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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des SP in Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn, Dr. Fritz Wintersberger und Mag. Thomas Nitsch, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Bahnhofplatz 1A/Stiege 1/TG, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 3. August 2006, Zl. Senat-PL-05-0275, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 28. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kfzes am 7. September 2004 um 10.06 Uhr an einem näher umschriebenen Ort der A 21 die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h überschritten, weil die gefahrene Geschwindigkeit 82 km/h betragen habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO begangen; es wurde eine Geldstrafe von EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt.
Den dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobenen Einspruch wertete diese Behörde als lediglich gegen das "Ausmaß" der Strafe gerichtet und setzte mit Bescheid vom 5. Oktober 2005 die Geldstrafe auf EUR 30,-- herab.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer (mit entsprechender Begründung) vor, dass er nicht nur gegen die Strafhöhe, sondern "gegen die gesamte" Strafverfügung Einspruch erhoben habe.
Mit Bescheid vom 30. August 2006 gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid der Erstbehörde vom 5. Oktober 2005.
Dies mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe im Einspruch gegen die Strafverfügung ausgeführt, dass er "Einspruch der Höhe nach" erheben wolle. Diesbezüglich habe er auf seine persönlichen Verhältnisse verwiesen und ersucht, die verhängte Strafe weitgehend zu reduzieren. Im Hinblick "auf diesen eindeutigen Antrag" habe die Behörde erster Instanz zu Recht davon ausgehen können, dass sich der Einspruch lediglich gegen die Strafhöhe richte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, mit seinem Einspruch vom 22. Jänner 2005 gegen die zitierte Strafverfügung habe er nicht nur die Strafhöhe, sondern die Strafverfügung auch "dem Grunde nach" - sohin hinsichtlich des Schuldspruches - bekämpft.
Er ist damit im Recht:
Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer in diesem Einspruch unter Hinweis auf seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse ersucht hat, die Strafe "möglichst weitgehend zu reduzieren" und auch eine Ratenzahlung angesprochen hat. Allerdings findet sich im Anschluss daran auch der Satz "Außerdem habe ich damals gar keine Geschwindigkeitsbeschränkung brechen können, weil dort keinerlei Schild angebracht war, da ich mich ansonsten - wie sonst auch immer - an die vorschriftsmäßige Geschwindigkeit gehalten hätte.".
Bei "objektiver Betrachtungsweise" dieses Einspruches (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0303) kann sohin nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer lediglich die Strafhöhe bekämpft hat. Soweit die belangte Behörde auf einen "eindeutigen Antrag" des Beschwerdeführers in seinem Einspruch verweist, verkennt sie die Rechtslage, weil es in einem Einspruch keines Antrages bedarf und daher der Einschreiter, auch wenn er Schuld und Strafe bekämpft, nicht verpflichtet ist, auch die Einstellung des Verfahrens ausdrücklich zu beantragen; maßgebend ist lediglich der Umstand, ob "ausdrücklich nur" das Ausmaß der verhängten Strafe (oder die Entscheidung über die Kosten) angefochten wird (vgl. zu einem analogen Fall das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1986, Zl. 85/03/0134, ergangen hinsichtlich der Behördenzuständigkeit nach § 49 Abs. 2 VStG noch vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990 zum VStG).
Am Rande sei vermerkt, dass die Behörde bei allfälligen Zweifeln über die Qualifikation eines Rechtsmittels verpflichtet ist, den Einschreiter zu einer entsprechenden Klarstellung zu veranlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zlen. 2005/03/0053, 0054).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 26. Jänner 2007
Schlagworte
BerufungsverfahrenBesondere RechtsgebieteAllgemeinSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des ParteiwillensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006020252.X00Im RIS seit
20.02.2007Zuletzt aktualisiert am
11.10.2011