TE Vfgh Erkenntnis 2002/9/24 B103/01

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art139 Abs5 / Kundmachung
B-VG Art139 Abs5 dritter Satz
Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch gesetzlose Erlassung eines Ersatzbescheides infolge Anwendung einer vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Verordnung nach bereits erfolgter Kundmachung der Aufhebung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Verfahrenskosten binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer praktizierte bis zu seinem 60. Lebensjahr als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Wien. Auch gehörte er der Ärztekammer für Wien an. Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien wurde dem Beschwerdeführer ab 1. Mai 1988 über Antrag eine Altersversorgung gewährt.

2. Mit Eingabe vom 27. Oktober 1998 begehrte der Beschwerdeführer vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien eine Pensionsnachzahlung, eine erhöhte monatliche Pension sowie eine jährliche Pensionserhöhung. Diese Anträge wurden mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. März 1999 als unbegründet abgewiesen. Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer anschließend beim Verfassungsgerichtshof mit einer zu B894/99 protokollierten Beschwerde.

Mit Erkenntnis VfSlg. 15.741/2000 hob der Verfassungsgerichtshof die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Heft 2b/1999, als gesetzwidrig auf. Der zu B894/99 bekämpfte Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien wurde als Anlassfall mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. März 2000 aufgehoben.

3. Mit der nunmehrigen Beschwerde nach Art144 B-VG bekämpft der Beschwerdeführer den vom Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der oben geschilderten Rechtssache erlassenen Ersatzbescheid vom 16. November 2000, mit dem die Anträge des Beschwerdeführers erneut abgewiesen wurden.

In der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten infolge Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids.

4. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit Erkenntnis VfSlg. 15.741/2000 hat der Verfassungsgerichtshof die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Heft 2b/1999, als gesetzwidrig aufgehoben. Die Kundmachung dieses Ausspruchs durch die Wiener Landesregierung erfolgte in dem am 25. Mai 2000 ausgegebenen Stück des Landesgesetzblattes für Wien unter Nr. 24.

2. Nach Art139 Abs5 dritter Satz B-VG tritt die Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof am Tag der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Gerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt. Im vorliegenden Fall wurde keine Frist gesetzt; die Aufhebung der betreffenden Verordnung wurde daher mit der soeben zitierten Kundmachung der Wiener Landesregierung am 25. Mai 2000 wirksam. Der angefochtene (Ersatz-) Bescheid wurde - mit dessen Zustellung an die Beschwerdevertreter - hingegen erst am 11. Dezember 2000 - also nach Wirksamwerden der Verordnungsaufhebung - erlassen.

Der Sache nach hat die belangte Behörde die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Heft 2b/1999, bei der Erlassung des angefochtenen Bescheids angewendet. Dies bestätigte auch die belangte Behörde, indem sie dem Verfassungsgerichtshof über dessen Ersuchen die eben genannte Rechtsquelle als "die dem Bescheid zugrunde liegende Satzung" übermittelte.

Die belangte Behörde wendete somit bei ihrer Bescheiderlassung die bereits als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an, weshalb sie insoweit gesetzlos vorging und damit den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzte (vgl. zB VfSlg. 14.508/1996, 15.591/1999).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr im Betrag von € 181,68 enthalten.

Schlagworte

Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht, VfGH / Aufhebung Kundmachung, VfGH / Aufhebung Wirkung, Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B103.2001

Dokumentnummer

JFT_09979076_01B00103_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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