Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Partei Dr. Roman J*****, vertreten durch Dr. Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wider die wiederaufnahmsbeklagte Partei Waltraud J*****, vertreten durch Dr. Erwin Hermann und Dr. Markus Ludwig, Rechtsanwälte in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 10 C 116/94g des Bezirksgerichtes Hietzing wegen Unterhalt, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der wiederaufnahmsklagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 16. August 2000, GZ 45 R 314/00k-14, mit dem infolge Rekurses der wiederaufnahmsklagenden Partei der Beschluss der Bezirksgerichtes Hietzing vom 4. Mai 2000, GZ 4 C 13/99h-8, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufgetragen.
Die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Urteil vom 5. 3. 1998 gab das Erstgericht dem Unterhaltsbegehren der Wiederaufnahmsbeklagten (damals Klägerin) teilweise Folge und verpflichtete den Wiederaufnahmskläger (damals Beklagten), zusätzlich zu seiner bestehenden Unterhaltsverpflichtung in Höhe S 14.000 zuletzt ab 1. 1. 1995 weitere S 7.600 zu bezahlen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit Urteil vom 20. 1. 1999; die außerordentliche Revision des damals Beklagten wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 24. 2. 2000, 8 Ob 32/00i, zurückgewiesen.
Das Erstgericht wies nach Zustellung der Klage und somit nach Streitanhängigkeit die am 15. 4. 1999 eingebrachte Wiederaufnahmsklage des damals Beklagten mit Beschluss vom 4. 5. 1999 zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs ohne nähere Begründung nicht zu. Der Wiederaufnahmskläger habe vorgebracht, am 19. 3. 1999 erstmals durch den Zeugen H***** Kenntnis von Tatsachen erlangt zu haben, die zu einer Abweisung des gesamten Klagebegehrens des Vorprozesses geführt hätten, nämlich dass die Wiederaufnahmsbeklagte praktisch durchgehend berufstätig sei. Das Vorliegen eines Verschuldens sei von Amtswegen zu beachten. Der Wiederaufnahmskläger sei dafür behauptungs- und beweispflichtig, dass ihn kein Verschulden treffe. Komme der Wiederaufnahmskläger dieser Pflicht schon in der Klage nicht nach, so sei seine Klage gemäß § 538 Abs 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Der Wiederaufnahmskläger habe in seiner Klage zwar geltend gemacht, dass er erst am 19. 3. 1999 von Beweismitteln Kenntnis erlangt habe, die zu einem anderen Ausgang des seinerzeitigen Verfahrens hätten führen können. Er habe jedoch keine Behauptung dahin aufgestellt, dass ihm die Kenntnis dieses neuen Beweismittels im Vorverfahren ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Das Erstgericht habe daher zu Recht die Klage zurückgewiesen.Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs ohne nähere Begründung nicht zu. Der Wiederaufnahmskläger habe vorgebracht, am 19. 3. 1999 erstmals durch den Zeugen H***** Kenntnis von Tatsachen erlangt zu haben, die zu einer Abweisung des gesamten Klagebegehrens des Vorprozesses geführt hätten, nämlich dass die Wiederaufnahmsbeklagte praktisch durchgehend berufstätig sei. Das Vorliegen eines Verschuldens sei von Amtswegen zu beachten. Der Wiederaufnahmskläger sei dafür behauptungs- und beweispflichtig, dass ihn kein Verschulden treffe. Komme der Wiederaufnahmskläger dieser Pflicht schon in der Klage nicht nach, so sei seine Klage gemäß Paragraph 538, Absatz eins, ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Der Wiederaufnahmskläger habe in seiner Klage zwar geltend gemacht, dass er erst am 19. 3. 1999 von Beweismitteln Kenntnis erlangt habe, die zu einem anderen Ausgang des seinerzeitigen Verfahrens hätten führen können. Er habe jedoch keine Behauptung dahin aufgestellt, dass ihm die Kenntnis dieses neuen Beweismittels im Vorverfahren ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Das Erstgericht habe daher zu Recht die Klage zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Wiederaufnahmsklägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass er ersatzlos aufgehoben und den Vorinstanzen die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufgetragen werde; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.
In der ihr frei gestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber bringt vor, es sei sehr formal, zu verlangen, er müsse explizit in der Wiederaufnahmsklage ausführen, dass ihm die Tatsache des Verdienens seiner Ehefrau und das Beweismittel (Zeuge) hiefür ohne sein Verschulden im Vorprozess unbekannt gewesen sei; dies ergebe sich implizit aus seiner Wiederaufnahmsklage.
Dies trifft zu. Der erkennende Senat kann deshalb auch die Meinung des Rekursgerichtes über fehlende Parteibehauptungen des Wiederaufnahmsklägers zum mangelnden Verschulden an der Geltendmachung der Wiederaufnahmsgründe nicht teilen.
Im Vorprüfungsverfahren (§ 538 ZPO) ist in aller Regel nicht darüber zu entscheiden, ob der Wiederaufnahmskläger ohne sein Verschulden außerstande war, Beweismittel im Vorprozess zu verwenden (RdW 1992, 248). Die Frage, ob die Klage gemäß § 530 Abs 2 ZPO unzulässig ist, kann nur dann schon im Vorverfahren erledigt werden, wenn Angaben des Wiederaufnahmsklägers darüber, dass die Geltendmachung der neuen Tatsachen und Beweismittel im Vorprozess ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, gänzlich fehlen oder sich aus den Parteiangaben ein Verschulden ergibt (EvBl 1973/163; JBl 1979, 268). Diese Fälle liegen jedoch hier nicht vor. Ein Verschulden liegt dann nicht vor, wenn die Partei ein Beweismittel, mit dessen Vorhandensein sie nicht rechnen musste, im Hauptprozess nicht angeboten hat (JBl 1976, 439). Der Wiederaufnahmskläger hat eine erstmalige Kenntnis (nach Schluss der Verhandlung erster Instanz) der neuen Tatsachen und Beweismittel über die praktisch durchgehende Berufstätigkeit der Beklagten durch die Mitteilung des Zeugen H***** behauptet. In diesem Vorbringen liegt klar ersichtlich auch die Behauptung, dass ihn an der Unkenntnis dieser Umstände vor diesem Zeitpunkt kein Verschulden treffe. Es gehört zwar zur prozessualen Diligenzpflicht der Partei, im Prozess alle für ihren Standpunkt günstigen Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen. Dies setzt aber die Kenntnis darüber voraus (6 Ob 2163/96y, die einen ganz vergleichbaren Sachverhalt betraf; siehe auch RdW 1992, 248; 8 Ob 509/94; 4 Ob 206/98t). Es würde die Diligenzpflicht des Wiederaufnahmsklägers überspannen, würde man von ihm fordern, im Vorprozess etwa durch umfängliche Beschattung der Wiederaufnahmsbeklagten, seiner Ehegattin, die aber von ihm getrennt lebt, überprüfen zu lassen, ob diese nicht unangemeldet berufstätig sei.Im Vorprüfungsverfahren (Paragraph 538, ZPO) ist in aller Regel nicht darüber zu entscheiden, ob der Wiederaufnahmskläger ohne sein Verschulden außerstande war, Beweismittel im Vorprozess zu verwenden (RdW 1992, 248). Die Frage, ob die Klage gemäß Paragraph 530, Absatz 2, ZPO unzulässig ist, kann nur dann schon im Vorverfahren erledigt werden, wenn Angaben des Wiederaufnahmsklägers darüber, dass die Geltendmachung der neuen Tatsachen und Beweismittel im Vorprozess ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, gänzlich fehlen oder sich aus den Parteiangaben ein Verschulden ergibt (EvBl 1973/163; JBl 1979, 268). Diese Fälle liegen jedoch hier nicht vor. Ein Verschulden liegt dann nicht vor, wenn die Partei ein Beweismittel, mit dessen Vorhandensein sie nicht rechnen musste, im Hauptprozess nicht angeboten hat (JBl 1976, 439). Der Wiederaufnahmskläger hat eine erstmalige Kenntnis (nach Schluss der Verhandlung erster Instanz) der neuen Tatsachen und Beweismittel über die praktisch durchgehende Berufstätigkeit der Beklagten durch die Mitteilung des Zeugen H***** behauptet. In diesem Vorbringen liegt klar ersichtlich auch die Behauptung, dass ihn an der Unkenntnis dieser Umstände vor diesem Zeitpunkt kein Verschulden treffe. Es gehört zwar zur prozessualen Diligenzpflicht der Partei, im Prozess alle für ihren Standpunkt günstigen Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen. Dies setzt aber die Kenntnis darüber voraus (6 Ob 2163/96y, die einen ganz vergleichbaren Sachverhalt betraf; siehe auch RdW 1992, 248; 8 Ob 509/94; 4 Ob 206/98t). Es würde die Diligenzpflicht des Wiederaufnahmsklägers überspannen, würde man von ihm fordern, im Vorprozess etwa durch umfängliche Beschattung der Wiederaufnahmsbeklagten, seiner Ehegattin, die aber von ihm getrennt lebt, überprüfen zu lassen, ob diese nicht unangemeldet berufstätig sei.
Da dem Klagevorbringen auch nicht die abstrakte Eignung fehlt, eine Änderung der Entscheidung im Hauptprozess herbeizuführen, ist dem Revisionsrekurs stattzugeben, sind die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und ist dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufzutragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens beruht auf Paragraph 52, ZPO.
Anmerkung
E61093 08A02720European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0080OB00272.00H.0308.000Dokumentnummer
JJT_20010308_OGH0002_0080OB00272_00H0000_000