TE OGH 2001/2/22 8Ob211/00p

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Veröffentlicht am 22.02.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helga J*****, vertreten durch Dr. Stephan Ruggenthaler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 4,403.583,21 sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2000, GZ 2 R 140/99v-25, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Anwendung der von den Vorinstanzen richtig dargestellten Rechtsprechung zur Angehörigenbürgschaft auf den konkreten Einzelfall ist - sofern keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (8 Ob 166/00w; 9 Ob 250/00f ua). Die drei von Lehre und Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien für die Annahme der Sittenwidrigkeit - a) inhaltliche Missbilligung der Haftungserklärung, b) Missbilligung der Umstände des Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit, c) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers davon (RIS-Justiz RS0048312 und RS0048309) - müssen im Zeitpunkt der Haftungsübernahme vorliegen (SZ 68/64; SZ 71/117; ÖBA 2001, 170 ua). Entgegen dem Vorbringen in der Revision warf das in der Folge in Insolvenz verfallene Unternehmen im Zeitpunkt der für den Ausbau der Geschäftsbeziehungen gedachten Kreditaufnahme und der Interzession der Beklagten jährliche Gewinne zwischen 1 und 3 Millionen ab, der cash flow war positiv und die Bilanzsumme bewegte sich zwischen 45 und 50 Millionen. Die Beklagte verfügte somit in Form ihres 80 %-igen Geschäftsanteils über nicht unbeträchtliches Vermögen, sodass jedenfalls von einem krassen Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und Leistungsfähigkeit oder gar einer Sinnlosigkeit der Bürgschaft keine Rede sein kann. Die allenfalls "verdünnte Entscheidungsfreiheit" der Beklagten wurde allein von ihrem Ehemann herbeigeführt, der aus eigenem Antrieb die Willensbildung der Beklagten in die gewünschte Richtung lenkte (vgl 1 Ob 107/00t). Schließlich hatte die Beklagte an der durch den Kredit angestrebten Ausweitung der Geschäftsbeziehungen nicht nur als Gesellschafterin erhebliches Eigeninteresse, sondern auch deshalb, weil der als Geschäftsführer angestellte Ehemann aus seinem Einkommen für den Familienunterhalt aufkam. Die von einer Bank zu fordernden Aufklärungspflichten dürfen nicht überspannt werden. Warnpflichten werden nur unter besonderen Umständen angenommen, so wenn die Bank bereits vor Abschluss des Interzessionsvertrages Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des Hauptschuldners hatte (RIS-Justiz RS0026805; RS0026488). Davon kann aber hier - wie bereits dargestellt - keine Rede sein.Die Anwendung der von den Vorinstanzen richtig dargestellten Rechtsprechung zur Angehörigenbürgschaft auf den konkreten Einzelfall ist - sofern keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (8 Ob 166/00w; 9 Ob 250/00f ua). Die drei von Lehre und Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien für die Annahme der Sittenwidrigkeit - a) inhaltliche Missbilligung der Haftungserklärung, b) Missbilligung der Umstände des Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit, c) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers davon (RIS-Justiz RS0048312 und RS0048309) - müssen im Zeitpunkt der Haftungsübernahme vorliegen (SZ 68/64; SZ 71/117; ÖBA 2001, 170 ua). Entgegen dem Vorbringen in der Revision warf das in der Folge in Insolvenz verfallene Unternehmen im Zeitpunkt der für den Ausbau der Geschäftsbeziehungen gedachten Kreditaufnahme und der Interzession der Beklagten jährliche Gewinne zwischen 1 und 3 Millionen ab, der cash flow war positiv und die Bilanzsumme bewegte sich zwischen 45 und 50 Millionen. Die Beklagte verfügte somit in Form ihres 80 %-igen Geschäftsanteils über nicht unbeträchtliches Vermögen, sodass jedenfalls von einem krassen Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und Leistungsfähigkeit oder gar einer Sinnlosigkeit der Bürgschaft keine Rede sein kann. Die allenfalls "verdünnte Entscheidungsfreiheit" der Beklagten wurde allein von ihrem Ehemann herbeigeführt, der aus eigenem Antrieb die Willensbildung der Beklagten in die gewünschte Richtung lenkte vergleiche 1 Ob 107/00t). Schließlich hatte die Beklagte an der durch den Kredit angestrebten Ausweitung der Geschäftsbeziehungen nicht nur als Gesellschafterin erhebliches Eigeninteresse, sondern auch deshalb, weil der als Geschäftsführer angestellte Ehemann aus seinem Einkommen für den Familienunterhalt aufkam. Die von einer Bank zu fordernden Aufklärungspflichten dürfen nicht überspannt werden. Warnpflichten werden nur unter besonderen Umständen angenommen, so wenn die Bank bereits vor Abschluss des Interzessionsvertrages Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des Hauptschuldners hatte (RIS-Justiz RS0026805; RS0026488). Davon kann aber hier - wie bereits dargestellt - keine Rede sein.

Da es somit an nahezu allen Voraussetzungen für ein - dem Wuchertatbestand nachgeformtes - Sittenwidrigkeitsurteil fehlt, muss nicht näher auf die Frage eingegangen werden, ob die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsübernahme durch Familienangehörige auch im Falle der Interzession der Mehrheitsgesellschafterin für eine GesmbH, an der auch ihr Ehemann beteiligt ist, anwendbar sein könnte (vgl 8 Ob 303/99p).Da es somit an nahezu allen Voraussetzungen für ein - dem Wuchertatbestand nachgeformtes - Sittenwidrigkeitsurteil fehlt, muss nicht näher auf die Frage eingegangen werden, ob die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsübernahme durch Familienangehörige auch im Falle der Interzession der Mehrheitsgesellschafterin für eine GesmbH, an der auch ihr Ehemann beteiligt ist, anwendbar sein könnte vergleiche 8 Ob 303/99p).

Der Hinweis auf die die Forderung einer anderen Bank gegen die Beklagte abweisende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien geht schon deshalb fehl, weil dort die Wechselwidmungserklärung rund ein Jahr vor Krediteinräumung ohne nähere Individualisierung gefertigt wurde und somit nach Ansicht des Berufungsgerichtes auf kein konkretes Kreditverhältnis bezogen war. Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt wurde die Wechselwidmungserklärung am selben Tag wie die Erklärung, das Kreditanbot anzunehmen, ausgestellt, sodass an der Zuordenbarkeit zum konkreten Rechtsverhältnis kein Zweifel bestehen kann (vgl ÖBA 1990/206 ua).Der Hinweis auf die die Forderung einer anderen Bank gegen die Beklagte abweisende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien geht schon deshalb fehl, weil dort die Wechselwidmungserklärung rund ein Jahr vor Krediteinräumung ohne nähere Individualisierung gefertigt wurde und somit nach Ansicht des Berufungsgerichtes auf kein konkretes Kreditverhältnis bezogen war. Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt wurde die Wechselwidmungserklärung am selben Tag wie die Erklärung, das Kreditanbot anzunehmen, ausgestellt, sodass an der Zuordenbarkeit zum konkreten Rechtsverhältnis kein Zweifel bestehen kann vergleiche ÖBA 1990/206 ua).

Anmerkung

E61219 08A02110

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0080OB00211.00P.0222.000

Dokumentnummer

JJT_20010222_OGH0002_0080OB00211_00P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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