TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/26 2006/02/0023

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Veröffentlicht am 26.01.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
StVO 1960 §52 lita Z11a;
VStG §51 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des KL in Wien, vertreten durch Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 8. September 2005, Zl. Senat-MD-05-1247, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. September 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges am 25. September 2004 um 9.45 Uhr in P die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Zonenbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h überschritten, weil er 47 km/h gefahren sei.

Er habe dadurch eine Übertretung gemäß § 52 lit. a Z. 11a StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 21,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe keine Berufung erhoben, sondern nur einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das zu beurteilende Schreiben des Beschwerdeführers vom 2. Mai 2005 lautet folgendermaßen:

"ANTRAG

Sehr geehrte Frau S!

Vorerst herzlichen Dank für Ihr freundliches Entgegenkommen,

daß ich durchaus zu schätzen weiß.

Hoffentlich erscheine ich in Ihren Augen jetzt nicht 'undankbar', wenn ich - trotz deutlicher Reduzierung des Strafausmaßes - Berufung einlegen möchte.

Dies hat einerseits den Grund, daß ich der Meinung bin, daß mein 'Verschulden' an der mir vorgehaltenen Geschwindigkeitsübertretung als sehr gering anzusehen ist und ich andererseits in der Zukunft für den Fall einer tatsächlich strafwürdigen Geschwindigkeitsübertretung ja dann mit einer unverhältnismäßig hohen Strafe zu rechnen hätte, da ja die jetzige Bestrafung dann als 'Vorstrafe' aktenkundig wäre.

Ich beantrage daher innerhalb offener Frist die kostenlose Beigebung eines Verteidigers zur Einbringung einer Berufung gegen das o.a. Straferkenntnis.1

Ich bin außerstande, die Kosten der Rechtsvertretung ohne Beeinträchtigung meines notwendigen Unterhalts - also des Unterhalts, den ich zu einer einfachen Lebensführung benötige - zu bestreiten, derzeit steht mir ein Tagessatz von EUR 25,77 (vor Abzug aller Ausgaben) an Notstandshilfe zur Verfügung.

Die Rechtsverfolgung durch mich ist nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos, die besondere Lage des Falles erfordert einen versierten rechtlichen Beistand.

Besten Dank im voraus!

                                                             Mit

freundlichen Grüßen"

                                                     (Unterschrift

des Beschwerdeführers)

     ________________________

"1 Wird innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Verteidigers beantragt, beginnt die Berufungsfrist erst mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides über die Bestellung zum Verteidiger und des anzufechtenden Bescheides an diesen zu laufen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Verteidigers abgewiesen, so beginnt die Berufungsfrist mit der Zustellung des abweisenden Bescheides an den Antragstellerneu zu laufen."

Aus der Wortfolge "... beantrage daher ... zur Einbringung einer Berufung ..." in Verbindung mit dem in der Fußnote wiedergegebenen Text des § 51 Abs. 5 VStG ist klar, dass mit dem gegenständlichen "Antrag" tatsächlich nur Verfahrenshilfe begehrt und noch keine Berufung erhoben wurde. Im Übrigen wäre die belangte Behörde bei allfälligen Zweifeln verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zu einer entsprechenden Klarstellung zu veranlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zlen. 2005/03/0053, 0054).

Die belangte Behörde hat über ein nicht erhobenes Rechtsmittel entschieden. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Jänner 2007

Schlagworte

Allgemein Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006020023.X00

Im RIS seit

02.03.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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