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27/04 Sonstige Rechtspflege;Norm
AgrVG §15 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des LS-Fonds für Oberösterreich in Linz, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger und Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwälte in 4040 Linz, Ferihumerstraße 31, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wels vom 27. Juli 2006, Zl. Jv 2224-33a/06, betreffend Eintragungsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Zahlungsauftrag vom 29. Juni 2006 schrieb die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Vöcklabruck der beschwerdeführenden Partei Eintragungsgebühr gemäß TP 9b Z 1 GGG von insgesamt EUR 15.614,-- sowie Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG von EUR 7,-- vor.
In dem dagegen eingebrachten Berichtigungsantrag vertrat die beschwerdeführende Partei die Ansicht, die Vorschreibung der Eintragungsgebühr widerspreche § 15 Agrarverfahrensgesetz 1950 (AgrVG 1950) und beantragte, die Vorschreibung ersatzlos aufzuheben. Im Beschwerdefall sei das Flurbereinigungsverfahren von Amts wegen mit Bescheid eingeleitet worden. Im Rahmen dieses Verfahrens und zwecks Erzielung eines hohen Flurbereinigungseffektes habe die beschwerdeführende Partei Grundstücke erworben, die mit dem Flurbereinigungsplan als Abfindungsgrundstücke an Landwirte im Flurbereinigungsgebiet zugewiesen worden seien. Weiters habe die beschwerdeführende Partei an der Regelung von Grunddienstbarkeiten im Flurbereinigungsgebiet mitgewirkt. Die Agrarbezirksbehörde habe den Flurbereinigungsplan einschließlich Besitzstandsausweis und Bewertungsplan erlassen. Die Gebührenvorschreibung sei daher gesetzwidrig.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag nicht statt. In der Begründung führte die belangte Behörde nach wörtlicher Wiedergabe des Berichtigungsantrages aus: "Eingangs wird festgehalten, das die Nichtstattgebung ohne konkretes Eingehen auf die Ausführungen im Berichtigungsantrag begründet wird". Sie vertrat die Ansicht, Tatbestandsmerkmale des § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 seien erstens entweder die Vorlage eines Flurbereinigungsvertrags oder der Abschluss eines Flurbereinigungsübereinkommens vor der Behörde und zweitens die bescheidmäßige Feststellung der Erforderlichkeit der Durchführung des Vertrags oder des Übereinkommens zur Flurbereinigung durch die Behörde. Der nachfolgende zweite Satz des § 50 Abs. 2 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 statuiere keine Tatbestandsmerkmale für die Anwendbarkeit dieser Norm, sondern ordne lediglich als Kann-Bestimmung an, dass bei Vorlage eines solchen Flurbereinigungsvertrags oder Abschluss eines solchen Flurbereinigungsübereinkommens vor der Behörde diese Behörde von der Erlassung des Einleitungsbescheides und des Flurbereinigungsplans Abstand nehmen könne. Dies bedeute aber keineswegs, dass dann, wenn die Behörde von dieser Kann-Bestimmung des zweiten Satzes keinen Gebrauch mache, ein Fall des § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 nicht mehr vorläge. Wenn also ein Flurbereinigungsübereinkommen im Sinne des ersten Satzes geschlossen und die Erforderlichkeit dieses Übereinkommens für die Durchführung der Flurbereinigung bescheidmäßig festgestellt werde, liege ein Fall des § 50 Abs. 2 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 auch dann vor, wenn die Behörde ungeachtet des zweiten Satzes einen Einleitungsbescheid und Flurbereinigungsplan erlasse.
Für die Frage der Gebührenbefreiung der an einen solchen Vorgang anknüpfenden Grundbuchseintragungen bedeute dies, dass solche Eintragungen auf Basis von für die Flurbereinigung erforderlichen Flurbereinigungsübereinkommen auch dann nicht von der Gebührenbefreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 AgrVG 1950 erfasst seien, wenn die Agrarbehörde trotz des Vorliegens eines Übereinkommens einen Einleitungsbescheid erlasse und wenn sie auf Grundlage dieses Übereinkommens einen Flurbereinigungsplan erlasse. Bezogen auf den Beschwerdefall führe dies zum Ergebnis, dass unabhängig von der bescheidmäßigen Verfahrenseinleitung und der Erlassung eines Flurbereinigungsplans die gegenständlichen Grundbuchseintragungen auf der Grundlage von Flurbereinigungsübereinkommen im Sinne des § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 geschehen seien (in der Erlassung des Flurbereinigungsplans vom 22. August 2005 sei nämlich die bescheidmäßige Feststellung im Sinne dieser Bestimmung, also das oben angeführte zweite Tatbestandsmerkmal, zu erblicken) und daher nicht in den Genuss der Gebührenbefreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 AgrVG 1950 gelangten.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Vorschreibung der Gerichtsgebühren nach dem GEG erfolgt in einem Verwaltungsverfahren, in dem mangels besonderer Anordnung die allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens anzuwenden sind (vgl. die in Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren7, zu § 6 GEG in E 2 und E 3 angeführte hg. Rechtsprechung).
Zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört es auch, dass sich die Begründung eines auf Grund eines Berichtigungsantrages ergangenen Bescheides mit dem Berichtigungsbegehren in der erforderlichen Weise auseinander setzt und vor allem den für die rechtliche Beurteilung notwendigen Sachverhalt feststellt (vgl. das zur BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 25. September 2001, Zl. 2001/14/0066).
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von vornherein feststellt, sie begründe ihre Entscheidung ohne "konkretes Eingehen auf die Ausführungen im Berichtigungsantrag", dann verkannte sie ihre Verpflichtung zur Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens einschließlich einer entsprechenden Bescheidbegründung und belastete schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit.
In der Sache selbst ist festzuhalten:
Gemäß TP 9 lit. b Z 1 GGG unterliegen Eintragungen in das Grundbuch zum Erwerb des Eigentums und des Baurechtes einer Gebühr vom Wert des Rechtes.
§ 15 des Agrarverfahrensgesetzes 1950 lautet wie folgt:
"§ 15. (1) Die zur Durchführung eines Verfahrens vor der Agrarbehörde
1. zur Regelung der Flurverfassung (Zusammenlegung, Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Teilung oder Regulierung, Flurbereinigung) oder
2. zur Regelung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie anderer Felddienstbarkeiten oder
3.
in Alpschutzangelegenheiten oder
4.
nach den Güter- und Seilwegegesetzen oder
5.
in Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens erforderlichen Schriften und die zu diesen Zwecken vor der Agrarbehörde abgeschlossenen Rechtsgeschäfte sind von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit.
(2) Rechtsgeschäfte, die nicht im Rahmen von Verfahren vor der Agrarbehörde abgeschlossen werden, sind von den Stempel- und Rechtsgebühren dann befreit, wenn die mit einem Hinweis auf die Gebührenbefreiung nach dieser Bestimmung versehenen Urkunden beim Finanzamt angezeigt werden und von der Agrarbehörde deren Übereinstimmung mit den Zielen des Gesetzes (Abs. 1 Z 1 bis 5) bescheidmäßig festgestellt wurde.
(3) Grundbuchseintragungen, die zur Durchführung der in Abs. 1 Z 1 und 2 genannten Verfahren verwirklichten Rechtsvorgänge erforderlich sind, sind - ausgenommen die Fälle des § 50 Abs. 2 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes - von den Gerichtsgebühren befreit."
§ 50 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 lautet wie folgt:
"§ 50. (1) Im Flurbereinigungsverfahren sind die Bestimmungen für die Zusammenlegung mit nachstehenden Abänderungen sinngemäß anzuwenden:
1. Das Verfahren ist von Amts wegen mit Bescheid einzuleiten und abzuschließen.
2. Im Einleitungsbescheid sind die Grundstücke oder Grundbuchskörper, die der Flurbereinigung unterzogen werden, zu bezeichnen.
3.
(Anm.: Aufgehoben durch BGBl. Nr. 301/1976.)
4.
Die Flurbereinigungsgemeinschaft wird mit Bescheid begründet und aufgelöst.
5. Über das Ergebnis der Flurbereinigung ist ein Bescheid (Flurbereinigungsplan) zu erlassen.
(2) Dem Flurbereinigungsverfahren sind Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), oder Parteienübereinkommen, die von der Behörde in einer Niederschrift beurkundet wurden (Flurbereinigungsübereinkommen) zugrunde zu legen, wenn die Behörde bescheidmäßig feststellt, dass sie zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind. In einem solchen Fall kann von der Erlassung des Einleitungsbescheides und des Flurbereinigungsplanes Abstand genommen werden."
Für die Gewährung oder Versagung der Gerichtsgebührenbefreiung nach § 15 Abs. 3 AgrVG 1950 ist entscheidend, nach welchem Verfahren die Agrarbehörde das Flurbereinigungsverfahren durchgeführt hat; wurde das Verfahren nach § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 durchgeführt, dann ist die Befreiung von der Eintragungsgebühr zu versagen. Die jeweiligen Verfahren sind klar voneinander abzugrenzen. Die Gerichtsgebührenpflicht knüpft nämlich an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung (durch den Kostenbeamten) zu gewährleisten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2005/16/0138).
Sowohl nach § 50 Abs. 1 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 als auch nach § 50 Abs. 2 leg. cit. müssen bzw. können Einleitungsbescheide und Flurbereinigungspläne ergehen. Diese Kriterien sind daher allein nicht ausschlaggebend für die Beurteilung, welches Verfahren angewendet wurde. Nach dem zitierten Gesetzestext sind allerdings weitere Bescheide in den jeweiligen Verfahren zu erlassen, nämlich nach § 50 Abs. 1 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 (z.B. Begründung und Auflösung der Flurbereinigungsgemeinschaft) und § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 (z.B. Feststellung der Behörde, dass die in verbücherungsfähiger Form abgeschlossenen Verträge oder Parteienübereinkommen zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind). Die Bestimmung des § 50 Abs. 1 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 schließt aber auch nicht aus, dass auch im Falle einer amtswegigen Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens eine Einigung innerhalb der Flurbereinigungsgemeinschaft erfolgen kann, die zu Verträgen bzw. Parteienübereinkommen führen können.
Im Beschwerdefall erfolgte nach den vorgelegten Verwaltungsakten - und dies wird auch im Berichtigungsantrag behauptet - eine amtswegige und keine über Parteiantrag initiierte Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens. Im angefochtenen Bescheid fehlt weiter eine nachvollziehbare Begründung für die Feststellung, im Flurbereinigungsplan sei die bescheidmäßige Feststellung, die Verträge bzw. Parteienübereinkommen seien zur Flurbereinigung erforderlich, zu erblicken, so dass solche Bescheide im Verfahren nach § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 gar nicht zu ergehen hätten. Sprechen doch gerade die Umstände der amtswegigen Einleitung des Verfahren und das Nichtergehen einer bescheidmäßigen Feststellung der Erforderlichkeit zur Flurbereinigung dafür, dass kein Fall des § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 gegeben ist.
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage ihre Verpflichtung zur Durchführung eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens nicht erfüllte und nicht nachvollziehbar und schlüssig die Feststellung traf, dass die Agrarbezirksbehörde ein Verfahren nach § 50 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 durchführte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. Jänner 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006160141.X00Im RIS seit
06.03.2007Zuletzt aktualisiert am
19.04.2009