TE Vwgh Beschluss 2007/1/25 2005/07/0157

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Veröffentlicht am 25.01.2007
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Index

L63007 Rinderzucht Tierzucht Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §68 Abs7;
TierzuchtG Tir 1995 §22;
TierzuchtG Tir 1995 §23;
TierzuchtG Tir 1995 §24;
TierzuchtG Tir 1995 §25 Abs3;
TierzuchtG Tir 1995 §25 Abs5;
TierzuchtG Tir 1995 §25;
TierzuchtG Tir 1995;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, in der Beschwerdesache des Univ. Prof. i. R. Dr. Ing. Gert E in M, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Dezember 2004, Zl. IIIa2-5078/5, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einem Verfahren nach dem Tiroler Tierzuchtgesetz 1995, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit an die belangte Behörde gerichtetem Schreiben vom 10. März 2004 beantragte der Beschwerdeführer die "Untersagung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung" durch den Haflinger Pferdezuchtverband T (im Folgenden: Verband).

Darin brachte er vor, er sei Haflingerzüchter in Tirol und als solcher Mitglied im Haflinger Pferdezuchtverein M (im Folgenden: Zuchtverein), welcher wiederum Mitglied des Verbandes sei.

Der Verband züchte, halte und vermarkte selbst und im eigenen Namen Pferde der Rasse Tiroler Haflinger. Er stehe damit grundsätzlich in einem Konkurrenzverhältnis zu den einzelnen Züchtern, die Mitglieder der dem Verband angehörigen Zuchtvereine seien. Die Monopolstellung des Verbands in Bezug auf Haltung und Vermarktung von Hengstfohlen und gekörten Hengsten der Rasse Tiroler Haflinger basiere auf folgenden Umständen:

Für den Haflingerzüchter in Tirol bestehe die Notwendigkeit der Mitgliedschaft im Verband, welche durch die Mitgliedschaft in einem Haflinger Pferdezuchtverein erlangt werde. Ein Züchter, der nicht Mitglied in einem Haflinger Pferdezuchtverein in Tirol sei, erhalte vom Verband für seine Zuchtprodukte keinerlei Papiere und dürfe mit seinen Tieren an keiner Veranstaltung des Verbands oder Vereins teilnehmen.

Gemäß § 6 der Statuten des Verbands seien die Verbandsmitglieder insbesondere verpflichtet, die Satzungen, Beschlüsse und Anordnungen des Verbands zu befolgen. Weiters finde sich in dieser Bestimmung eine Vorschrift dahingehend, dass der Verband auf jedes Hengstfohlen, welches im Besitz bzw. Eigentum von Mitgliedern der Zuchtvereine sei, ein Vorkaufsrecht habe. Der Preis richte sich nach dem üblichen Marktpreis. Diese Bestimmung werde in der Praxis als Andienungs- bzw. Optionsrecht zu Gunsten des Verbands gehandhabt, den Züchtern hoch qualifizierte Hengstfohlen abzukaufen, wobei der übliche Marktpreis vom Verband - derzeit ca. EUR 1.500 - festgelegt werde.

Nach § 2 lit. f der Statuten des Zuchtvereins gehöre es zu dessen Vereinszwecken, die Absatzbestimmungen des Verbands einzuhalten, worunter die Ablieferung jedes Hengstfohlens an den Verband bis zum 15. November des Geburtsjahres zu verstehen sei. Weiters ergebe sich aus § 6 Z. 3 die Verpflichtung für die Mitglieder, die Satzungen des Zuchtvereins sowie die Vereinsbeschlüsse und die Anordnungen und Beschlüsse des Verbands zu befolgen und dabei insbesondere die Veräußerung von Zuchttieren nach den Bestimmungen des Zuchtvereins bzw. des Zuchtverbands vorzunehmen.

Ein Pferd ohne Abstammungsnachweis oder Pferdepass eines anerkannten Zuchtverbandes sei national und international für Zucht und Sport absolut wertlos und werde unabhängig von der Qualität zum Schlachtpreis - zur Zeit unter EUR 1,50/Kilo Lebendgewicht - gehandelt.

Ohne die vorgenannten Dokumente, Papiere und Nachweise sei eine adäquate Vermarktung hochwertiger Zuchtprodukte im In- und Ausland absolut unmöglich. Es bestehe für die einzelnen Züchter keine Möglichkeit, mit Tieren ohne Abstammungsnachweis an Leistungsschauen, Prämierungen, Auktionen, Absatzveranstaltungen, Leistungsprüfungen oder Körungen im In- und Ausland teilzunehmen, da die Teilnahme die Vorlage des Abstammungsnachweises voraussetze.

Auch als Mitglied eines Haflinger Pferdezuchtvereins, der dem Verband angehöre, erhalte der Züchter eines Haflinger Hengstfohlens vom Verband keines der oben genannten Papiere, sondern lediglich eine Quittung für den Deckvorgang, aus der der Name der gedeckten Stute, nicht aber der des Deckhengstes hervorgehe. Somit könne in Tirol der Züchter eines Haflingerhengstfohlens einem Käufer oder Kaufinteressenten keinen Abstammungsnachweis für ein Haflinger Hengstfohlen vorlegen. Diese Vorgehensweise des Verbands widerspreche § 24 Tiroler Tierzuchtgesetz 1995, LGBl. Nr. 61/1995 (Tir. TierzuchtG 1995).

Von den jährlich in Tirol geborenen ca. 700 Haflinger Hengstfohlen würden vom Zuchtleiter des Verbands in den Monaten Mai bis August direkt bei den Züchtern ca. 50 Haflinger Hengstfohlen ausgesucht, die Ende Oktober/Anfang November auf dem Fohlenhof E vorzustellen seien. Aus diesen Fohlen suche eine Kommission des Verbands, der wiederum der Zuchtleiter vorstehe, ca. 20 bis 25 sogenannter Hengstanwärter aus, die nach Ansicht der Kommission nach ca. 2 Jahren Chancen haben, gekört zu werden, und kaufe diese Hengstanwärter an. Der Züchter sei zu diesem Verkauf an den Verband verpflichtet.

Nach den Statuten des Verbands werde keinem Haflinger Hengstfohlen, das nicht als Hengstanwärter von der Kommission ausgewählt und angekauft worden sei, eine Chance gegeben, sich zu entwickeln und bei der Körung zu zeigen, dass dieses Tier zuchttauglich sei. Vorsitzender der Körkommission sei wiederum der Zuchtleiter des Verbands. Er bewerte also die Tiere, die er selbst vor zwei Jahren ausgewählt habe, und die ausschließlich im Eigentum des Verbands stünden. Nur wenige der ca. 2 Jahre zuvor ausgewählten Hengstanwärter schafften die Körung nicht. Private Züchter oder Tierhalter könnten nicht mit ihren Junghengsten an der Körung des Verbands teilnehmen. Ein gekörter Junghengst bleibe im Besitz des Verbands und werde nach Weisung des Zuchtleiters zur Zucht in Tirol eingesetzt oder in ein anderes Bundesland oder Ausland verkauft. Ein gekörter Hengst werde nicht an einen Tiroler Züchter verkauft.

Alle Haflinger Hengstfohlen, die der Kommission nicht vorgestellt oder nicht vom Verband angekauft worden seien, also von vornherein nicht in die Evaluierung gefallen seien - jährlich ca. 650 Haflinger Hengstfohlen -, seien der Fleischverwertung zuzuführen oder unverzüglich zu kastrieren, da ein Züchter kein reinrassig gezogenes Haflinger Hengstfohlen aufziehen dürfe, andernfalls würde er gegen die Statuten des Zuchtvereins verstoßen, wonach alle Hengstfohlen bis 15. November des Geburtsjahres an den Verband abgeliefert werden müssten. Ein Hengstfohlen, das im ersten Lebensjahr kastriert werde, habe keine Möglichkeit sich körperlich gut zu entwickeln, um später im Reitund/oder Fahrsport eingesetzt werden zu können. Falls ein Züchter dennoch wage, ein Haflinger Hengstfohlen aufzuziehen, könne er dieses Tier nicht bei der Verbandskörung vorstellen und - entgegen § 24 Tir. TierzuchtG 1995 - erhalte er nur dann einen Abstammungsnachweis oder Pferdepass für dieses Tier, wenn er eine glaubwürdige Bestätigung eines Tierarztes vorlege, dass das Tier kastriert worden sei. Diese Kastration werde vom Verband in den Pferdepass eingetragen.

Für einen Hengst erhalte der Züchter keinen Abstammungsnachweis oder Pferdepass, auch nicht unter dem Hinweis, dass dieser Hengst vom Verband im Alter von 2 3/4 Jahren nicht gekört worden sei und somit nicht zur Haflingerzucht in Tirol eingesetzt werden dürfe. Der dargelegte Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch den Verband sei somit ausschließlich in wirtschaftlichen Interessen des Verbands begründet. Zum Schaden der Haflingerzüchter in Tirol, der Verbandsmitglieder, werde in unzulässiger Weise in die freie Verfügbarkeit der Züchter über ihren Besitz eingegriffen. Dieses rigorose Vorgehen des Verbands bei der Aufzucht, Haltung und Vermarktung von Hengstfohlen durch private Züchter sei in keinem anderen Pferdezuchtverband zu finden, weder im In- noch im Ausland, und widerspreche in eklatanter Weise dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Gemeinschaft.

Er beantrage daher, die Landesregierung wolle dem Verband auftragen, den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission behalte er sich vor.

Mit Schreiben vom 17. März 2004 übermittelte die belangte Behörde dieses Schreiben zuständigkeitshalber an die Landeslandwirtschaftskammer für Tirol (im Folgenden: LWK).

Mit einem Schriftsatz vom 25. Juni 2004 reagierte der Beschwerdeführer auf eine ihm übermittelte Stellungnahme der LWK vom 21. Juni 2004 und vertrat die Ansicht, nach seiner Kenntnis der Rechtslage sei aufgrund seines Antrages die LWK als von der Landesregierung beauftragtes Aufsichtsorgan verpflichtet, den Sachverhalt in allen vorgetragenen Punkten nach den derzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen zu überprüfen und dann über den Antrag in Form eines Bescheides zu entscheiden.

Mit einem weiteren Schreiben vom 28. Juni 2004 wandte sich der Beschwerdeführer an die Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde und bezeichnete die Stellungnahme der LWK als Pflichtverletzung, die er nicht hinnehmen werde. Bei der Aufsicht gegenüber den Zuchtverbänden zählten Fakten, wie sie in seinem Antrag aufgezeigt seien, nicht aber Vermutungen und Unterstellungen.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2004 bestritt der Verband das ihm vorgeworfene Verhalten.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2004 wies die LWK den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der als Verstoß gegen das Tir. TierzuchtG 1995 zu qualifizierenden Antragsinhalte ab. Der Antrag auf Untersagung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wurde wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Vorwurf der Übertretung des Tir. TierzuchtG 1995 nicht den Tatsachen entspreche, womit auch kein aus den Behauptungen des Beschwerdeführers ableitbarer Verstoß gegen § 22 Abs. 1 lit. f Tir. TierzuchtG 1995 festgestellt habe werden können.

Der Beschwerdeführer berief und beantragte die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides, die Stattgebung des Antrages vom 10. März 2004 und die bescheidmäßige Erteilung des Auftrags an den Verband, das gegen das Tir. TierzuchtG 1995 verstoßende Verhalten abzustellen sowie die das Tir. TierzuchtG 1995 verletzenden Statuten zu beheben bzw. zu sanieren.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und änderte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass der Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der behaupteten Verstöße gegen das Tir. TierzuchtG 1995 als auch hinsichtlich des vermeintlichen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung als unzulässig zurückgewiesen werde.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, gemäß § 25 Abs. 3 lit. a Tir. TierzuchtG 1995 obliege der LWK die Aufsicht über die anerkannten Zuchtorganisationen. Dass es sich beim Verband um eine anerkannte Zuchtorganisation handle, stehe außer Streit. Dem Abs. 5 des genannten Paragraphen sei zu entnehmen, dass die LWK die Aufsicht dahingehend auszuüben habe, dass dieses Gesetz und die in seiner Durchführung erlassenen Verordnungen und Bescheide eingehalten würden. Den erläuternden Bemerkungen zu § 25 leg. cit. sei unter anderem zu entnehmen, dass die Vollziehung des Tir. TierzuchtG 1995 und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt sei, der LWK im übertragenen Wirkungsbereich obliege. Die LWK sei daher unter anderem befugt, innerhalb der ihr durch das Tir. TierzuchtG 1995 übertragenen Zuständigkeit hoheitliche Tätigkeiten zu setzen. Darunter falle auch die Überwachung der anerkannten Zuchtorganisationen.

Wie der gesicherten Judikatur der Höchstgerichte zu entnehmen sei, handle es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers nicht um einen Antrag im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, sondern um eine Anregung, die Aufsichtsbehörde möge tätig werden und einen - nach Meinung des Beschwerdeführers vorhandenen - Missstand abstellen.

In diesem Zusammenhang wies die belangte Behörde auf den zu § 11 Tiroler Gemeindeordnung  1966 ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, 93/01/1503, hin, aus dem zusammengefasst hervorgehe, dass das Rechtsinstitut der staatlichen Aufsicht grundsätzlich nicht im Interesse der durch den Maßnahmen der beaufsichtigten Organe betroffenen Person, sondern allein im öffentlichen Interesse eingerichtet sei, weshalb kein Anspruch darauf bestehe, dass die Aufsichtsbehörde ihren Überwachungspflichten auch tatsächlich nachkomme.

Auch der Judikatur zu § 115 Tiroler Gemeindeordnung 2001 sei zu entnehmen, dass es allen Gemeindebewohnern frei stehe, eine Aufsichtsbeschwerde wegen behaupteter Verletzungen eines Gesetzes oder einer Verordnung einzubringen, doch habe diese lediglich den Charakter einer Anregung ohne Anspruch auf Entscheidung (VwGH "8. Mai 1985, 85/01/0150"). Eine Mitteilung der Aufsichtsbehörde an den Beschwerdeführer, dass sie keinen Anlass finde, von ihrem Aufsichtsrecht Gebrauch zu machen, sei kein Bescheid und daher auch nicht bekämpfbar.

Zur Ausübung des Aufsichtsrechts habe der Verwaltungsgerichtshof zu § 116 Tiroler Gemeindeordnung 2001 ausgeführt, dass - vergleichbar mit dem Art. 18 Abs. 1 B-VG - auch aus den Bestimmungen über das Gemeindeaufsichtsrecht ein subjektives durchsetzbares Recht auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Gemeindeselbstverwaltung nicht abgeleitet werden könne; das Aufsichtsrecht begründe - mit der Ausnahme der Vorstellung der Aufhebung rechtskräftiger Bescheide - lediglich Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinde und der Aufsichtsbehörde.

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass der nunmehrige Beschwerdeführer keinen Antrag gestellt und sohin auch kein Recht habe, in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung zu erlangen bzw. keine Möglichkeit habe, die Aufsichtsbehörde zu einem bescheidmäßigen Handeln zu zwingen.

Die erstinstanzliche Behörde habe daher zu Recht die als Antrag formulierten Anregungen zurückgewiesen. Die in der Berufung behauptete materielle Rechtswidrigkeit und die wesentlichen Verfahrensmängel lägen auf Grund des oben Dargelegten nicht vor und brauche deshalb auf dieses Vorbringen auch nicht weiter eingegangen zu werden. Zur Verdeutlichung der erstinstanzlichen Entscheidung sei der Spruch abzuändern gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit seinem Beschluss vom 27. September 2005, B 192/05-3, ablehnte. Aus der Begründung dieses Beschlusses geht in Zusammenhang mit der behaupteten Rechtswidrigkeit der Statuten des Verbandes hervor, dass deren Rechtsqualität schon aufgrund ihrer mangelnden Präjudizialität nicht zu untersuchen gewesen sei. Schließlich verwies der Verfassungsgerichtshof auch unter Hinweis auf Vorjudikatur auf den mangelnden Rechtsanspruch auf die Handhabung des Aufsichtsrechtes.

Über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. November 2005 dem Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte seine Beschwerde und macht vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tir. TierzuchtG 1995 lauten:

"Zuchtorganisationen

Anerkennung

§ 22. (1) Die Landeslandwirtschaftskammer hat eine Zuchtorganisation auf Antrag durch Bescheid anzuerkennen, wenn

a) das Zuchtprogramm geeignet ist, die Zucht landwirtschaftlicher Tiere im Sinne der Ziele nach § 1 Abs. 1 zu fördern,

b) die Eignung gegeben ist, die tierische Erzeugung zu verbessern, und die Erhaltung einer Rasse oder das Zuchtprogramm einer bestehenden Zuchtorganisation nicht gefährdet wird,

c) das für eine fachlich einwandfreie züchterische Arbeit erforderliche Personal und die hiefür erforderlichen Einrichtungen vorhanden sind,

d) eine für die Durchführung des Zuchtprogrammes ausreichend große Zuchtpopulation vorhanden ist,

e) die Verpflichtung zur Durchführung von Leistungsprüfungen besteht,

f) die ordnungsgemäße Führung des Herdebuches bzw. des Zuchtregisters und die Ausstellung der Abstammungsnachweise und Herkunftsbescheinigungen gewährleistet sind und die Geschäftsstelle der Zuchtorganisation in Tirol liegt,

g) die Zuchttiere dauerhaft so gekennzeichnet sind, daß ihre Identität festgestellt werden kann,

h) ein Tier bei Vorliegen der Voraussetzungen der Abstammung und der Leistungsmerkmale einschließlich des äußeren Erscheinungsbildes in das Herdebuch eingetragen wird,

i) für die Eintragung in das Herdebuch an die nicht aus Tirol stammenden Tiere keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die aus Tirol stammenden Tiere,

j) die Zuchtorganisation über eine Satzung verfügt, die insbesondere die Gleichbehandlung ihrer Mitglieder und das Recht auf Mitgliedschaft für Züchter vorsieht, die im örtlichen Wirkungsbereich der Zuchtorganisation tätig sind und sich verpflichtet haben, ihre züchterische Tätigkeit entsprechend den satzungsgemäßen Zielen der Zuchtorganisation auszuüben.

     ......

     (5) Die Landeslandwirtschaftskammer hat die Anerkennung zu

widerrufen, wenn eine der für die Anerkennung maßgeblich gewesenen

Voraussetzungen weggefallen ist oder wenn eine mit der Anerkennung

verbundene Auflage auch innerhalb einer Nachfrist nicht erfüllt

wurde.

     .....

     Abstammungsnachweis, Herkunftsbescheinigung

     § 24. (1) Die Zuchtorganisation hat für jedes in das

Herdebuch oder Zuchtregister eingetragene Tier auf Grund der darin

enthaltenen Angaben auf Verlangen des Tierhalters eine Urkunde

über die Abstammung und die Leistungen des Tieres

(Abstammungsnachweis, Herkunftsbescheinigung) auszustellen.

     ......

     Zuständigkeit der Landeslandwirtschaftskammer

     § 25. (1) Die Vollziehung dieses Gesetzes obliegt der

Landeslandwirtschaftskammer im übertragenen Wirkungsbereich,

soweit nichts anderes bestimmt ist.

     (2) Auf das Verfahren vor der Landeslandwirtschaftskammer als

Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist das Allgemeine

Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, anzuwenden.

     (3) Der Landeslandwirtschaftskammer obliegt die Aufsicht über

     a) die anerkannten Zuchtorganisationen,

     b) die Besamer und die Tierärzte, die Embryonen- und

Eizellenübertragungen durchführen, und

     c) die Halter von Vatertieren.

     ......

(5) Die Landeslandwirtschaftskammer hat die Aufsicht dahin auszuüben, daß dieses Gesetz und die in seiner Durchführung erlassenen Verordnungen und Bescheide eingehalten werden."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. März 2004 zurückgewiesen, weil es sich dabei um eine Anregung zur Wahrnehmung der Aufsichtspflicht handle; diesbezüglich bestehe kein Anspruch auf bescheidmäßigen Abspruch. Allein die Richtigkeit dieser Rechtsansicht war daher im vorliegenden Fall zu prüfen.

Der Beschwerdeführer bringt nun in der Beschwerde vor, die Bestimmungen des § 22 Tir. TierzuchtG 1995 umschrieben nicht bloß objektive Pflichten, die sich an die Allgemeinheit richteten und allein von der Behörde wahrzunehmen seien, sondern dienten gleichzeitig den Interessen der davon betroffenen Züchter. Folglich räumten sie Züchtern gleichzeitig ein subjektivöffentliches Recht ein, die Einhaltung dieser Vorschriften zu verlangen. Der Beschwerdeführer habe demnach ein Interesse an der Erfüllung dieser Pflicht, ein Interesse, das für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend gewesen sei, sodass im demokratischen Rechtsstaat eine Vermutung für seine Befugnis zur Rechtsverfolgung streite.

Der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer unmittelbar in seinen Rechten, weil die Behörde das zur Diskussion stehende Verhalten des Verbands weder überprüft noch unterbunden habe: Durch das in den Statuten vorgeschriebene Vorkaufsrecht zu marktüblichen Preisen und die Tatsache, dass Pferde, die nicht vom Zuchtleiter ausgewählt würden, keine Abstammungsnachweise/Pferdepässe erhielten, sei eine ordnungsgemäße Zucht faktisch unmöglich. Da die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein Antragsrecht und damit Parteistellung bzw. subjektiv-öffentliche Rechte im Verfahren abspreche, sei ein effektiver Rechtsschutz vor Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung nicht gewährleistet. Die von der belangten Behörde angeführten Bestimmungen der Tiroler Gemeindeordnung beträfen das Aufsichtsrecht des Landes gegenüber der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich. Zweck und Inhalt dieser Bestimmungen sei ein gänzlich anderer als das Anerkennungs- und Aufsichtsrecht der LWK gegenüber Zuchtorganisationen nach dem Tir. TierzuchtG 1995.

Die belangte Behörde hätte nach §§ 22 ff Tir. TierzuchtG 1995 auch die Statuten des Verbands zu überprüfen gehabt. Teile der Statuten verstießen gegen das Tir. TierzuchtG 1995. Die Behörde habe es gänzlich unterlassen, die Statuten inhaltlich zu überprüfen und verstoße daher gegen die Grundsätze der Offizialmaxime sowie der materiellen Wahrheit. Folglich sei der bekämpfte Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Der Verfahrensmangel sei wesentlich, weil die Behörde bei der Überprüfung jene Bestimmungen der Statuten bzw. das entsprechende Verhalten der Vereinsorgane zu untersagen bzw. allenfalls die Anerkennung des Vereins zu widerrufen gehabt hätte.

Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden.

Im Zusammenhang mit den Zuchtorganisationen regelt § 22 Tir. TierzuchtG 1995 das Anerkennungs- bzw. das Widerrufsverfahren von Zuchtorganisationen und legt in den §§ 23 und 24 weitere Vorgaben für die Tätigkeit der Zuchtorganisationen fest. Am Ende des über Antrag durchzuführenden Verfahrens zur Anerkennung und des von Amts wegen durchzuführenden Verfahrens betreffend den Widerruf einer solchen Anerkennung steht ein durch die LWK als in erster Instanz zuständige Behörde zu erlassender Bescheid.

Im Zusammenhang mit den Zuchtorganisationen ist ein sonstiges hoheitliches Einschreiten im Tir. TierzuchtG 1995 aber nicht vorgesehen. Hingegen finden sich in § 25 leg. cit. Regelungen über die durch die LWK auszuübenden Aufsichtsrechte über Zuchtorganisationen und deren Wirken.

Dem Beschwerdeführer geht es - wie dem verfahrensgegenständlichen Antrag zweifelsfrei entnommen werden kann - um eine Änderung des Verhaltens des Verbandes im Zusammenhang mit der Hengstzucht bzw. in diesem Zusammenhang um eine Änderung der Statuten des Verbandes. Damit bezieht sich der Beschwerdeführer aber auf Aspekte des Zuchtbetriebes und des Wirkens des Zuchtverbandes, hinsichtlich derer ihm aus dem Tir. TierzuchtG 1995 keine subjektiv-öffentlichen Rechte erwachsen. Der vom Beschwerdeführer behauptete Missbrauch bzw. das vorgeworfene ungesetzliche Vorgehen des Verbandes stellt vielmehr ein Verhalten dar, das allenfalls das Aufsichtsrecht der LWK nach § 25 Abs. 3 und 5 Tir. TierzuchtG 1995 auf den Plan ruft.

Dieses Aufsichtsrecht sprach der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren selbst mehrfach ausdrücklich an; er vertrat dabei den Standpunkt, im Rahmen eines diese Aufsicht betreffenden Antrages stehe ihm ein Recht auf bescheidmäßigen Abspruch über diesen Antrag zu.

Nach § 68 Abs. 7 AVG steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt diese Bestimmung darüber hinaus ganz allgemein für die Anrufung des Aufsichtsrechts im Gegensatz zur Verfolgung der Rechte der Partei im ordentlichen Instanzenzug (vgl. u.a. den zur Gewerbeordnung 1994 ergangenen hg. Beschluss vom 6. November 2002, 2000/04/0112, sowie den zum Glücksspielgesetz 1989 ergangenen Beschluss vom 19. Mai 1994, 94/17/0199). Die die Ausübung des Aufsichtrechts regelnde Sondervorschrift des § 25 Abs. 3 Tir. TierzuchtG 1995 bestimmt nichts anderes.

Auch aus den vom Beschwerdeführer mehrfach ins Treffen geführten Vorschriften des § 22 Tir. TierzuchtG 1995 betreffend die Anerkennung von Zuchtorganisationen kann kein Recht des Beschwerdeführers auf Tätigwerden der LWK im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnis abgeleitet werden.

Schließlich ist auch aus den beiden vom Beschwerdeführer angeführten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 2002, 2001/07/0133, und vom 22. April 2004, 2003/07/0125, nicht abzuleiten, dass dem Beschwerdeführer ein durchsetzbares subjektiv-öffentliches Recht auf Wahrnehmung der Aufsicht über den Verband zukäme. In diesen Erkenntnissen wurde die Parteistellung einer anerkannten Zuchtorganisation im Anerkennungsverfahren einer weiteren Zuchtorganisation bejaht. Im Beschwerdefall geht es aber nicht um die Anerkennung einer Zuchtorganisation und die Frage der Berührung von Rechten einer bereits bestehenden Zuchtorganisation, sondern um das an die Behörde gerichtete Begehren eines Züchters, von ihm behauptete - von einem konkreten Einzelfall losgelöste - Verstöße einer bereits anerkannten Zuchtorganisation gegen das Tir. TierzuchtG 1995 im Rahmen des Aufsichtsrechts wahrzunehmen.

Daraus folgt, dass dem Beschwerdeführer, der mit seinem "Antrag" vom 10. März 2004 lediglich die Ausübung des Aufsichtsrechts anregen konnte, kein subjektives Recht auf Ausübung eines solchen behördlichen Aufsichtsrechts zustand, weil dessen Ausübung nur angeregt, nicht aber erzwungen werden kann. Ein Recht auf Tätigwerden der Behörde oder auf bescheidmäßige Erledigung seiner "Anregung" steht dem Beschwerdeführer aber nicht zu.

Steht dem Beschwerdeführer ein solcher Rechtsanspruch auf das begehrte Tätigwerden der Behörde nicht zu, so kann er aber durch den Bescheid der Aufsichtsbehörde, mit dem die Ausübung des Aufsichtsrechts durch Zurückweisung seines Antrages abgelehnt wurde, nicht in Rechten verletzt sein. Fehlte solcherart die Möglichkeit der Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid, so war seine Beschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen (vgl. zu all dem u.a. die hg. Beschlüsse vom 6. November 2002, 2000/04/0112, und vom 14. Dezember 1995, 94/19/1203).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auch § 51 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Jänner 2007

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005070157.X00

Im RIS seit

21.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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