TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/24 2003/13/0141

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Veröffentlicht am 24.01.2007
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Index

61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

FamLAG 1967 §2a Abs1;
FamLAG 1967 §3 Abs3 idF 1991/367;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde der G in N, vertreten durch Dr. Claudia Klimburg, Rechtsanwältin in 8230 Hartberg, Steingasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 1. Oktober 2003, Zl. RV/1405- W/2003, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe "ab Dezember 2002" zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Monat Jänner 2003 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, soweit er die Monate ab April 2003 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 991,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, im Streitzeitraum rumänische Staatsbürgerin, gebar am 26. September 2002 eine Tochter, für welche sie mit einem mit 17. April 2003 datierten Antrag Familienbeihilfe ab 1. November 2002 beantragte. Auf dem verwendeten Vordruck kreuzte sie das Feld "Kindererziehung allein" an, führte als Beruf "Tänzerin" und als Wohnort W.M. an und gab als Dienstgeber den Kindesvater C.C. an, welcher die österreichische Staatsbürgerschaft besitze und ihr Lebensgefährte sei.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2003 wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe "für die Zeit ab Dezember 2002" ab, weil die Beschwerdeführerin keine österreichische Staatsbürgerin sei, sich nicht mindestens fünf Jahre ständig im Bundesgebiet aufhalte und einer Beschäftigung bei einem Dienstgeber im Bundesgebiet nicht nachgehe.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, sie sei bei ihrem Lebensgefährten C.C. in dessen Künstleragentur weit länger als drei Monate beschäftigt gewesen. Sie sei, als sie schwanger gewesen sei, in Karenz gegangen. Daher sei sie noch beim Dienstgeber beschäftigt und "nur in Karenz". Sie beantrage eine "Anfrage an C.C." zum Beweis dafür, dass sie "tatsächlich noch beim Dienstgeber beschäftigt" sei. Ihr Anspruch auf Familienbeihilfe stütze sich aber auch auf § 3 Abs. 3 FLAG, denn sie habe mit C.C. an der angeführten Adresse in W.M. gemeinsam gewohnt, mit ihm gelebt und den gemeinsamen Haushalt geführt. C.C. sei österreichischer Staatsbürger und der Kindesvater. Die Beschwerdeführerin habe den Haushalt überwiegend geführt. An diesem Umstand ändere sich dadurch nichts, dass C.C. verhaftet worden sei und sich derzeit in Untersuchungshaft befinde und "wir diesen Haushalt (nur deshalb) aufgeben mussten". Eine vorübergehende Abwesenheit bedeute keine Auflösung des Haushaltes.

Mit Vorhalt vom 29. Juli 2003 fragte das Finanzamt die Beschwerdeführerin, ob sie "derzeit" in aufrechter Lebensgemeinschaft (wenn ja, mit wem) wohne, ob sie "derzeit" in Österreich einer Beschäftigung nachgehe und wenn nein, wie sie ihren Lebensunterhalt finanziere.

Die Beschwerdeführerin antwortete mit Schriftsatz vom 25. August 2003, dass sie mit dem Kindesvater C.C. zusammen an der Adresse in W.M. lebe. Beide seien dort aufrecht gemeldet gewesen. Auf Grund der Verhaftung des Lebensgefährten C.C. am 7. März 2003 "musste die Wohnung verlassen werden". Die Beschwerdeführerin wohne nun an der Anschrift in N. Es sei beabsichtigt, nach Ende der Haft des C.C. wieder eine gemeinsame Wohnung zu benützen. Diesem Schriftsatz lag eine Erklärung des C.C. vom 13. August 2003 bei, in welcher er erklärte, in Untersuchungshaft genommen worden zu sein, bis zu seiner Verhaftung in Lebensgemeinschaft mit der Beschwerdeführerin gelebt zu haben und diese Lebensgemeinschaft fortsetzen zu wollen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit teilweise statt, "als für die Monate Februar und März 2003 Familienbeihilfe zu gewähren ist", und wies die Berufung "ansonsten" als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin sei am 24. Jänner 2000 nach Österreich eingereist und habe ab 13. August 2002 in W.M. ihren Hauptwohnsitz gehabt, wo auch die Tochter der Beschwerdeführerin seit der Geburt "angemeldet" sei. "Ihr Ehepartner und Kindesvater C.C.", ein österreichischer Staatsbürger, sei seit 15. Dezember 1992 in F. (Hauptwohnsitz), seit 21. Juni 1993 in W.B. (Nebenwohnsitz), seit 19. Februar 2003 in W.M. (Nebenwohnsitz) und seit 7. März 2003 in E. (Nebenwohnsitz) polizeilich gemeldet.

Nach Schilderung des Verwaltungsverfahrens führte die belangte Behörde aus, ein "Versicherungsdatenauszug der Österr. Sozialversicherung" bestätige, dass die Beschwerdeführerin vom 13. November 2001 bis 22. April 2002 "wie auch laufend" in einem freien Dienstverhältnis pflichtversichert gewesen sei und vom 23. April 2002 bis zum 19. Dezember 2002 Wochengeld bezogen habe. Dienstgeber sei die Künstleragentur des C.C. gewesen. Von der Gebietskrankenkassa habe die Beschwerdeführerin vom 26. September 2002 bis zum 30. November 2002 Kinderbetreuungsgeld bezogen. Eine Rücksprache mit der Strafvollzugsanstalt in E. habe ergeben, dass sich C.C. dort seit 7. März 2003 wegen näher angeführter Straftaten in Untersuchungshaft befinde.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe nach § 3 Abs. 2 FLAG sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Beschwerdeführerin erst am 24. Jänner 2000 nach Österreich eingereist sei und demnach kein fünfjähriger ständiger Aufenthalt im Bundesgebiet vorliege. Ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 FLAG scheitere am Vorliegen eines Dienstverhältnisses, zumal ein solches zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen müsse. Ein freies Dienstverhältnis sei "steuerrechtlich als Einkünfte aus selbständiger bzw. aus Gewerbebetrieb anzusehen". Abgesehen vom "Nichtvorliegen der voraussetzenden Einkunftsart" sei es auch erforderlich, dass Einkünfte im Sinne des EStG überhaupt bezogen würden. Als Einkünfte seien nur steuerpflichtige Einkünfte zu verstehen, nicht jedoch steuerfreie, worunter auch das Karenzgeld falle. Indem das Karenzgeld steuerfrei sei, falle es nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, welche wiederum eine tatbestandsmäßige Voraussetzung für den Familienbeihilfenanspruch nach § 3 Abs. 1 FLAG bildeten. Es verbleibe zu prüfen, ob der Familienbeihilfenanspruch auf § 3 Abs. 3 FLAG aus dem Titel, mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet zu sein, abgeleitet werden könne. Weitere Voraussetzung sei dabei, dass mit diesem ein gemeinsamer Haushalt geführt werde. Lebten die Eltern getrennt, seien sie geschieden oder sei auch nur ein Elternteil verstorben, könne von einem gemeinsamen Haushalt nicht mehr gesprochen werden und stehe dann dem Elternteil, der nicht österreichischer Staatsbürger sei, die Familienbeihilfe nicht zu. Dies baue rein auf die Tatsache des Zusammenlebens, unabhängig vom Grund der Trennung, auf und müsse auch dann gelten, wenn der österreichische Ehepartner inhaftiert sei. Die belangte Behörde sehe entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und der Aktenlage als erwiesen an, dass "der Bw." (gemeint wohl: C.C.), der sich am 19. Februar 2003 in der Wohnung in W.M. angemeldet habe, bis zu seiner Inhaftierung am 7. März 2003 im gemeinsamen Haushalt mit Mutter und Kind gelebt habe. Sohin sei Familienbeihilfe (nur) für die Monate Februar und März zu gewähren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin führt ausdrücklich aus, die Beschwerde richte sich gegen "die Nichtgewährung der Familienbeihilfe für den Monat Jänner 2003 (für Februar und März 2003 wurde die Beihilfe gewährt) sowie ab April 2003. Soweit der angefochtene Bescheid über die Monate Dezember 2002 und Februar und März 2003 abspricht, wird er mit der vorliegenden Beschwerde daher nicht bekämpft.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, eine mündliche Verhandlung sei unterblieben, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie in der Beschwerde nicht behauptet, eine solche Verhandlung beantragt zu haben, und den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge - worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift hinweist - einen solchen Antrag auch nicht gestellt hat. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf Art. 6 EMRK verfängt nicht, betrifft der angefochtene Bescheid doch nicht "civil rights".

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - FLAG, haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch auf Familienbeihilfe für ein solches Kind hat nach § 2 Abs. 2 leg. cit. die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind nach § 2 Abs. 5 FLAG dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht nach § 2a Abs. 1 FLAG der Anspruch des Elternteils, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteils vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Personen, die nicht österreichische Staatsbürger waren, hatten nach § 3 Abs. 1 FLAG in der für den Streitzeitraum maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1977 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt waren und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet bezogen; kein Anspruch bestand jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauerte. Kein Anspruch bestand außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstieß.

Nach § 3 Abs. 3 FLAG in der für den Streitzeitraum maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 367/1991 genügte für den Anspruch eines Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führte (§ 2a Abs. 1) und der nicht österreichischer Staatsbürger war, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger war oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllte.

Die belangte Behörde ging zunächst davon aus, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe nach § 3 Abs. 1 FLAG daran scheitere, dass kein Dienstverhältnis vorliege, welches zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führe. Die belangte Behörde stützte sich auf einen "Versicherungsdatenauszug der Österr. Sozialversicherung", womit bestätigt werde, die Beschwerdeführerin sei in einem freien Dienstverhältnis (§ 4 Abs. 4 ASVG) gestanden.

Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin, dass ihr diese "Bestätigung" und das von der belangten Behörde daraus gezogene Ergebnis im Verwaltungsverfahren nicht vorgehalten wurde. Die Relevanz dieses Verfahrensfehlers zeigt sie damit auf, dass - ihrer Ansicht nach - ein Dienstverhältnis aus der von ihr in der Beschwerde geschilderten Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen "zum Dienstgeber" vorliege. Immerhin hatte sie auch im Antrag auf Familienbeihilfe C.C. als Dienstgeber bezeichnet.

Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe auch auf § 3 Abs. 3 FLAG, weil C.C., der Vater ihrer Tochter, österreichischer Staatsbürger sei. Die belangte Behörde verneinte den Anspruch nach § 3 Abs. 3 FLAG mit der Begründung, dass die weitere in dieser Bestimmung geforderte Voraussetzung eines gemeinsamen Haushaltes (mit C.C.) mit Ausnahme für die Monate Februar und März nicht gegeben sei. C.C. habe sich erst mit 19. Februar 2003 mit einem Wohnsitz in W.M. polizeilich gemeldet und sei am 7. März 2003 in Untersuchungshaft genommen worden.

Für die Monate ab April 2003 verweigerte die belangte Behörde die Gewährung der Familienbeihilfe auch deshalb, weil zufolge der Inhaftierung des C.C. kein gemeinsamer Haushalt mit der Beschwerdeführerin vorgelegen sei, wie er von § 3 Abs. 3 FLAG durch den Verweis auf § 2a Abs. 1 leg. cit. gefordert werde. Damit, dass die belangte Behörde in der bloßen Verhängung der Untersuchungshaft über C.C. die Auflösung des gemeinsamen Haushaltes annimmt, hat sie die Rechtslage verkannt.

Allein auf den Umstand einer Verhaftung und Verhängung der Untersuchungshaft durfte die belangte Behörde die Annahme nicht stützen, dass ein gemeinsamer Haushalt nicht mehr gegeben gewesen wäre. Ein bestehender gemeinsamer Haushalt wird etwa durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte) nicht beseitigt (vgl. etwa Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, Rz 17 zu § 14 MRG und die dort zitierte Rechtsprechung des OGH). Eine Untersuchungshaft zählt zu solchen Unterbrechungen.

Da die belangte Behörde für die Monate ab April 2003 den Anspruch auf Familienbeihilfe im Instanzenzug daher zu Unrecht deshalb verweigert hat, weil sie § 3 Abs. 3 FLAG rechtswidrig ausgelegt hatte, belastete sie den angefochtenen Bescheid insoweit auch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war somit im angefochtenen Umfang, nämlich hinsichtlich der Familienbeihilfe für Jänner 2003 gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, hinsichtlich der Familienbeihilfe für den Zeitraum ab April 2003 wegen vorgehender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG, aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z. 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft die Umsatzsteuer, welche im pauschalierten Betrag für Schriftsatzaufwand (§ 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm § 1 Z. 1 lit. a der zitierten VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333) bereits enthalten ist.

Wien, am 24. Jänner 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003130141.X00

Im RIS seit

26.02.2007

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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