TE OGH 2001/4/24 1Ob102/01h

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Veröffentlicht am 24.04.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Shahin A*****, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Amir Massoud E*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung und Sicherung der Ehewohnung infolge ordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Jänner 2001, GZ 45 R 707/00d-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 27. Oktober 2000, GZ 10 C 81/00f-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Ehegatten. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden nur: Beklagter) ist Miteigentümer einer Liegenschaft. Mit dessen Anteilen von 28/1187 und 41/1187 ist untrennbar Wohnungseigentum an der "für Wohnzwecke genutzten Einheit top 17" und an der "Wohnung top 16" verbunden. Die Ehewohnung der Streitteile erstreckt sich auf beide Objekte. Die eigentliche Wohneinheit ist das Objekt top 16. Dort wird auch das minderjährige Kind der Ehegatten betreut. Im Objekt top 17 bewahren die Ehegatten Gebrauchsgegenstände (Kleidung, Bettwäsche, Spielsachen des Kindes) auf. Eine Zusammenlegung beider Einheiten war geplant. Die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden nur: Klägerin) hat keine andere Wohnmöglichkeit. Der Beklagte erwähnte gegenüber Dritten, die Wohnungen billig verkaufen zu wollen.

Die Klägerin beantragte eine sich auf beide Wohnobjekte erstreckende einstweilige Verfügung nach § 382e EO durch die grundbücherliche Anmerkung eines Verbots gemäß § 382 Z 6 EO.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren aufgrund des eingangs wiedergegebenen bescheinigten Sachverhalts ohne Anhörung des Beklagten statt. Die einstweilige Verfügung sei auch auf das Objekt top 17 zu erstrecken, weil sich der "bedürftige Ehegatte" im Rahmen der Sicherung des Anspruchs gemäß § 97 ABGB nicht "sozusagen auf ein Existenzminimum beschränken lassen" müsse. Selbst wenn die Ehewohnung sehr groß wäre, könnte der gefährdete Ehegatte auf deren Weiterbenützung bestehen. Daran würde auch das Anbot einer kleineren Ersatzwohnung durch den verfügungsberechtigten Ehegatten nichts ändern. Der Anspruch nach § 97 ABGB bezwecke die "Aufrechterhaltung des bisherigen Standards". Dazu gehöre hier die Lagerung von Gebrauchsgegenständen im Nachbarobjekt, um in der eigentlichen Wohnung mehr Platz zu haben.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach dessen Ansicht soll einem Ehegatten nach § 97 ABGB jene Wohnung erhalten bleiben, die schon bisher der Befriedigung seiner nach den konkreten Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gedient habe. Das erfasse hier auch das Objekt zur Aufbewahrung der Fahrnisse der Familienmitglieder. Das Erstgericht habe die einstweilige Verfügung daher zu Recht auf das Objekt top 17 erstreckt. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage fehle.

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der erkennende Senat sprach in der Entscheidung 1 Ob 162/00f unter anderem aus, der verfügungsberechtigte Ehegatte dürfe nach dem gemäß § 382e EO sicherungsfähigen Anspruch gemäß § 97 ABGB zu Lasten des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten nicht derart über die Wohnung verfügen, dass sie dem bedürftigen Gatten ganz oder teilweise entzogen werde. Diesem solle vielmehr jene Wohnmöglichkeit erhalten bleiben, die schon bisher der Deckung seiner den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gedient habe und die er weiter benötige. Der verfügungsberechtigte Ehegatte habe das qualifizierte Interesse des anderen Teils an der Wohnungsbenützung so zu wahren, wie ein verständiger und vorsorgender Benützer die eigenen Wohnungsinteressen wahrnähme. Daran ist festzuhalten.

2. Die Wohnung top 16 hat nach dem Antragsvorbringen eine Fläche von nicht ganz 50 m2. Das Objekt top 17 soll etwa gleich groß sein, aber weder über eine Toilette noch über Küche und Bad verfügen. Der Beklagte bestritt diese Behauptungen weder im Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung noch im Rechtsmittelverfahren. Die Wohnung top 16 hat vielmehr auch nach seinem ausdrücklichen Rekurs- und Widerspruchsvorbringen eine Fläche von bloß 50 m2.

Nach dem unter 1. erörterten Grundsatz soll der Klägerin jene Wohnmöglichkeit erhalten bleiben, die schon bisher der Deckung ihrer den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse diente und die sie weiter benötigt. Danach muss sich die Klägerin jedenfalls bei den soeben dargestellten Wohnverhältnissen nicht mit der Wohnung top 16 begnügen. Die benachbarten Räume dienen der Aufbewahrung von Fahrnissen des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Spielsachen des minderjährigen Kindes der Streitteile, um in der bloß 50 m2 großen Wohnung mehr Raum für die Befriedigung anderer Wohnbedürfnisse zu schaffen. Bei einer derartigen Sachlage ist in der Mitverwendung des Objekts top 17 nur eine Befriedigung der den bisherigen ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Wohnbedürfnisse der Klägerin zu erblicken.

2. 1. Der Beklagte wendet im Revisionsrekurs ein, § 382e EO diene nur der "Sicherung des Wohnbedürfnisses und nicht der Sicherung des Lagerbedürfnisses des anderen Ehegatten". Es gehe nur um das "geschützte Heim", das "Dach über dem Kopf". Diesem Anspruch genüge auch die Wohnung top 16.

Der Rechtsmittelwerber übersieht, dass zur Befriedigung des angemessenen Wohnbedürfnisses der Klägerin auch die weitgehende Aufrechterhaltung jenes Wohnkomforts gehört, der den ehelichen Lebensverhältnissen vor der Beziehungskrise der Streitteile entsprach. Das schließt die Möglichkeit zur Aufbewahrung der bezeichneten Fahrnisse im Objekt top 17 als Teil der ehelichen Wohnung ein, um für die Befriedigung anderer Wohnbedürfnisse in der Wohnung top 16 Platz zu schaffen. Eine solche Wohnsituation ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht mit der Nutzung von Ferienhäusern, Ferienwohnungen oder Garagenplätzen vergleichbar.

Somit ist dem Revisionsrekurs des Klägers, in dem nur die erörterte Rechtsfrage aufgegriffen wurde, ein Erfolg zu versagen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 und § 402 Abs 4 ZPO.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 41 und 50 Abs 1 ZPO in Verbindung mit § 78 und § 402 Abs 4 ZPO.

Textnummer

E61872

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00102.01H.0424.000

Im RIS seit

24.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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