Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Heinz Nagelreiter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef Z*****, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pensionsanpassung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Oktober 2000, GZ 8 Rs 236/00k-8, womit der Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Juni 2000, GZ 34 Cgs 129/00y-3, mit einer Maßgabe als Urteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Revision wird die angefochtene Entscheidung als nichtig aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs des Klägers vom 21. Juli 2000 an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten sprach über Antrag des Klägers mit Bescheid vom 9. März 2000 aus, dass die Pension des Klägers entsprechend den anzuwendenden Bestimmungen über die Pensionsanpassung ab 1. Jänner 2000 monatlich S 29.426,10 brutto betrage.
Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer in der Höhe von S 29.980,84 brutto monatlich ab 1. Jänner 2000. Die von der beklagten Partei vorgenommene Erhöhung seiner Pension entspreche zwar den geltenden Bestimmungen über die Pensionsanpassung, diese Bestimmungen seien jedoch auf Grund einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Beziehern niedrigerer Pensionen und von Beziehern höherer Pensionen verfassungswidrig.
Die beklagte Partei beantragte die Zurück- bzw Abweisung der Klage unter Hinweis auf die geltende Rechtslage.
Das Erstgericht wies die Klage - ohne Durchführung einer Verhandlung - mit Beschluss vom 20. Juni 2000 "mangels Rechtsschutzbedürfnisses an einem erstgerichtlichen Verfahren" - zurück. Da die von der beklagten Partei vorgenommene Pensionsanpassung unstrittig den geltenden Bestimmungen entspreche, das Erstgericht jedoch die vom Kläger angestrebte Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof nicht beantragen könne, bestehe "kein Rechtsschutzbedürfnis an einem erstgerichtlichen Verfahren". Ein Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens durch das Gericht zweiter Instanz könne auch im Rahmen eines Rekurses gegen diesen Beschluss gestellt werden.
In seinem gegen diesen Beschluss rechtzeitig erhobenen Rekurs machte der Kläger inhaltlich die Unzulässigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen a limine-Zurückweisung der Klage geltend und wiederholte seine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Gericht zweiter Instanz gab als Berufungsgericht der "als Rekurs bezeichneten Berufung" nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe, dass er als "Urteil im Namen der Republik zu lauten habe: Die Klage, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger ab 1. 1. 2000 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in der Höhe von ATS 29.980,84 zu gewähren und die Prozesskosten zu ersetzen, wird abgewiesen." Der Berufungswerber habe die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Nach den Rechtsausführungen des Gerichtes zweiter Instanz mache der Rekurswerber zwar zu Recht geltend, dass die Klage nicht zurückgewiesen sondern abgewiesen hätte werden müssen. Aus diesem Formalfehler des Erstgerichtes sei für ihn jedoch nichts zu gewinnen, weil jedenfalls eine Anfechtungsmöglichkeit gegeben sei. In Analogie zu den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes, die je nach Höhe des Einkommens progressive Steuerlasten auferlegen, erscheine dem erkennenden Senat auch diese Vorgangsweise hinsichtlich Pensionszahlungen für gerechtfertigt. Dass es dabei im Einzelfall zu Härten kommen könne, die der Rekurswerber in seiner Rechtsmittelschrift geltend mache, sei richtig, diese Härten beträfen jedoch Einzelfälle und könnten an der Gesamtgestaltung des Pensionsrechtes keine Änderung bewirken. Insgesamt sehe sich der Berufungssenat daher nicht zu einer Antragstellung hinsichtlich eines Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof veranlasst.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Kläger regt in seinen Revisionsausführungen die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof bezüglich der Bestimmung des § 584 Abs 3 ASVG idF SRÄG 1999 an und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Entscheidung nach der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungsmäßig erkannten Rechtslage zurückzuverweisen.Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Kläger regt in seinen Revisionsausführungen die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof bezüglich der Bestimmung des Paragraph 584, Absatz 3, ASVG in der Fassung SRÄG 1999 an und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Entscheidung nach der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungsmäßig erkannten Rechtslage zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass dieses Rechtsmittels ist von Amts wegen wahrzunehmen, dass die Entscheidung der zweiten Instanz gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO nichtig ist.Aus Anlass dieses Rechtsmittels ist von Amts wegen wahrzunehmen, dass die Entscheidung der zweiten Instanz gemäß Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 3, ZPO nichtig ist.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht die Klage ohne Durchführung einer Verhandlung "mangels Rechtsschutzbedürfnisses an einem erstgerichtlichen Verfahren" zurückgewiesen hat. Während das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses in der Lehre häufig als allgemeine oder auch als besondere Prozessvoraussetzung für die gesetzlich angeordneten Ausnahmsfälle gesehen wird, dessen Fehlen zur beschlussmäßigen Zurückweisung des Rechtsschutzantrages führen muss, wird von der Judikatur das Rechtsschutzbedürfnis überwiegend als materielle Anspruchsvoraussetzung behandelt, bei dessen Fehlen die Klage mit Urteil abgewiesen wird (vgl Fasching, ZPR2 Rz 738 ff; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 Rz 9 vor § 226 mwN ua). Das Erstgericht hat im vorliegenden Fall offenbar im Sinne der in der Lehre vertretenen Ansicht das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung behandelt und die Klage, ohne eine mündliche (kontradiktorische) Verhandlung durchzuführen und darüber eine Sachentscheidung zu treffen, mit Beschluss zurückgewiesen. Das vom Kläger dagegen erhobene Rechtsmittel ist daher entsprechend seiner richtigen Bezeichnung als Rekurs zu behandeln. Jedes Rechtsmittel ist aber grundsätzlich nur auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichtet (vgl 10 ObS 259/97d; 5 Ob 121/92; EvBl 1975/297 ua). Das Gericht zweiter Instanz hatte daher als Rekursgericht lediglich die Richtigkeit der vom Kläger angefochtenen Entscheidung über die Zurückweisung der Klage mangels vorliegenden Rechtsschutzbedürfnisses zu überprüfen bzw aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels von Amts wegen das Vorliegen allfälliger anderer Nichtigkeitsgründe wahrzunehmen. Das Gericht zweiter Instanz durfte jedoch nicht in die Überprüfung der Sache selbst eintreten und damit eine Funktion in Anspruch nehmen, die nur dem Erstgericht zukommt, weil das Gericht zweiter Instanz nicht eine erstgerichtliche Sachentscheidung zu überprüfen hatte, sondern selbst erstmalig in der Sache entschied. Damit hat das Gericht zweiter Instanz durch seine Sachentscheidung seine funktionelle Zuständigkeit überschritten. Diese absolute Unzuständigkeit führt dazu, dass die Entscheidung der zweiten Instanz gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO als nichtig aufgehoben werden muss (vgl 6 Ob 2/97f; 8 Ob 655/87; SZ 57/13; JBl 1976, 541 ua; RIS-Justiz RS0042059; RS0042065). Auf die inhaltlichen Ausführungen im Rechtsmittel des Klägers kann demnach noch nicht eingegangen werden.Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht die Klage ohne Durchführung einer Verhandlung "mangels Rechtsschutzbedürfnisses an einem erstgerichtlichen Verfahren" zurückgewiesen hat. Während das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses in der Lehre häufig als allgemeine oder auch als besondere Prozessvoraussetzung für die gesetzlich angeordneten Ausnahmsfälle gesehen wird, dessen Fehlen zur beschlussmäßigen Zurückweisung des Rechtsschutzantrages führen muss, wird von der Judikatur das Rechtsschutzbedürfnis überwiegend als materielle Anspruchsvoraussetzung behandelt, bei dessen Fehlen die Klage mit Urteil abgewiesen wird vergleiche Fasching, ZPR2 Rz 738 ff; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 Rz 9 vor Paragraph 226, mwN ua). Das Erstgericht hat im vorliegenden Fall offenbar im Sinne der in der Lehre vertretenen Ansicht das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung behandelt und die Klage, ohne eine mündliche (kontradiktorische) Verhandlung durchzuführen und darüber eine Sachentscheidung zu treffen, mit Beschluss zurückgewiesen. Das vom Kläger dagegen erhobene Rechtsmittel ist daher entsprechend seiner richtigen Bezeichnung als Rekurs zu behandeln. Jedes Rechtsmittel ist aber grundsätzlich nur auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichtet vergleiche 10 ObS 259/97d; 5 Ob 121/92; EvBl 1975/297 ua). Das Gericht zweiter Instanz hatte daher als Rekursgericht lediglich die Richtigkeit der vom Kläger angefochtenen Entscheidung über die Zurückweisung der Klage mangels vorliegenden Rechtsschutzbedürfnisses zu überprüfen bzw aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels von Amts wegen das Vorliegen allfälliger anderer Nichtigkeitsgründe wahrzunehmen. Das Gericht zweiter Instanz durfte jedoch nicht in die Überprüfung der Sache selbst eintreten und damit eine Funktion in Anspruch nehmen, die nur dem Erstgericht zukommt, weil das Gericht zweiter Instanz nicht eine erstgerichtliche Sachentscheidung zu überprüfen hatte, sondern selbst erstmalig in der Sache entschied. Damit hat das Gericht zweiter Instanz durch seine Sachentscheidung seine funktionelle Zuständigkeit überschritten. Diese absolute Unzuständigkeit führt dazu, dass die Entscheidung der zweiten Instanz gemäß Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 3, ZPO als nichtig aufgehoben werden muss vergleiche 6 Ob 2/97f; 8 Ob 655/87; SZ 57/13; JBl 1976, 541 ua; RIS-Justiz RS0042059; RS0042065). Auf die inhaltlichen Ausführungen im Rechtsmittel des Klägers kann demnach noch nicht eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.
Anmerkung
E60982 10C00091European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:010OBS00009.01Y.0220.000Dokumentnummer
JJT_20010220_OGH0002_010OBS00009_01Y0000_000