TE OGH 2001/4/26 6Ob69/01t

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Veröffentlicht am 26.04.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wulf-Dietrich R*****, vertreten durch Mag. Klaus Perktold, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Widerruf rufschädigender Behauptungen und Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Jänner 2001, GZ 1 R 8/01p, 1 R 9/01k-14, womit über den Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. November 2000, GZ 8 Cg 176/00h-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine von vier privaten Mobilfunkdienstanbietern in Österreich. Über die Gefährlichkeit der von Sendemasten ausgehenden Strahlung besteht in der Wissenschaft noch keine einheitliche Meinung. Eine allfällige Gesundheitsschädigung von Anrainern durch "Elektrosmog" ist Gegenstand einer in der Öffentlichkeit geführten Diskussion. Massenmedien berichten immer wieder über das Thema. In Österreich sind Grenzen der zulässigen Strahlenbelastung in der Ö-Norm S 1120 festgesetzt. Der Beklagte beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema. Ein von ihm gegründeter Verein hat empirische Untersuchungen durchgeführt. Der Beklagte erstattete verschiedene Gutachten und hält die bestehenden Grenzwerte für unzureichend. In zahlreichen öffentlichen Erklärungen, die teils im Zusammenhang mit Bürgerinitiativen gegen "Handy-Masten" abgegeben wurden, wies der Beklagte auf mögliche Risken der Strahlenbelastung für die Gesundheit hin und hielt ua auch Erbschädigungen und Krebserkrankungen für möglich.

Die Klägerin begehrt mit Klage und Sicherungsantrag, gestützt auf § 1330 ABGB, die Unterlassung der unwahren kreditschädigenden Tatsachenbehauptungen und/oder ehrenrührigen Behauptungen, die von der Klägerin verursachte Hochfrequenzbelastung wie auch Niederfrequenzbelastung durch Mobilsendestationen stelle ein gesundheitliches Risiko für die anrainende Bevölkerung dar, die Strahlung wirke sich sogar negativ auf die Erbinformation aus und führe zu diversen Gesundheitsschäden wie etwa Krebs und Missbildungen beim Neugeborenen und rufe auch viele andere gesundheitliche Schäden hervor.Die Klägerin begehrt mit Klage und Sicherungsantrag, gestützt auf Paragraph 1330, ABGB, die Unterlassung der unwahren kreditschädigenden Tatsachenbehauptungen und/oder ehrenrührigen Behauptungen, die von der Klägerin verursachte Hochfrequenzbelastung wie auch Niederfrequenzbelastung durch Mobilsendestationen stelle ein gesundheitliches Risiko für die anrainende Bevölkerung dar, die Strahlung wirke sich sogar negativ auf die Erbinformation aus und führe zu diversen Gesundheitsschäden wie etwa Krebs und Missbildungen beim Neugeborenen und rufe auch viele andere gesundheitliche Schäden hervor.

Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig:

1. Die Aktivlegitimation der Klägerin, die vom Beklagten nie namentlich angegriffen wurde, wurde vom Rekursgericht im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur (6 Ob 218/98x; MR 1999, 76; 6 Ob 136/00v) bejaht, weil die Klägerin als eine von wenigen Betreibern von Sendemasten immerhin identifizierbar und mitbetroffen ist. Zur Richtigkeit der bekämpften Tatsachenbehauptungen trifft bei Vorliegen nur rufschädigender Tatsachenbehauptungen, die nicht gleichzeitig auch Ehrenbeleidigungen sind, den Kläger die Beweislast (MR 1995, 16, 6 Ob 93/98i = MR 1998, 269 uva). Die Klägerin versucht dieser Beweislast mit der Behauptung eines ehrenbeleidigenden Charakters der Äußerungen des Beklagten zu entgehen. Dass der Beklagte der Klägerin unterstellt hätte, sie würde "ungeachtet gesundheitlicher Risiken aus reiner Profitgier" Sendemasten aufstellen, geht aus den festgestellten Äußerungen des Beklagten nicht hervor. Dieser hat sich vielmehr im Rahmen einer öffentlichen Diskussion zu einem für die Allgemeinheit wichtigen Thema über die in der medizinischen Fachwelt noch nicht abschließend und einhellig beurteilten Frage zu Wort gemeldet und auf die möglichen gesundheitsschädigenden Folgen hingewiesen. Auch wenn der Beklagte dabei seine Meinung kundtat, dass er mit dem Eintritt solcher Folgen (als sicher) rechnet, hat er damit nicht in die Ehre der Klägerin sondern nur in ihren wirtschaftlichen Ruf eingegriffen.

2. Es kann nicht Aufgabe eines Ehrenbeleidigungsprozesses sein, einen in der Fachwelt strittigen "Schulenstreit" zu entscheiden (vgl 6 Ob 10/99k). In einem solchen Fall kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung übergeordnete Bedeutung zu (Urteil vom 25. 8. 1998, Nr 59/1997/843/1049 "Hertel", veröffentlicht in ÖJZ 1999, 614). Der Gerichtshof hielt das Verbot der Behauptung, die in Mikrowellenherden zubereitete Nahrung sei gesundheitsschädlich, für eine in der demokratischen Gesellschaft nicht notwendige Maßnahme. Selbst wenn von der Äußerung die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens im Wettbewerb massiv betroffen seien, dürfe keine Zensur ausgeübt und die im Allgemeininteresse geführte öffentliche Diskussion über die Volksgesundheit nicht eingeschränkt werden, auch wenn die bekämpfte Ansicht "eine Minderheitenmeinung ist und inhaltlich unberechtigt scheinen mag". Ausgehend von diesen klaren Aussagen des EGMR, die die nationalen Gerichte zu beachten haben, ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes frei von Rechtsirrtum.2. Es kann nicht Aufgabe eines Ehrenbeleidigungsprozesses sein, einen in der Fachwelt strittigen "Schulenstreit" zu entscheiden vergleiche 6 Ob 10/99k). In einem solchen Fall kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung übergeordnete Bedeutung zu (Urteil vom 25. 8. 1998, Nr 59/1997/843/1049 "Hertel", veröffentlicht in ÖJZ 1999, 614). Der Gerichtshof hielt das Verbot der Behauptung, die in Mikrowellenherden zubereitete Nahrung sei gesundheitsschädlich, für eine in der demokratischen Gesellschaft nicht notwendige Maßnahme. Selbst wenn von der Äußerung die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens im Wettbewerb massiv betroffen seien, dürfe keine Zensur ausgeübt und die im Allgemeininteresse geführte öffentliche Diskussion über die Volksgesundheit nicht eingeschränkt werden, auch wenn die bekämpfte Ansicht "eine Minderheitenmeinung ist und inhaltlich unberechtigt scheinen mag". Ausgehend von diesen klaren Aussagen des EGMR, die die nationalen Gerichte zu beachten haben, ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes frei von Rechtsirrtum.

3. An dieser Beurteilung vermag der relevierte Umstand nichts zu ändern, dass in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung mitunter die Ansicht vertreten wurde, dass auch wahre Tatsachenbehauptungen rufschädigend im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sein können und deshalb zu verbieten seien. Abgesehen davon, dass die Klägerin mit ihrem Sicherungsantrag ausdrücklich die Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen anstrebt, käme ein Verbot wahrer Tatsachenbehauptungen jedenfalls nur dann in Frage, wenn der Beklagte die Klägerin durch das Verbreiten der wahren, aber kreditschädigenden Behauptungen offensichtlich schädigen hätte wollen (4 Ob 143/90 = EvBl 1991/61), wofür hier aber keinerlei Anhaltspunkt festgestellt wurde.3. An dieser Beurteilung vermag der relevierte Umstand nichts zu ändern, dass in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung mitunter die Ansicht vertreten wurde, dass auch wahre Tatsachenbehauptungen rufschädigend im Sinne des Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB sein können und deshalb zu verbieten seien. Abgesehen davon, dass die Klägerin mit ihrem Sicherungsantrag ausdrücklich die Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen anstrebt, käme ein Verbot wahrer Tatsachenbehauptungen jedenfalls nur dann in Frage, wenn der Beklagte die Klägerin durch das Verbreiten der wahren, aber kreditschädigenden Behauptungen offensichtlich schädigen hätte wollen (4 Ob 143/90 = EvBl 1991/61), wofür hier aber keinerlei Anhaltspunkt festgestellt wurde.

Der Revisionsrekurs war daher gemäß § 526 Abs 2 ZPO iVm §§ 78, 402 EO zurückzuweisen.Der Revisionsrekurs war daher gemäß Paragraph 526, Absatz 2, ZPO in Verbindung mit Paragraphen 78,, 402 EO zurückzuweisen.

Anmerkung

E61511 06A00691

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0060OB00069.01T.0426.000

Dokumentnummer

JJT_20010426_OGH0002_0060OB00069_01T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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