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000;Norm
BAO §217 Abs7 idF 2000/I/142;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde der G in W, vertreten durch die "CURA" Treuhand- und Revisionsgesellschaft m.b.H. in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 26, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 11. März 2003, GZ. RV/3951-W/02, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Anbringen vom 16. April 2002 ersuchte die beschwerdeführende GmbH um Nachsicht des ihr - wegen verspäteter Entrichtung der am 15. Februar 2002 fälligen Körperschaftsteuervorauszahlung - in Höhe von EUR 17.610,55 vorgeschriebenen Säumniszuschlages.
Die Körperschaftsteuervorauszahlung für das erste Quartal 2002 sei auf Grund einer irrtümlich erfolgten "doppelten Umrechnung des Euro-Betrages" statt mit EUR 949.786,-- nur mit EUR 69.023,64 zur Einzahlung gebracht worden. Erst nach Einlangen des Säumniszuschlagsbescheides vom 11. März 2002 sei der Irrtum bemerkt und der Differenzbetrag von EUR 880.762,36 sofort nachgezahlt worden.
Es liege eine entschuldbare Fehlleistung einer Sachbearbeiterin vor, die bei Vorbereitung der Abfuhr von Umsatzsteuer, Werbeabgabe und Lohnabgaben auf Grund der 2002 erfolgten Umstellung auf Euro mehrfach Umrechnungsvorgänge zu bewältigen gehabt habe. Die ihr dabei vorliegende Buchungsmitteilung Nr. 1, auf deren Blatt 2 die Einweisung der Körperschaftsteuer für das erste Quartal 2002 hervorgegangen sei, habe auf Blatt 1 Schillingbeträge angeführt, sodann sei das Endguthaben in Euro umgerechnet und die Körperschaftsteuervorauszahlung bereits in Euro ausgewiesen worden, was der Sachbearbeiterin - leicht nachvollziehbar - entgangen sei. Die Verhängung eines Säumniszuschlages entspreche zwar dem Gesetz, erweise sich aber nach Lage des spezifischen Falles als unbillig. Die Beschwerdeführerin habe ihre Steuerschuldigkeiten bisher stets zeitgerecht entrichtet und führe auf Grund der guten Ertragslage dem Finanzamt Jahr für Jahr namhafte Körperschaftsteuerbeträge ab. Da Abgabenschuldigkeiten gemäß § 236 BAO auf Antrag ganz oder teilweise durch Abschreibung nachgesehen werden könnten, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig sei, und eine solche Unbilligkeit gegenständlich vorliege, werde um Nachsicht des Säumniszuschlages ersucht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Nachsichtsantrag im Instanzenzug mit der Begründung ab, dass der von der Beschwerdeführerin vorgetragene Sachverhalt eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nicht begründe.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.
Die in § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wofür es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Einen Sachverhalt, der für die Qualifikation als persönliche Unbilligkeit in Betracht käme, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht.
Sachlich bedingte Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 4. April 1996, 92/13/0309, vom 22. März 1995, 94/13/0264 und 0265, sowie vom 29. Jänner 2004, 2002/15/0002).
Dass die Einhebung eines Säumniszuschlages nicht schon allein deshalb unbillig ist, weil den Steuerschuldner an der verspäteten Entrichtung der Abgabe kein Verschulden trifft und das Verschulden seiner Angestellten gering war, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, bereits mehrfach ausgesprochen. Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt den Umstand, dass der Säumniszuschlag bei kurzer Dauer des Verzuges einer höheren "Verzinsung" des geschuldeten Abgabenbetrages entspricht als bei längerer Dauer, als Auswirkung der allgemeinen Rechtslage angesehen, welche keine Unbilligkeit zu begründen vermag (vgl. mit weiteren Nachweisen die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1995, 94/13/0264 und 0265, sowie vom 9. Oktober 1992, 91/15/0017).
Mit dem BudgetbegleitG 2001 wurde das Säumniszuschlagsrecht neu gefasst und zum einen für den Fall länger dauernder Säumnis die Festsetzung weiterer Säumniszuschläge eingeführt (§ 217 Abs. 3 BAO) und zum anderen die Möglichkeiten erweitert, die Herabsetzung verwirkter Säumniszuschläge zu beantragen.
Gemäß § 217 Abs. 1 BAO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 sind, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, Säumniszuschläge zu entrichten. Nach Abs. 2 leg.cit. beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages. Der zweite Säumniszuschlag ist verwirkt, soweit eine Abgabe nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit entrichtet ist. Der dritte Säumniszuschlag ist verwirkt, soweit eine Abgabe nicht spätestens drei Monate nach Verwirkung des zweiten Säumniszuschlages entrichtet wird. Der zweite und dritte Säumniszuschlag betragen je 1% des nicht entrichteten Abgabenbetrages (Abs. 3 leg.cit.).
Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge gemäß § 217 Abs. 7 leg.cit. insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Während nach alter Rechtslage die Frage des Verschuldens des Abgabenpflichtigen am Zahlungsverzug generell als unbeachtlich angesehen wurde und diesbezügliches Vorbringen nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht geeignet war, eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu begründen, können nach der durch das BudgetbegleitG 2001 gestalteten Rechtslage entsprechende Einwendungen im Rahmen einer Antragstellung nach § 217 Abs. 7 BAO - und damit auf Ebene der Abgabenfestsetzung - vorgebracht werden.
Eine Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO setzt die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung voraus; eine solche kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Im Nachsichtsverfahren können daher nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären (vgl. zusammenfassend mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Stoll, BAO, 2436).
Da Einwendungen zum Fehlen eines groben Verschuldens an der Säumnis im Rahmen einer (grundsätzlich unbefristeten) Antragstellung nach § 217 Abs. 7 leg.cit. erhoben werden können, bleibt auch nach der durch das BudgetbegleitG 2001 gestalteten Rechtslage kein Raum dafür, derartige Gründe in dem der Abgabenfestsetzung nachgelagerten Verfahren nach § 236 BAO zu berücksichtigen.
Zu ergänzen bleibt, dass im Beschwerdefall keine Umstände vorgebracht wurden, die einer Antragstellung nach Abs. 7 leg.cit. entgegenstehen könnten und dass die Beschwerdeführerin in einer Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde ein entsprechendes Vorgehen selbst angekündigt hat. Der Anregung der Beschwerdeführerin, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, folgt der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht, weil das Ergebnis des Verfahrens nach § 217 Abs. 7 leg. cit. ohnedies der selbständigen Anfechtung unterliegt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Jänner 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2003130062.X00Im RIS seit
23.02.2007Zuletzt aktualisiert am
15.10.2010