen (Auszahlung von Notstandshilfe an die geschiedene Ehegattin des Klägers).b) Der Kläger behauptet, als in Anspruch genommener Bürge aus dem Rechtsgrund des § 1358 ABGB titulierte, indes uneinbringliche Forderungen gegen seine geschiedene und seit rund neun Jahren arbeitslose Ehegattin (als Hauptschuldnerin) zu haben, und macht damit einen bloßen (reinen) Vermögensschaden geltend. Nach ständiger, von der Lehre gebilligter Rsp (1 Ob 2312/96y; 1 Ob 79/00z = EvBl 2000/206 = bbl 2000, 237 = ImmZ 2000, 351 mwN uva) macht außerhalb eines Vertragsverhältnisses - wie hier - die Verursachung eines bloßen Vermögensschadens nur dann ersatzpflichtig, wenn dem geltend gemachten Anspruch die vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts, ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers oder die Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB zugrundeliegt, sich somit die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens aus der Rechtsordnung, also unmittelbar auf Grund des Gesetzes, ableiten lässt. Von diesen Voraussetzungen kommt hier nur die Verletzung von Rechtsvorschriften in Betracht, die bestimmte Personen vor der Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen sollen vergleiche 1 Ob 272/99b = bbl 2000, 168 [Auer] = immolex 2000, 251 [Iby] = RdW 2000, 664 mwN), stützt doch der Kläger seinen Schadenersatzanspruch einerseits auf behauptete schuldhafte Unterlassungen (Nichtvermittlung seiner geschiedenen Ehegattin) von Organen der beklagten Partei und andererseits auf deren behauptete schuldhaften Handlungen (Auszahlung von Notstandshilfe an die geschiedene Ehegattin des Klägers).
Bis zur Errichtung der beklagten Partei war die Arbeitsmarktverwaltung Teil der Hoheitsverwaltung. Mit der beklagten Partei sollte ein aus der staatlichen Verwaltung ausgegliedertes öffentliches Dienstleistungsunternehmen errichtet werden, das die von der Bundesregierung formulierten arbeitsmarktpolitischen Ziele und Vorgaben umsetzt (4 Ob 2357/96p = JBl 1997, 402; RIS-Justiz RS0107078). Vorgesehen war, dass bisher von der Arbeitsmarktverwaltung wahrgenommene Aufgaben, die in keinem wesentlichen Zusammenhang mit der Vermittlungsfunktion zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage stehen, jeweils geeigneten anderen Dienststellen oder Einrichtungen übertragen werden. Die rechtlichen Einflussmöglichkeiten sind, soweit die beklagte Partei behördliche Aufgaben wahrnimmt, unverändert geblieben, weil sie auch insoweit dem Weisungsrecht des zuständigen Bundesministers untersteht. Soweit die beklagte Partei nichthoheitliche Aufgaben erfüllt, untersteht sie der Aufsicht dieses Bundesministers. Im übertragenen Wirkungsbereich wird die beklagte Partei im Namen und auf Rechnung des Bundes tätig; im eigenen Wirkungsbereich bestreitet sie zwar die Personal- und Sachausgaben im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Sie erhält ihre Ausgaben aber vom Bund ersetzt, soweit sie nicht aus der - vom Bund zu bildenden - Arbeitsmarktrücklage zu bestreiten sind (4 Ob 2357/96p; RIS-Justiz RS0107080). Die Vermittlung von Arbeitssuchenden erfolgt, wie sich aus § 31 Abs 1 ASMG 1994 ergibt, jedenfalls nicht hoheitlich.
c) Zum behaupteten schuldhaften Handeln von Organen der beklagten Partei:
Gemäß § 42 Abs 1 AMSG 1994 - unter der Überschrift "Übertragener Wirkungsbereich" - bestreitet die beklagte Partei ua die Ausgaben für finanzielle Leistungen nach dem AlVG 1977 im Namen und auf Rechnung des Bundes. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ist gemäß § 46 Abs 1 AlVG vom Arbeitslosen bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle der beklagten Partei geltend zu machen. Wird dieser Anspruch anerkannt, so ist dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Ende und Höhe des Leistungsanspruchs hervorgehen; wird der Anspruch nicht anerkannt, so ist darüber dem Antragsteller ein Bescheid auszufolgen (§ 47 Abs 1 AlVG). Nach § 47 Abs 1 zweiter Satz AlVG hat sie, wenn ein Anspruch (hier: nach § 33 AlVG) nicht anerkannt wird - und dies erachtet der Kläger als das rechtmäßige Alternativverhalten -, mit schriftlichem Bescheid abzulehnen. Die Erlassung von Bescheiden ist aber als typische Rechtsform hoheitlichen staatlichen Handelns Hoheitsverwaltung (Mader in Schwimann2, § 1 AHG Rz 35). Auch vom VfGH wurde zuletzt in seiner Entscheidung vom 6. März 2000, Zl. B 377/98 = JBl 2000, 641, ausgesprochen, der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei hoheitlicher Natur, die beklagte Partei und ihre Gehilfen (dort: PSK AG und PTA) handelten insoweit als Organe des Rechtsträgers Bund. Daran muss aber zufolge § 1 Abs 1, § 9 Abs 5 AHG nicht nur ein gegen das Organ des Bundes erhobener Schadenersatzanspruch scheitern, sondern insoweit ist die Beschreitung des Rechtswegs gegen das Organ des Bundes unzulässig (Mader aaO § 9 AHG Rz 9 mwN aus der Rsp). Demnach sind insoweit die vorinstanzlichen Entscheidungen als nichtig aufzuheben, die Klage ist in diesem Umfang zurückzuweisen.
Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob der Kläger mit seinem behaupteten Vermögensschadens in den Schutzbereich des § 33 Abs 2 AlVG einbezogen ist.
d) Zu den behaupteten schuldhaften Unterlassungen von Organen der beklagten Partei: Um zu einer Haftung aufgrund einer Schutzgesetzverletzung zu kommen, muss die verletzte Norm die Verhinderung jenes Schaden angestrebt haben, der sich letztlich realisierte (1 Ob 30/99i = ÖBA 2000, 444 = ecolex 2000, 428 = RdW 2000, 89; 1 Ob 79/00z uva). Es wird nur für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derenwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Die Nichtberücksichtigung der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs hätte sonst eine Uferlosigkeit der Haftpflicht der Rechtsträger zur Folge. Für den Bereich - der hier nicht zur Anwendung kommenden - Amtshaftung wird insoweit ausgesprochen, daraus allein, dass eine (Amts)Handlung, die dem öffentlichen Interesse diene, mittelbar auch die Interessen eines Dritten berührt, ihm zugute komme und ihm damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschaffe, lasse sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtshaftungspflicht gerade diesem gegenüber schließen. Diese Grundsätze haben auch hier zu gelten.
Der Schutzzweck einer Norm ergibt sich aus derem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den im konkreten Fall eingetretenen (hier: behaupteten) Schaden verhüten wollte (RIS-Justiz RS0008775, RS0031143). Die Bestimmungen des AMSG 1994, aus denen der Kläger seine Einbeziehung in den Schutzbereich des AMSG 1994 ableiten will, lauten:
Allgemeines Ziel und Aufgabenerfüllung
§ 29.
(1) Ziel des Arbeitsmarktservice ist, im Rahmen der Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zur Verhütung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit unter Wahrung sozialer und ökonomischer Grundsätze im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik auf ein möglichst vollständiges, wirtschaftlich sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage hinzuwirken, und dadurch die Versorgung der Wirtschaft mit Arbeitskräften und die Beschäftigung aller Personen, die dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, bestmöglich zu sichern. Dies schließt die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz während der Arbeitslosigkeit im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ein.
(2) Das Arbeitsmarktservice hat zur Erreichung dieses Zieles im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen Leistungen zu erbringen, die darauf gerichtet sind,
1. auf effiziente Weise die Vermittlung von geeigneten Arbeitskräften auf Arbeitsplätze herbeizuführen, die möglichst eine den Vermittlungswünschen des Arbeitsuchenden entsprechende Beschäftigung bieten,
2. die Auswirkungen von Umständen, die eine unmittelbare Vermittlung im Sinne der Z 1 behindern, überwinden zu helfen,2. die Auswirkungen von Umständen, die eine unmittelbare Vermittlung im Sinne der Ziffer eins, behindern, überwinden zu helfen,
3. der Unübersichtlichkeit des Arbeitsmarktes entgegenzuwirken,
4. quantitative oder qualitative Ungleichgewichte zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage zu verringern,
5. die Erhaltung von Arbeitsplätzen, wenn sie im Sinne des Abs. 1 sinnvoll ist, zu ermöglichen und5. die Erhaltung von Arbeitsplätzen, wenn sie im Sinne des Absatz eins, sinnvoll ist, zu ermöglichen und
6. die wirtschaftliche Existenz der Arbeitslosen zu sichern.
...
Grundsätze bei der Aufgabenerfüllung
§ 31.Paragraph 31,
(1) Die Leistungen des Arbeitsmarktservice, die nicht im behördlichen Verfahren erbracht werden, kann jedermann bei allen Geschäftsstellen und Einrichtungen des Arbeitsmarktservice in Anspruch nehmen, die diese Leistungen anbieten, sofern dem die in Abs. 5 genannten Grundsätze nicht entgegenstehen.
(2) Sofern auf Leistungen des Arbeitsmarktservice kein Rechtsanspruch besteht, haben sich Wahl, Art und erforderlichenfalls Kombination der eingesetzten Leistungen nach den Erfordernissen des Einzelfalles unter dem Gesichtspunkt zu richten, daß sie dem in § 29 genannten Ziel bestmöglich entsprechen. Bei Erfüllung seiner Aufgaben hat das Arbeitsmarktservice auf einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu achten.
(3) Für Personen, die entweder wegen ihrer persönlichen Verhältnisse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Gruppe bei der Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes besondere Schwierigkeiten haben, sind die Leistungen des Arbeitsmarktservice im Sinn des Abs. 2 so zu gestalten und erforderlichenfalls so verstärkt einzusetzen, daß eine weitestmögliche Chancengleichheit mit anderen Arbeitskräften hergestellt wird. Insbesondere ist durch einen entsprechenden Einsatz der Leistungen der geschlechtsspezifischen Teilung des Arbeitsmarktes sowie der Diskriminierung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken.
...
Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend darlegten, ist die Aufgabe der beklagten Partei die Verhütung und Beseitigung der Arbeitslosigkeit unter Wahrung sozialer und ökonomischer Grundsätze iS einer aktiven Arbeitsmarktpolitik (§ 29 Abs 1 AMSG 1994). Nach den Materialien zum AMSG 1994 (RV aaO; AB 1555 BlgNR 18.GP) stellt sich als Zweck des Gesetzes einzig und allein die Reform der Arbeitsmarktverwaltung und damit verbunden die Wiedererreichung der Vollbeschäftigung und die Teilnahme der Arbeitssuchenden am Erwerbsleben dar. Zentrales Ziel der Bestimmungen des AMSG 1994 ist die Erreichung eines möglichst hohen Beschäftigungsniveaus, das über die Organisation der beklagten Partei erreicht werden soll, für dessen Leistungen die rasche Vermittlung einer produktiven und individuell befriedigenden Beschäftigung oberstes Gebot ist. Dabei soll nach § 29 AMSG 1994 die wirtschaftliche Existenz während der Zeit der Arbeitssuche garantiert werden, die Sicherung des Lebensunterhalts in Form wiederkehrender Leistungen an den Arbeitssuchenden ist daher Bestandteil der Arbeitsmarktpolitik. Dieser Grundgedanke der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist durch spezifische, auf den Einzelfall abgestimmte Maßnahmen und unter Berücksichtigung einer weitestmöglichen Vereinbarkeit von Vollbeschäftigung und wirtschaftlichem Wachstum zu erreichen. Aus dieser Zielsetzung des AMSG 1994 ergibt sich, dass das AMS einerseits den Arbeitssuchenden einen Überblick über den heimischen Arbeitsmarkt und die Orientierung auf diesem ermöglichen, andererseits durch gezielte Beratung und Hilfestellung eine, den individuellen Fähigkeiten des Einzelnen entsprechende, Stelle ausfindig machen soll. Die gesetzlichen Regelungen und die Materialien erwähnen den Gläubiger des Arbeitssuchenden mit keinem Wort. Dass aber alle Bestimmungen des AMSG 1994 (gemeinsam) bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise auch dem Schutz der Vermögensinteressen von Gläubigern von Arbeitssuchenden dienen, ergibt sich daraus gleichfalls nicht. Normzweck der Bestimmungen des AMSG 1994 ist es jedenfalls nicht, durch eine erfolgreiche Arbeitsvermittlung einem Arbeitssuchenden die Geldbeträge zu verschaffen, damit dann dessen Gläubiger zur Durchsetzung seiner vertraglichen (privatrechtlichen) Ansprüche (hier: nach § 1358 ABGB) darauf greifen kann. Die Vermittlung eines Arbeitssuchenden auf dem Arbeitsmarkt mit seinem dadurch bewirkten Wiedereintritt ins Arbeitsleben und dem dabei erzielten Verdienst wirkt sich nur reflexartig zu Gunsten des Gläubigers des Arbeitssuchenden aus. Die Uneinbringlichkeit der Forderung eines Gläubigers gegen einen arbeitssuchenden Schuldner mangels der Zwangsvollstreckung zugänglichen Einkommens ist keine vom Schutzzweck des AMSG 1994 umfasste Folge der unterbliebenen Vermittlung am Arbeitsmarkt eines Arbeitssuchenden durch das AMS.
Besteht aber wie hier kein Zusammenhang zwischen dem durch Auslegung iS einer wertenden Beurteilung des Sinns der Normen zu ermittelnden Normzwecks und dem eingetretenen Schaden, so liegt nur ein mittelbarer, grundsätzlich nicht ersatzfähiger Schaden (SZ 66/77 ua) und keine Schadensverlagerung vor. Die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung 2 Ob 53/94 = ZVR 1995/62 betrifft einen anderen Sachverhalt. Dort war der eingetretene Schaden eine typische Folge der Verletzung des Schutzgesetzes.
Es bedarf daher entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers zu diesem Klagegrund keiner weiteren Feststellungen. Insoweit ist daher der Revision ist nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO (in Ansehung des bestätigenden Teils) iVm § 51 Abs 2 ZPO (in Ansehung des aufhebenden Teils). Der Aufwand für beide geltend gemachten Rechtsgründe ist annähernd gleich. Der beklagten Partei sind daher die Hälfte ihrer Kosten in allen drei Instanzen zuzusprechen, im Übrigen sind die Kosten beider Parteien gegeneinander aufzuheben.Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO (in Ansehung des bestätigenden Teils) in Verbindung mit § 51 Abs 2 ZPO (in Ansehung des aufhebenden Teils). Der Aufwand für beide geltend gemachten Rechtsgründe ist annähernd gleich. Der beklagten Partei sind daher die Hälfte ihrer Kosten in allen drei Instanzen zuzusprechen, im Übrigen sind die Kosten beider Parteien gegeneinander aufzuheben.
Textnummer
E60795European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00257.00A.0130.000Im RIS seit
01.03.2001Zuletzt aktualisiert am
02.03.2011