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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Antrags eines Grundeigentümers auf Aufhebung der Verpflichtung zur Schneeräumung in der Straßenverkehrsordnung; zumutbarer Umweg über den Antrag auf Erlassung eines Bescheides betreffend Einschränkung der Verpflichtungen bzw Ausnahmen davonSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Der Antragsteller ist grundbücherlicher Eigentümer einer im Antrag näher bezeichneten Liegenschaft in der Stadt Salzburg, an deren Grenze ein dem öffentlichen Verkehr dienender Gehsteig entlang läuft. In seinem am 18. Dezember 2001 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten und der Sache nach auf Art140 B-VG gestützten Antrag behauptet er die Verletzung in Rechten und die Verfassungswidrigkeit von §93 Abs1 und 1a StVO 1960. Er begehrt die Aufhebung des §93 Abs1 und 1a StVO 1960, in eventu die Aufhebung des §92 Abs1 StVO 1960 sowie den Zuspruch der regelmäßig anfallenden Kosten.
Als Eigentümer einer Liegenschaft in einem Ortsgebiet hat der Antragsteller gemäß §93 Abs1 StVO 1960 dafür zu sorgen, daß die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind. Ausgenommen von dieser Verpflichtung sind Eigentümer von unverbauten, land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften. Ist ein Gehsteig (Gehweg) nicht vorhanden, so ist der Straßenrand in der Breite von 1 m zu säubern und zu bestreuen. Die gleiche Verpflichtung trifft die Eigentümer von Verkaufshütten. In einer Fußgängerzone oder Wohnstraße ohne Gehsteige gilt die Verpflichtung nach Abs1 in für einen 1 m breiten Streifen entlang der Häuserfronten (§93 Abs1a StVO 1960).
1.2. Der Antragsteller hält einerseits den mit der Reinigung, Schneeräumung und Streuung verbundenen Arbeits- und Materialaufwand für "einen sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in (seine) Eigentums-/Vermögensrechte und ein sachlich nicht gerechtfertigtes Sonderopfer Einzelner zum Nutzen der Allgemeinheit". Die Bestimmung des §93 Abs1 StVO 1960 verletze den Gleichheitsgrundsatz auch dadurch, daß private "Grundbesitzer für die Gehsteigräumung immer haften" würden, während die öffentliche Hand "für die Räumung ihrer Flächen (Fahrbahn, Radweg, etc.) nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz" hafte.
Ferner treffe ihn als Anrainer nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Pflicht, den von der Fahrbahn auf (seinen) Gehsteig geräumten Schnee zu dulden. Umgekehrt sei jedoch gemäß §92 Abs1 StVO 1960 jede gröbliche oder die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung einer Straße verboten, sodaß er den solcherart weggeräumten Schnee nicht zurück auf die Fahrbahn schaufeln dürfe, sondern "auf ein Fahrzeug verladen und an geeigneter Stelle (vermutlich als Sondermüll wegen der starken Kontaminierung mit Streusalz und schwermetallhältigen Mineralien von der Fahrbahnstreuung) entsorgen müsse".
§93 StVO 1960 sei auch gleichheitswidrig, weil er den vor seinem Grundstück befindlichen Gehsteig in seiner gesamten Breite reinigen und streuen müsse, während gemäß §93 Abs1 StVO 1960 dort, wo kein Gehsteig vorhanden sei, die Reinigungs- und Streupflicht nur bis zu 1 Meter Breite bestehe.
Schließlich handle es sich bei der durch die angefochtene Bestimmung normierten Verpflichtung um Frondienst, weil die vom Gesetzgeber verlangten Leistungen nicht ablösbar seien. Die aus §93 erwachsende Verpflichtung stelle darüber hinaus unentgeltliche Zwangs- und Pflichtarbeit dar, welche gegen Art4 Abs1 EMRK verstoße.
2. Die Bundesregierung bestreitet in ihrer Äußerung die Zulässigkeit des Antrages sowie wegen Fehlens der Darlegung des unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre und der Antraglegitimation auch die Zulässigkeit des Eventualantrages. Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof den Individualantrag für zulässig erachten sollte, verteidigt sie die Verfassungsmäßigkeit der angeführten Bestimmungen.
3. Der Antrag ist nicht zulässig.
3.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Aber nicht jedem unmittelbar betroffenen Normadressaten kommt diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in seiner späteren Judikatur mehrfach, zB VfSlg. 8148/1977, 8241/1978, 8276/1978 und 8485/1979, bestätigt hat) für die Antragslegitimation darüber hinaus auch erforderlich, daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.
3.2. Gemäß §93 Abs4 StVO 1960 hat die Behörde nach Maßgabe des Erfordernisses des Fußgängerverkehrs sowie der Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des übrigen Verkehrs, soferne im Einzelfall unter den gleichen Voraussetzungen auf Antrag des nach Abs1 oder 5 Verpflichteten nicht die Erlassung eines Bescheides in Betracht kommt, durch Verordnung
a) die in Abs1 bezeichneten Zeiten, in denen die dort genannten Verkehrsflächen von Schnee oder Verunreinigung gesäubert oder bestreut sein müssen, einzuschränken;
b) die in Abs1 bezeichneten Verrichtungen auf bestimmte Straßenteile, insbesondere auf eine bestimmte Breite des Gehsteiges (Gehweges) oder der Straße einzuschränken;
c) zu bestimmen, daß auf gewissen Straßen oder Straßenteilen nicht alle in Abs1 genannten Verrichtungen vorgenommen werden müssen;
d) die Vorsichtsmaßregeln näher zu bestimmen, unter denen die in Abs1 und 2 bezeichneten Verrichtungen durchzuführen sind.
3.3. Der Bürgermeister der Stadt Salzburg hat über Aufforderung des Verfassungsgerichthofes mitgeteilt, daß für den vorliegenden Straßenzug keine Verordnung gemäß §93 Abs4 StVO 1960 erlassen wurde.
Daß im vorliegenden Fall die Erlassung eines Bescheides gemäß §93 Abs4 nicht in Betracht käme, kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden. Dem Antragsteller steht somit über die ihm durch §93 Abs4 StVO 1960 eingeräumte Möglichkeit, eine Einschränkung der in §93 Abs1 bezeichneten Pflichten sowie die Ausnahme gewisser Straßen oder Straßenteile vom genannten Gebot zu beantragen, ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die von ihm behauptete Verfassungswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Der Antrag war daher mangels Legitimation des Antragstellers zurückzuweisen.
3.4. Soweit der Antragsteller in seinem Eventualbegehren die Aufhebung von §92 Abs1 StVO 1960 beantragt, so fehlen dazu im Antrag Ausführungen zur Antragslegitimation und die Darlegung der Normbedenken. Der Eventualantrag war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
3.5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Verkehrserschwernisse, Pflichten der Anrainer, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G356.2001Dokumentnummer
JFT_09979076_01G00356_00