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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, in der Beschwerdesache des GH in Wien, vertreten durch Romy Jürges-Gellrich, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schottengasse 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. Februar 2006, Zl. UVS - 03/P/2/9864/2004/13, betreffend Übertretungen der StVO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 25. November 2004 wurde der Beschwerdeführer mehrerer Übertretungen der StVO für schuldig erkannt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die mit 13. Dezember 2004 datierte Berufung.
Die belangte Behörde verfügte am 6. Dezember 2005 die Ladung (unter anderem) des Beschwerdeführers für die am 11. Jänner 2006 anberaumte mündliche Berufungsverhandlung. Zugleich richtete die belangte Behörde eine Anfrage an das Zentrale Melderegister. Diese ergab einen Wohnsitz in Wien, der mit dem im erstinstanzlichen Verfahren übereinstimmte.
Die Ladung des Beschwerdeführers für den 11. Jänner 2006 wurde jedoch nicht zugestellt, wobei sich aus einem diesbezüglichen, offenbar postamtlichen Vermerk vom 12. Dezember 2005 ergibt, dass der Empfänger bis 30. April 2006 ortsabwesend sei. Die belangte Behörde holte darauf hin mit 14. Dezember 2005 eine neuerliche Auskunft aus dem Zentralen Melderegister ein, die nach wie vor den bereits bekannten Wohnsitz in Wien ergab.
Die belangte Behörde ordnete nunmehr mit 15. Dezember 2005 die Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG durch Hinterlegung beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ohne vorausgehenden Zustellversuch an, weil der Beschwerdeführer die Änderung der Abgabestelle gemäß § 8 Abs. 1 ZustellG nicht unverzüglich mitgeteilt habe. Gemäß § 23 Abs. 4 ZustellG gelte der Ladungsbescheid mit dem 15. Dezember 2005 als zugestellt.
In der Folge ordnete die belangte Behörde gleichfalls die Hinterlegung der mit 8. Februar 2006 datierten Ausfertigung des am 11. Jänner 2006 mündlich verkündeten vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ohne vorausgehenden Zustellversuch an. Gemäß § 23 Abs. 4 ZustellG gelte der Berufungsbescheid mit 8. Februar 2006 als zugestellt.
Am 2. Juni 2006 überreichte der Beschwerdeführer nach dem Inhalt des hg. Aktes Zl. VH 2006/02/0024 persönlich den Antrag, ihm im Beschwerdeverfahren gegen den vorgenannten Berufungsbescheid der belangten Behörde Verfahrenshilfe zu gewähren. In seiner, in der Folge nach Beigebung eines Verfahrenshelfers erhobenen Beschwerde legt der Beschwerdeführer nunmehr - umfassend - dar, dass seiner Ansicht nach der angefochtene Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Er habe vielmehr von diesem erst durch Akteneinsicht am 24. April 2006 Kenntnis erlangt, womit jedoch eine ordnungsgemäße und wirksame Zustellung im Sinne des Zustellgesetzes nicht bewirkt worden sei. Die von der belangten Behörde angeordnete Zustellung des angefochtenen Bescheides durch Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG sei gesetzwidrig, da es für die Anordnung einer solchen Vorgehensweise an den dafür festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen gefehlt habe: Durch die Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers, welche der Post durch die Ortsabwesenheitserklärung vom 28. November 2005 zur Kenntnis gebracht worden sei, habe die Wohnung des Beschwerdeführers für die Dauer seiner Abwesenheit keinesfalls den Charakter als Wohnung und damit als Abgabestelle verloren und könne daher keinesfalls von einer Änderung der Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustellG ausgegangen werden. Damit fehle es jedoch an einer der wesentlichen Voraussetzungen für das Vorgehen der Zustellbehörde gemäß § 8 leg. cit. Der Beschwerdeführer habe vielmehr durch die Ortsabwesenheitserklärung seine Verpflichtung im Sinne des Zustellgesetzes ordnungsgemäß erfüllt; daher wäre eine Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustellG durchzuführen gewesen und die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam geworden. Dies habe jedoch die belangte Behörde unterlassen und dem entgegen eine Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch angeordnet. Auch sei dem Beschwerdeführer gegenüber die Verkündung des angefochtenen Bescheides in der am 11. Jänner 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht wirksam geworden, weil die Ladung zur Berufungsverhandlung ebenfalls durch Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG erfolgt sei, wobei zur Unwirksamkeit dieses Zustellvorganges auf die bereits erwähnten Ausführungen verwiesen werde. Der Beschwerdeführer habe somit von der für den 11. Jänner 2006 anberaumten Verhandlung nicht Kenntnis erlangt und sei diese in seiner Abwesenheit ohne ordnungsgemäße Ladung erfolgt.
Die Beschwerde erweist sich als verspätet.
Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung. Nach § 26 Abs. 3 erster Satz leg. cit. beginnt für die Partei, die innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Ist somit - wovon die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausgeht - die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 8. Februar 2006 erfolgt, so wäre der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe vom 2. Juni 2006 verspätet und könnte auch die Wirkungen nach § 26 Abs. 3 VwGG nicht auslösen.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers erweist sich die Zustellung des angefochtenen Bescheides mit 8. Februar 2006 als zulässig und rechtswirksam: Gemäß § 4 Abs. 1 erster und zweiter Satz ZustellG darf einem Empfänger an jede Zustelladresse zugestellt werden, soweit gesetzlich nicht die Zustellung an bestimmte Zustelladressen vorgeschrieben ist. Die Zustelladresse ist in der Zustellverfügung zu benennen. Nach § 4 Abs. 3 leg. cit. darf als Zustelladresse eine Abgabestelle nicht verwendet werden, von welcher der Empfänger durch längere Zeit hindurch dauernd abwesend ist. Dies ist außer in Fällen offensichtlichen Missbrauchs von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn der Empfänger diesen Umstand bei der Behörde oder beim Zustelldienst rechtzeitig bekannt gegeben hat. Hat der Empfänger die Bekanntgabe seiner länger dauernden Abwesenheit von einer Abgabestelle unterlassen, dieses Geschehen aber in der Folge glaubhaft gemacht, wird die Zustellung erst mit dem auf seine Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Nach § 4 Abs. 4 leg. cit. darf mangels einer Zustelladresse - unbeschadet der Möglichkeit einer Zustellung nach § 8 - dem Empfänger an jedem Ort zugestellt werden, an dem er angetroffen wird.
Gemäß den im § 2 ZustellG näher definierten Begriffen bedeutet "Empfänger" die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zustellende Dokument gelangen soll (Z. 1), die "Zustelladresse" ist gemäß § 2 Z. 4 leg. cit. u.a. eine Abgabestelle, welche wiederum in Z. 5 als Wohnung oder sonstige Unterkunft, Betriebsstätte, Sitz, Geschäftsraum, Kanzlei oder auch Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort umschrieben wird.
Unbestritten hatte der Beschwerdeführer eine Wohnung in Wien, die als Abgabestelle in diesem Sinne zumindest während des erstinstanzlichen Verfahrens anzusehen war. Diese Abgabestelle war somit auch Zustelladresse im Sinne des § 4 ZustellG. Nach den mit dem Akteninhalt insoweit im Einklang befindlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Verwaltungsgerichtshof hatte dieser mit seiner Ortsabwesenheitserklärung vom 28. November 2005 der Post zur Kenntnis gebracht, dass er vom 1. Dezember 2005 bis zum 30. April 2006 die bestehende Abgabestelle wegen Ortsabwesenheit nicht benützen werde (vgl. den hg. Akt Zl. VH 2006/02/0024); es lag somit eine dauernde Abwesenheit durch längere Zeit im Sinne des § 4 Abs. 3 erster Satz ZustellG (bei der es auf die Aufgabe der Wohnung als Abgabestelle nicht ankommt) vor, weshalb diese, der Behörde einzig bekannte Abgabestelle nicht als Zustelladresse verwendet werden durfte, zumal ein offensichtlicher Missbrauch nicht erkennbar war.
Für den Fall des Mangels einer Zustelladresse besteht aber - wie sich dies auch aus § 4 Abs. 4 ZustellG ergibt - die Möglichkeit einer Zustellung nach § 8 leg. cit. Nach § 8 Abs. 1 leg. cit. hat eine Partei, die während eines Verfahrens von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist (nach Abs. 2 leg. cit.), soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer eine Abgabestelle, an der er während der von ihm bekannt gegebenen Ortsabwesenheit erreichbar gewesen wäre, der Behörde unstrittig nicht bekannt gegeben. Die Behörde hat auch - wie dargelegt - mehrfach erfolglos versucht, eine derartige Abgabestelle in Erfahrung zu bringen, sodass sie gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG vorgehen durfte. Für die demnach zulässige Hinterlegung ohne Zustellversuch sieht § 23 Abs. 1 ZustellG ausdrücklich auch die Möglichkeit vor, die Sendung bei der Behörde selbst zur Abholung bereit zu halten. Nach § 23 Abs. 4 leg. cit. gilt die so hinterlegte Sendung mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt. Da sich aus dem Akt ergibt, dass die Sendung bei der belangten Behörde tatsächlich am 8. Februar 2006 hinterlegt wurde, galt sie somit nach der zuletzt genannten Bestimmung als mit diesem Tag zugestellt.
Bei diesem Ergebnis war die vorliegende Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 26. Jänner 2007
Schlagworte
Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006020240.X00Im RIS seit
21.03.2007Zuletzt aktualisiert am
14.10.2011