TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/23 2006/01/0454

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Veröffentlicht am 23.01.2007
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Index

E3R E19103000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003R0343 Dublin-II Art16 Abs1;
32003R0343 Dublin-II Art16 Abs3;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §5a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des Q A in B, geboren 1984, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Mag. Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Juni 2005, Zl. 260.565/2- I/02/06, betreffend §§ 5, 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus dem Kosovo stammender serbischer Staatsangehöriger albanischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste nach eigenen Angaben am 28. März 2005 in das Bundesgebiet ein und brachte am 30. März 2005 einen Asylantrag ein.

Bei seinen erstinstanzlichen Einvernahmen am 1. und 4. April 2005 gab er u.a. an, er habe den Kosovo am 27. März 2005 verlassen und sei - über Montenegro, Kroatien und Slowenien - nach Österreich gereist. In einem "anderen Land" habe er nicht um Asyl angesucht. Erst über Vorhalt gegenteiliger Ermittlungsergebnisse der Asylbehörde gab er zu, in Schweden bereits erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen zu haben. Nach Erhalt eines negativen Bescheides habe er "Schweden vor 4 Monaten" freiwillig verlassen und sei in den Kosovo zurückgekehrt.

Mit Bescheid vom 25. April 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag nach Durchführung von Konsultationen mit den zuständigen schwedischen Behörden gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück, erklärte Schweden gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e "der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates" (im Folgenden kurz: Dublin-Verordnung) für die Prüfung des Asylantrages für zuständig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Schweden aus. Der Beschwerdeführer habe - so die wesentliche Begründung des Bescheides - am 3. September 2004 in Schweden Asyl beantragt. Schweden habe sich auch gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung für zuständig erklärt. Die "ursprünglichen Angaben" des Beschwerdeführers "hinsichtlich des Fluchtweges" könnten nicht als wahr angesehen werden, da aufgrund eines EURODAC-Treffers eindeutig fest stehe, dass der Beschwerdeführer vor seiner illegalen Einreise nach Österreich einen Asylantrag in Schweden eingebracht habe.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte darin - soweit für das Beschwerdeverfahren noch relevant - aus, das Bundesasylamt hätte bei entsprechenden Ermittlungen feststellen können, dass sein Vorbringen hinsichtlich des Fluchtweges wahr sei, er die Flucht nach Österreich direkt aus dem Kosovo angetreten habe und dort seit seiner Ausreise aus Schweden über drei Monate aufhältig gewesen sei. Zum Beweis dieses Vorbringens legte er eine von der Übergangsverwaltung im Kosovo beglaubigte "Bescheinigung über meinen Aufenthalt im Jahr 2005 im Kosovo vom 10.05.2005" vor. Darin bestätigten die Mutter und ein Onkel des Beschwerdeführers, dass dieser "gegen Ende des Monats Februar des Jahres 2005 in der Heimat, Kosovo gewesen" sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 5, 5a AsylG ab.

Begründend hielt sie u.a. fest, die Erstbehörde habe die "ursprünglichen Angaben" des Beschwerdeführers wegen dessen Unglaubwürdigkeit nicht für wahr gehalten. Dieser Feststellung sei zu folgen. Der Beschwerdeführer habe in der Berufung eine Urkunde vorgelegt, aus der hervorgehe, dass er im Kosovo aufhältig gewesen sei. Aus dieser Urkunde ergebe sich jedoch - ohne auf die Frage ihrer Echtheit und Richtigkeit sowie der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers näher einzugehen - dass dieser Aufenthalt kürzer als drei Monate gewesen sein müsse. Denn folglich wäre der Beschwerdeführer von Ende Februar bis maximal zum Tag des Asylantrags, dem 30. März 2005, im Kosovo aufhältig gewesen. Insofern lasse sich aus diesem Bescheinigungsmittel nichts gewinnen, das seine Behauptung, er habe mehr als drei Monate im Kosovo verbracht, belegen könnte. Gründe die gegen das Verfahren in Schweden sprechen könnten, habe der Beschwerdeführer somit nicht vorgebracht.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde argumentiert, der Beschwerdeführer habe mit der Berufung eine Urkunde vorgelegt, aus der sich ergebe, dass er sich tatsächlich im Kosovo aufgehalten habe. Es habe daher nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden können, dass sein diesbezügliches Vorbringen unglaubwürdig sei. Umgekehrt ergebe sich aus der Urkunde nicht, dass er sich ausschließlich im Februar 2005 im Kosovo aufgehalten habe. Er selbst habe von Anfang an erklärt, "vor vier Monaten" von Schweden in den Kosovo zurückgereist zu sein.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen (relevanten) Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf:

Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung ist ein Mitgliedstaat gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung erlischt - mit einer hier nicht zu erörternden Ausnahme - gemäß Art. 16 Abs. 3 Dublin-Verordnung, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat.

Die belangte Behörde ging im Ergebnis offenbar davon aus, dass der Beschwerdeführer (nach Abschluss seines Asylverfahrens in Schweden) das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate verlassen hatte, weshalb sie eine Verpflichtung Schwedens zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführer nach den zitierten Bestimmungen als gegeben ansah. In diesem Zusammenhang beschäftigte sich die belangte Behörde mit der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung vom 10. Mai 2005, der sie - zutreffenderweise - lediglich entnehmen konnte, dass sich der Beschwerdeführer im Februar 2005 im Kosovo aufgehalten haben soll.

Damit erübrigte es sich aber - entgegen ihrer Ansicht - nicht, auf die "Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben" des Beschwerdeführers näher einzugehen. Dieser hatte bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme - nach anfänglichem Leugnen, bereits in einem anderen Land um Asyl angesucht zu haben - schließlich zugegeben, in Schweden Asyl beantragt zu haben. Nach der Ablehnung dieses Asylantrages habe er Schweden aber "vor 4 Monaten" (offenbar bezogen auf den Tag der Ersteinvernahme am 1. April 2005) verlassen und er sei in den Kosovo zurückgekehrt. Dazu hielt das Bundesasylamt in seinem Bescheid lediglich fest, die "ursprünglichen Angaben" des Beschwerdeführers (zum Fluchtweg) seien unglaubwürdig gewesen. Aus der weiteren Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung lässt sich erkennen, dass mit den "ursprünglichen Angaben" offensichtlich die Behauptung des Beschwerdeführers gemeint war, in keinem anderen Land als Österreich einen Asylantrag gestellt zu haben, weil das Bundesasylamt aufgrund eines EURODAC-Treffers von der - zuletzt gar nicht mehr strittigen - Asylantragstellung in Schweden überzeugt war. Indem die belangte Behörde dieser erstinstanzlichen "Feststellung" unverändert folgte, blieb sie aber jegliche Begründung dafür schuldig, warum der Beschwerdeführer - anders als von ihm behauptet - das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate verlassen haben sollte.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Jänner 2007

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006010454.X00

Im RIS seit

28.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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