Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede B*****, vertreten durch Dr. Reinhard Junghuber, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Land S*****, vertreten durch Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 60.000 sA, infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2000, GZ 22 R 266/00x-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10. Mai 2000, GZ 14 C 1341/99t-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 4.871,04 (hierin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer angeblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 2 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.Gemäß Paragraph 510, Absatz 3, letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer angeblichen Rechtsfrage (Paragraph 502, Absatz 2, ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Klägerin nimmt die beklagte Partei (als Rechtsträger der Landeskrankenanstalten [LKA] S*****) mit ihrer am 4. 8. 1999 eingebrachten Klage in Anspruch, weil in der Ambulanz des LKH S*****, wohin sie sich im November 1997 zu einer Untersuchung akuter Schmerzen im Unterleib-/Bauchbereich begeben habe, die Notwendigkeit einer Blinddarmoperation übersehen worden sei. Sie begehre daher dafür den Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 60.000 sA. Im weiteren Verfahren konkretisierte sie den von der beklagten Partei zu vertretenden Fehler dahin, dass dieser "in einer unzureichenden Untersuchung bestanden habe, weil der die Klägerin behandelnde Arzt nicht den ganzen Bauch abgetastet habe; bei Abtasten des ganzen Bauches, insbesondere im unteren Bereich, hätte damals schon die Diagnose gestellt werden können, die im Februar (1998] in Berchtesgaden [gemeint: Blinddarmentzündung samt Operation] gestellt worden ist" (ON 6). In der letzten Streitverhandlung wurde von der Klägerin auch noch vorgebracht, dass sie sowohl im November [1997] als auch am 23. 12. 1997 in den LKA S***** gewesen sei und dort spätestens am 23. 12. 1997 eine stationäre Aufnahme veranlasst und eine genaue Untersuchung gemacht hätte werden können, die zur Auffindung und damit auch zur Behandlung der Beschwerdenursachen geführt hätte; demgemäß wurde das Schmerzengeldbegehren für den Zeitraum ab der Untersuchung im November 1997, spätestens aber, sollte eine solche nicht als erwiesen angenommen werden, ab 23. 12. 1997 bis zur Behebung dieser Beschwerden in Berchtesgaden "konkretisiert" (ON 14, AS 46).
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren hinsichtlich des Zeitraumes vom 23. 12. 1997 bis 20. 3. 1998 dem Grunde nach zu Recht, darüber hinaus für die Zeit vom November bis 23. 12. 1997 - insoweit mangels Bekämpfung rechtskräftig - nicht zu Recht bestehe.
Es stellte - zusammengefasst - fest, dass die Klägerin, die nach einer Gallensteinoperation 1990 schon jahrelang immer wieder an sehr starken Bauchschmerzen litt und deswegen bereits mehrfach Ärzte und auch die LKA S***** aufgesucht hatte, am 23. 12. 1997 wiederum dort wegen ihrer starken Bauchschmerzen und einer vermuteten Blinddarmentzündung erschienen sei. In der Ambulanz wurde sie vom damaligen diensthabenden Asistenzarzt untersucht, und zwar in der bei Verdacht auf Blinddarmentzündung üblichen Weise, obwohl die Schmerzen eher im Mittelbauch und nicht, wie meist bei Blinddarmentzündungen, im Unterbauch lokalisiert wurden. Im Zuge dieser Untersuchung wurde durch klinische Anamnese und Ultraschall - vergeblich - versucht, einen Tumor im Dickdarmbereich oder eine Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle oder einen krankhaft veränderten Wurmfortsatz festzustellen oder auszuschließen. Dabei wurde kein Anhaltspunkt für eine Blinddarmentzündung gefunden, auch nichts Auffälliges festgestellt, jedenfalls aber keine akute Indikation. Die - wie sich nachträglich herausstellte - tatsächlich chronischen und schon wochenlang bestehenden Mittel- und Unterbauchbeschwerden sind bei einer einmaligen Untersuchung auch nicht feststellbar, sondern können erst bei Eröffnen der Bauchhöhle erkannt werden. Aufgrund des Untersuchungsergebnisses wurde die Klägerin nicht stationär aufgenommen. Sie wäre dazu grundsätzlich bereit und auch interessiert gewesen, zumal sie unbedingt eine Computertomographie gemacht haben wollte. Mangels einer akuten Indikation dafür wäre jedoch eine solche sofort nicht möglich gewesen. Da der sie untersuchende Arzt den Eindruck hatte, dass die Klägerin zu einer stationären Aufnahme nur bei sofortiger Durchführung einer CT bereit wäre, eine solche jedoch nicht sofort möglich war, wurde sie stationär nicht aufgenommen, wobei nicht feststellbar ist, dass ihr die stationäre Aufnahme angeraten oder auch angeboten worden wäre, sei es auch zu einem späteren Zeitpunkt. Abgelehnt wurde jedenfalls eine stationäre Aufnahme durch die Klägerin nicht. Tatsächlich konnte bei der ambulanten Untersuchung die Ursache der Schmerzen nicht gefunden werden; dafür wäre eine längere Beobachtung nötig gewesen, also mit einer stationären Aufnahme zur weiteren Befunderhebung und zur Verlaufsbeobachtung. Da aber keine akute Appendicitis vorlag, lag auch kein (erkennbarer) Grund zu einer sofortigen stationären Aufnahme vor bzw wurde kein Grund dafür gesehen.
Als die Klägerin Anfang 1998 bei einem Spaziergang im Berchtesgaden wieder sehr starke Schmerzen verspürte, suchte sie das dortige Krankenhaus auf. Dabei wurde sie sehr eingehend (für sie mit Schmerzen verbunden) untersucht, allerdings ebenfalls nicht sofort stationär aufgenommen. Ihr wurde die Aufnahme zu einer Operation für drei Wochen später empfohlen und angeraten, bis dahin wenig zu essen und auf viel Stuhlgang zu achten, was ihr tatsächlich dann etwas Erleichterung verschaffte. Am 10. 3. 1998 wurde im Krankenhaus in Berchtesgaden eine Bauchhöhlenöffnung (Laparatomie) wegen dringenden Verdachtes von Adhaesionen beim Zustand nach einer offenen Gallenblasenoperation vor Jahren durchgeführt. Im Zuge dieser Operation wurden reichliche Verwachsungen im Bereich der alten Operationsnarbe nach der Gallenblasenoperation gelöst und der dabei entdeckte entzündete Wurmfortsatz in typischer Weise abgetragen. Auch die in Berchtesgaden durchgeführte Operation war keine solche wegen einer chronischen Appendicitis, sondern wegen des Verdachts auf postoperative Verwachsungen. Allerdings wurde bei dieser Operation dann der entzündlich veränderte Wurmfortsatz entdeckt und damit auch die Ursache der Schmerzen entfernt. Tatsächlich war die Klägerin nicht durch eine akute Appendicitis gefährdet. Erkennbar war der entzündende Wurmfortsatz erst bei eröffneter Bauchhöhle. Er kam auch nicht zwingend als einzige Schmerzursache in Betracht, da Ursache der Schmerzen auch allenfalls die Verwachsungen im Bereich der entfernten Gallenblase und/oder ein Narbenbruch sein konnten, mit der Operation war jedoch die jahrelange Schmerzursache behoben.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die bloß einmalige Untersuchung durch den Assistenzarzt ohne - auch nur versuchte bzw der Klägerin angebotene - weitere Befunderhebungen und Verlaufbeobachtung eine von der beklagten Partei zu vertretende Sorgfaltspflichtverletzung darstelle. Der "Entschuldungsbeweis" sei der beklagten Partei nicht gelungen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte die bekämpfte Entscheidung im Sinne eines klageabweislichen Endurteils ab.
Zu dem nunmehr revisionsgegenständlichen und von der klagenden Partei erstmalig in ihrer Berufungsbeantwortung weiter erhobenen Vorwurf (auch) einer fehlenden ärztlichen Dokumentation (als weitere Verletzung der ordnungsgemäßen Erfüllung des Behandlungsvertrages zwischen den Streitteilen) führte das Berufungsgericht, welches die Feststellungen des Erstgerichtes übernahm, in rechtlicher Hinsicht aus, dass es hiezu "schon an einem entsprechenden Vorbringen in erster Instanz fehlt." Selbst bei entsprechendem Tatsachenvorbringen in erster Instanz würde jedoch im gegenständlichen Fall die Judikatur über die Beweislastumkehr bei Verletzung der Dokumentationspflicht bei Operationen nicht greifen, weil nach den erstgerichtlichen Feststellungen ja keine akute Appendicitis vorlag und keine Indikation zu einer sofortigen staionären Aufnahme gegeben war. Trotzdem ließ das Berufungsgericht jedoch die ordentliche Revision zu, "weil zum Umfang der ärztlichen Dokumentationspflicht bei fehlender akuter Indikation für sofortige therapeutische Maßnahmen und die damit zusammenhängende Behauptungs- und Beweislastverteilung eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt."
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte und sich inhaltlich ausschließlich mit Rechts- und Beweis(last)fragen im Zusammenhang mit der ärztlichen Dokumentationspflicht befassende Revision der klagenden Partei ist unzulässig. Dass die im Zulassungsausspruch angeführte (und in der Revision weiter vertiefte) Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wäre, reicht nämlich nicht aus; die Entscheidung muss vielmehr von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängen, die angeschnittene Rechtsfrage also präjudiziell sein (RIS-justiz RS0102059, 0088931). Wenn aber ein Berufungsgericht bereits selbst (zutreffend) erkannte, dass eine Partei zu einem bestimmten (rechtlichen) Themenbereich kein notwendiges Tatsachenvorbringen erstattet und ihr - somit erstmaliges - Vorbringen in einem Rechtsmittelschriftsatz (hier: Berufungsbeantwortung) gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO verstieß, dann kann selbstredend hieraus auch keine für das Entscheidungsergebnis präjudizielle und damit erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abgeleitet werden - selbst wenn, wie hier, das Berufungsgericht gleichsam der Vollständigkeit halber (jedoch tatsächlich überflüssigerweise) doch diesen rechtlichen Themenkreis einer inhaltlichen Prüfung und Beurteilung unterzog. Darauf weist auch die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung richtigerweise hin. Dem Obersten Gerichtshof ist es daher schon aus dieser Erwägung verwehrt, die der Klägerin seitens der beklagten Partei zuteil gewordene (und nach ihrer Auffassung mangelhaft gebliebene) Behandlung auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Führung ärztlicher Aufzeichnungen (RS0038270, 0026236, 0108525; Kopetz in RdM 1995, 12) einer Überprüfung zu unterziehen. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RS0111271; 2 Ob 265/99f). An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Sonstige erhebliche Rechtsfragen werden in der Revision nicht releviert.Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte und sich inhaltlich ausschließlich mit Rechts- und Beweis(last)fragen im Zusammenhang mit der ärztlichen Dokumentationspflicht befassende Revision der klagenden Partei ist unzulässig. Dass die im Zulassungsausspruch angeführte (und in der Revision weiter vertiefte) Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO wäre, reicht nämlich nicht aus; die Entscheidung muss vielmehr von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängen, die angeschnittene Rechtsfrage also präjudiziell sein (RIS-justiz RS0102059, 0088931). Wenn aber ein Berufungsgericht bereits selbst (zutreffend) erkannte, dass eine Partei zu einem bestimmten (rechtlichen) Themenbereich kein notwendiges Tatsachenvorbringen erstattet und ihr - somit erstmaliges - Vorbringen in einem Rechtsmittelschriftsatz (hier: Berufungsbeantwortung) gegen das Neuerungsverbot des Paragraph 482, ZPO verstieß, dann kann selbstredend hieraus auch keine für das Entscheidungsergebnis präjudizielle und damit erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO abgeleitet werden - selbst wenn, wie hier, das Berufungsgericht gleichsam der Vollständigkeit halber (jedoch tatsächlich überflüssigerweise) doch diesen rechtlichen Themenkreis einer inhaltlichen Prüfung und Beurteilung unterzog. Darauf weist auch die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung richtigerweise hin. Dem Obersten Gerichtshof ist es daher schon aus dieser Erwägung verwehrt, die der Klägerin seitens der beklagten Partei zuteil gewordene (und nach ihrer Auffassung mangelhaft gebliebene) Behandlung auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Führung ärztlicher Aufzeichnungen (RS0038270, 0026236, 0108525; Kopetz in RdM 1995, 12) einer Überprüfung zu unterziehen. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RS0111271; 2 Ob 265/99f). An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO). Sonstige erhebliche Rechtsfragen werden in der Revision nicht releviert.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf Paragraphen 41,, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin aus dem Grunde des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO hingewiesen.
Anmerkung
E61083 07A00481European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0070OB00048.01M.0314.000Dokumentnummer
JJT_20010314_OGH0002_0070OB00048_01M0000_000