Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Gerhard T*****, geboren am *****, und des minderjährigen Georg T*****, geboren am *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Gerhard T***** und ordentlichen Revisionsrekurses des minderjährigen Georg T***** dieser vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten als Unterhaltssachwalterin, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 13. November 2000, GZ 37 R 22/00m-141, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Amtstetten vom 28. August 2000, GZ 1 P 2720/95h-136, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der erkennende Senat hatte sich bereits in der Vorentscheidung 1 Ob 311/98m (= EFSlg 85.926/3) mit den Unterhaltsansprüchen der Rechtsmittelwerber zu befassen. Es ging dabei um die Beurteilung der Auswirkungen eines Klassenlotteriegewinns des unterhaltspflichtigen Vater auf die Unterhaltsansprüche der Rechtsmittelwerber, aber auch um die erforderlichen Maßnahmen zur Ermittlung der Gewinnhöhe.
Im zweiten Rechtsgang wurde erhoben, dass der Vater 1996 in der 141. Klassenlotterie 6,250.000 S gewann. Nach Abzug von Geldgeschenken an die Lebensgefährtin, zwei Geschwister und ein weiteres Kind, Tilgung von Schulden und verschiedenen anderen Aufwendungen veranschlagten die Vorinstanzen - nach Bereinigung geringfügiger Rechenfehler durch das Rekursgericht - ein zur Erzielung eines Zinsenertrags anlagefähiges Kapital von rund 3,3 Mio S für den Zeitraum von Mai 1996 bis Mai 1998 und ein solches von rund 4 Mio S ab Juni 1998, nachdem der Vater durch den Verkauf und den Kauf je einer Liegenschaft mit Haus, die Tilgung von Schulden und die Finanzierung der Renovierungskosten für das Haus auf der erworbenen Liegenschaft weitere Geldtransaktionen getätigt hatte.
Das Erstgericht erkannte den Rechtsmittelwerbern (Gerhard, geboren am 22. 10. 1981, und Georg, geboren am 18. 10. 1984) in Erledigung deren Anträge auf Unterhaltserhöhung sowie des Antrags des Vaters auf Unterhaltsherabsetzung - auch unter Berücksichtigung dessen Arbeitseinkommens - folgende Beträge zu:
Zeitraum Gerhard Georg
1.5. bis 31.10.1996 5.300 S 5.300 S
1.11.1996 bis 31.5.1998 6.000 S 5.300 S
1. bis 30.6.1998 6.600 S 5.850 S
1.7. bis 31.8.1998 6.600 S 5.850 S
1.9.1998 bis 28.2.1999 7.100 S 6.300 S
1.3. bis 30.9.1999 6.600 S 5.900 S
1. bis 31.10.1999 7.350 S 6.600 S
ab 1.11.1999 6.850 S 7.350 S
Das Rekursgericht nahm einen möglichen Zinsenertrag von 5 % jährlich an, den der Vater durch die anzulegenden Kapitalbeträge hätte erzielen können, und setzte den Unterhaltsanspruch der Kinder unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls auf folgende Beträge herab:
Zeitraum Gerhard Georg
1.5. bis 31.10.1996 4.300 S 4.300 S
1.11.1996 bis 31.5.1998 4.900 S 4.300 S
1. bis 30.6.1998 5.250 S 4.700 S
1.7. bis 31.8.1998 5.400 S 4.800 S
1.9.1998 bis 28.2.1999 5.750 S 5.100 S
1.3. bis 31.8.1999 5.300 S 4.700 S
1. bis 30.9.1999 5.300 S 5.300 S
1. bis 31.10.1999 5.300 S 5.300 S
ab 1.11.1999 5.300 S 5.900 S
Es sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch jedoch mit Beschluss vom 29. 1. 2001 dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs Gerhards doch zulässig sei. Dessen Antrag gemäß § 14a Abs 1 AußStrG sei an sich zwar nicht stichhältig, es liege jedoch der "ungewöhnliche Fall" einer unterschiedlichen Beurteilung der Zulässigkeit der Revisionsrekurse beider Kinder vor. Bei Georg übersteige der Entscheidungsgegenstand 260.000 S, sodass dessen Rechtsmittel nach § 14 Abs 5 AußStrG vom Obersten Gerichtshof als außerordentlicher Revisionsrekurs zu erledigen sei. Dagegen übersteige der Entscheidungsgegenstand bei Gerhard nicht 260.000 S. Deshalb sei dessen Revisionsrekurs schließlich doch zuzulassen gewesen, weil nur so vermeidbar sei, "dass es trotz gleicher Ausgangslage für die beiden Brüder womöglich zu unterschiedlichen Entscheidungen und damit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung" komme.Es sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch jedoch mit Beschluss vom 29. 1.2001 dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs Gerhards doch zulässig sei. Dessen Antrag gemäß § 14a Abs 1 AußStrG sei an sich zwar nicht stichhältig, es liege jedoch der "ungewöhnliche Fall" einer unterschiedlichen Beurteilung der Zulässigkeit der Revisionsrekurse beider Kinder vor. Bei Georg übersteige der Entscheidungsgegenstand 260.000 S, sodass dessen Rechtsmittel nach § 14 Absatz 5, AußStrG vom Obersten Gerichtshof als außerordentlicher Revisionsrekurs zu erledigen sei. Dagegen übersteige der Entscheidungsgegenstand bei Gerhard nicht 260.000 S. Deshalb sei dessen Revisionsrekurs schließlich doch zuzulassen gewesen, weil nur so vermeidbar sei, "dass es trotz gleicher Ausgangslage für die beiden Brüder womöglich zu unterschiedlichen Entscheidungen und damit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung" komme.
Die Revisionsrekurse sind unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 14a Abs 3 AußStrG darf das Rekursgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses nur dann abändern, wenn es den Antrag nach § 14 Abs 1 AußStrG für stichhältig hält.
Die Unterhaltsansprüche zweier Kinder werden nicht aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund abgeleitet, es handelt sich vielmehr nur um gleichartige, nicht zusammenzurechnende Ansprüche (1 Ob 277/99p; 4 Ob 182/99i; 7 Ob 19/99s ua). Das Gesetz sieht - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - die Abänderung eines Ausspruchs über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses nicht vor, wenn in ein und derselben Entscheidung über gleichartige Ansprüche mehrerer Parteien abgesprochen wurde und nur bestimmte Parteien wegen eines 260.000 S übersteigenden Entscheidungsgegenstands den Obersten Gerichtshof - zumindest mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs - anrufen können.
Durch die WGN 1997 BGBl I 140 sollte der Oberste Gerichtshof bei gleichzeitiger Aufwertung der Gerichte zweiter Instanz im Gefüge des Rechtsschutzsystems entlastet werden (Danzl, Der Weg zum OGH nach der WGN 1997, ÖJZ 1998, H 5A, 2). Die unbedingte Gewährleistung eines Gleichklangs der Entscheidungen bei gleichzeitiger Erledigung gleichartiger Ansprüche verschiedener Personen war kein Anliegen des Gesetzgebers. Mag ein solches Ziel an sich auch erstrebenswert sein, so ist es doch mit den als notwendig anerkannten Beschränkungen des Zugangs zum Obersten Gerichtshof unvereinbar. Der Gesetzgeber hat nur die Wahl, die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs entweder nach allgemeinen, in ihrer Effektivität nicht durch zu viele Ausnahmen abgeschwächte Regeln zu beschränken oder zu riskieren, dass das Höchstgericht seinen eigentlichen Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit bei Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsentwicklung, aber auch anlässlich der Korrektur krasser Fehlentscheidungen nach Gesichtspunkten der Einzelfallgerechtigkeit innerhalb schicklicher Zeit nicht mehr gerecht werden kann. Mit der WGN 1997 hat sich der Gesetzgeber für die Umsetzung eines Modells an Zugangsbeschränkungen entschieden, das die Prüfung der Stichhältigkeit eines Antrags gemäß § 14a Abs 1 AußStrG der Kompetenz und Verantwortung der Gerichte zweiter Instanz anvertraut. Deshalb wurde in § 14a Abs 4 AußStrG angeordnet, dass das Rekursgericht einen nicht stichhältigen Antrag nach § 14a Abs 1 AußStrG und den mit ihm verbundenen ordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen hat. Das gilt auch dann, wenn in einer Entscheidung über gleichartige Ansprüche zweier oder mehrerer Personen abgesprochen wurde und nicht alle Ansprüche jene Schwelle an Geld oder Geldwert überschreiten, ab der zumindest die Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses möglich ist. Es kann gemäß § 14a Abs 3 AußStrG eben nur die vom Rekursgericht zu beurteilende Stichhältigkeit eines Antrags nach § 14a Abs 1 AußStrG für die Abänderung eines Ausspruchs über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses ausschlaggebend sein. Der Gleichklang von Entscheidungen über gleichartige Ansprüche wird auch so meist gewährleistet sein, weil die Gerichte zweiter Instanz bei der ihnen anvertrauten Prüfung der Stichhältigkeit eines Antrags gemäß § 14a Abs 1 AußStrG gewöhnlich richtige Lösungen erzielen werden. Obgleich - wegen der Unanfechtbarkeit von Zurückweisungsbeschlüssen gemäß § 14a Abs 4 AußStrG - unkorrigierbare Fehlentscheidungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden können, lässt sich dieses die Parteien belastende Risiko nicht etwa auf dem Umweg über eine nachträgliche Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses auf gesetzeskonforme Weise vermeiden, wenn ein Antrag gemäß § 14a Abs 1 AußStrG nach der - wenngleich möglicherweise fehlerhaften - Überzeugung des Rekursgerichts nicht stichhältig ist.
Die voranstehenden Erwägungen ändern jedoch nichts daran, dass im Anlassfall auch über den Revisionsrekurs Gerhards abzusprechen ist, weil der Oberste Gerichtshof einen Ausspruch nach § 14a Abs 3 AußStrG nicht korrigieren kann. Er ist gemäß § 16 Abs 3 AußStrG allerdings bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an einen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht gebunden.Die voranstehenden Erwägungen ändern jedoch nichts daran, dass im Anlassfall auch über den Revisionsrekurs Gerhards abzusprechen ist, weil der Oberste Gerichtshof einen Ausspruch nach § 14a Abs 3 AußStrG nicht korrigieren kann. Er ist gemäß § 16 Abs 3 AußStrG allerdings bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an einen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 13 Abs 1 Ziffer 2, AußStrG nicht gebunden.
2. Nach Ansicht der Rechtsmittelwerber wäre ihr Vater verpflichtet gewesen, ein höheres Kapital als 3,3 bzw 4 Mio S zinsbringend anzulegen, um dadurch sein Einkommen als Grundlage für die Unterhaltsbemessung zu erhöhen. Geldgeschenke an Dritte dürften nicht zu Lasten der Unterhaltsberechtigten gehen.
Nach der Entscheidung 1 Ob 311/98m (= EFSlg 85.926/3) hat ein pflichtbewußter und fürsorglicher Vater aber nur einen nicht unbeträchtlichen Teil seines - nach der allfälligen Tilgung von Schulden verbleibenden - Lotteriegewinns anzulegen, um dadurch erst Einkünfte, die bei der gebotenen Anspannung nach den allgemeinen Marktverhältnissen und den persönlichen Umständen erwartet werden dürfen, zur Verbesserung der Lebensverhältnisse eines Kindes zu erzielen, wenn die tatsächliche bzw unter Anspannungsgrundsätzen ermittelte fiktive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines unterhaltspflichtigen Vaters vor dem Lotteriegewinn nicht einmal ausreichte, den Durchschnittsbedarf des Kindes zu decken.
Dieser Grundsatz ermöglichte es den Vorinstanzen, die Höhe der dem Unterhaltspflichtigen obliegenden zinsbringenden Anlegung des gewonnenen Kapitals innerhalb eines Ermessensspielraums nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Diesen Spielraum haben die Vorinstanzen nicht überschritten. Nicht beizutreten ist der Meinung der Rechtsmittelwerber, ihr Vater hätte seiner Lebensgefährtin und seinen Geschwistern keine Geldgeschenke machen dürfen, ist doch eine gewisse Großzügigkeit gegenüber Personen, die dem Gewinner eines beträchtlichen Geldbetrags als Lebenspartner oder Verwandte nahestehen, nach sittlichen Werten zu billigen, solange dadurch die Interessen unterhaltsberechtigter Personen nicht ungebührlich beeinträchtigt werden. Eine solche Beeinträchtigung liegt aber bei der nunmehrigen Alimentierung der Rechtsmittelwerber nicht vor.
Der minderjährige Georg vertritt überdies den Standpunkt, sein Vater hätte einen Zinsenertrag von 6 bis 7 % jährlich erzielen können. Das habe "eine Nachfrage bei der Sparkasse der Stadt Amstetten ergeben". Ein "Einmalerlag in einem Fonds" wäre zudem noch "einkommensteuerbefreit" gewesen, weshalb das Rekursgericht die von Zinsen sonst zu leistende Kapitalertragssteuer zu Unrecht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen habe. Diese Argumentation ist unbeachtlich, sind doch gemäß § 10 AußStrG Neuerungen im Rechtsmittelverfahren nur soweit zulässig, als ein entsprechendes Tatsachenvorbringen in erster Instanz nicht möglich war (1Ob115/98p; EFSlg 82.766; EFSlg 76.437 uva). Jene unbelegte Auskunft, auf die sich der Rechtsmittelwerber nunmehr stützt, hätte als Grundlage für entsprechende Tatsachenbehauptungen ohne weiteres schon im Verfahren erster Instanz eingeholt werden können. Gegenteiliges wird auch im Revisionsrekurs nicht behauptet.
3. Nach allen bisherigen Erwägungen sind die Revisionsrekurse mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 14 Abs 1 AußStrG, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, zurückzuweisen.
Textnummer
E61871European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00094.01G.0424.000Im RIS seit
24.05.2001Zuletzt aktualisiert am
22.02.2011