TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/26 2006/02/0047

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Veröffentlicht am 26.01.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §60;
StVO 1960 §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des JW in P, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. Jänner 2006, Zl. VwSen-160064/20/Kei/Ps, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Jänner 2006 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 7. Juni 2004 um ca. 15.05 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW an einem näher genannten Ort gelenkt und sich am 7. Juni 2004 um ca. 16.11 Uhr im Krankenhaus Braunau am Inn gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, einem Gendarmeriebeamten, geweigert, seine Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl auf Grund von Alkoholisierungsmerkmalen habe vermutet werden können, dass er sich bei der angeführten Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe dadurch eine Übertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, der angefochtene Bescheid enthalte keinerlei Darstellung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Feststellung jenes Sachverhaltes, welcher der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt worden sei, fehle völlig.

Dass den Aussagen der vernommenen Zeugen hohe Glaubwürdigkeit beigemessen werde und sich die Beurteilung darauf stütze, dass diese Aussagen unter Wahrheitspflicht gemacht worden seien, werde einerseits mit keinem Wort begründet, andererseits auch nicht ausgeführt, welche Angaben dieser Zeugen für die Feststellung des relevanten Sachverhalts und schlussendlich für die rechtliche Beurteilung relevant seien. Dass auch Insp. B. im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung als Zeuge vernommen worden sei, werde überhaupt übergangen.

Es reiche auch nicht aus, das eingeholte amtsärztliche Gutachten als schlüssig zu bezeichnen, wenn - wie hier - ein lungenfachärztliches Gutachten vorliege, welches mit dem amtsärztlichen Gutachten nicht in Einklang zu bringen sei. Die lungenfachärztliche Sachverständige Dr. Z. komme in ihrem Gutachten samt Ergänzung zum Ergebnis, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, den Alkomat "ordnungsgemäß zu beblasen", dies in Anbetracht der vom Beschwerdeführer vor dem Alkotest erlittenen Verletzungen, welche die Fachärztin auf Seite 7 ihres Gutachten eingehend dargestellt habe. Ferner habe sie ihr Gutachten gestützt auf einen umfassenden Befund und eine persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers erstattet. Die Fachärztin sei in der Ergänzung des Gutachtens bei ihrem (ursprünglich) erstatteten Gutachten geblieben, wonach der Beschwerdeführer aus lungenfachärztlicher Sicht wegen der beim Unfall erlittenen Verletzungen nicht in der Lage gewesen sei, ein gültiges Messergebnis zu Stande zu bringen. Wann schlussendlich die Verletzungen in die Krankengeschichte Eingang gefunden hätten, sei ein organisatorisches Problem des Krankenhauses.

In Anbetracht dieser Gutachten, welche zu einem völlig verschiedenen Ergebnis kommen, hätte die belangte Behörde eine entsprechende Würdigung dieser Gutachten vornehmen müssen, welche sie im angefochtenen Bescheid zur Gänze vermissen lasse. Die belangte Behörde hätte inhaltlich auf die Gutachten eingehen und ausführen müssen, aus welchen konkreten Gründen sie dem amtsärztlichen Gutachten in Bezug auf das lungenfachärztliche Gutachten den Vorzug gebe.

Der Beschwerdeführer zeigt bereits mit diesem Vorbringen das Vorliegen von wesentlichen Verfahrensmängeln des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat nach der Zeugenaussage von Insp. E. nach dem letzten Blasversuch auf ein Asthmaleiden verwiesen.

Auch lagen - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt - einander widersprechende Gutachten der von der Behörde beigezogenen medizinischen Amtssachverständigen (Amtsärztin) und der vom Beschwerdeführer beauftragten Lungenfachärztin hinsichtlich der Frage der Möglichkeit der Ablegung eines ordnungsgemäßen Alkomattests durch den Beschwerdeführer bezogen auf den Tatzeitpunkt vor. Wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, legte der Beschwerdeführer bereits in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2005 eine Stellungnahme der Lungenfachärztin Dr. Z. vor, in welcher diese zusammenfassend zu dem Ergebnis kam, dass "eine Kausalität zwischen eingeschränkter Atemleistung (verletzungsbedingt) und eingeschränkter Blasleistung (Alkomat)" bestanden habe. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2005 legte der Beschwerdeführer schließlich ein mit 6. Dezember 2005 datiertes Gutachten dieser medizinischen Sachverständigen sowie eine Ergänzung zu diesem Gutachten (datiert mit 8. Dezember 2005) vor, in welchem die Lungenfachärztin erneut zu dem Schluss kam, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, "den Alkomat ordnungsgemäß zu beblasen, sodass ein technisch verwertbares Ergebnis zu Stande gekommen wäre in Anbetracht der von ihm erlittenen Verletzungen".

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es der Behörde bei einander widersprechenden Gutachten gestattet, sich dem einen oder anderen Gutachten anzuschließen. Sie hat aber die Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, S. 835 unter E 228 zu § 52 AVG angeführte Judikatur).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides findet sich lediglich der allgemeine Hinweis, dass die durch die medizinische Sachverständige Dr. N. (= Amtsärztin) in der Verhandlung und im Schreiben vom 22. Dezember 2005 gemachten gutachterlichen Ausführungen schlüssig seien. Eine nähere Begründung, weshalb den zu einem gegenteiligen Schluss hinsichtlich der Möglichkeit der Ablegung eines Alkomattests kommenden Ausführungen der vom Beschwerdeführer beauftragten lungenfachärztlichen Sachverständigen nicht zu folgen war, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der dargestellten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid schon aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich daher auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 26. Jänner 2007

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Alkotest Verweigerung Begründung Begründungsmangel Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006020047.X00

Im RIS seit

19.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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