TE OGH 2001/5/8 10ObS103/01x

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Veröffentlicht am 08.05.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux und Dr. Gabriele Griehsel (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margrith P*****, geborene L*****, Pensionistin, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Juli 1999, GZ 23 Rs 32/99y-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Jänner 1999, GZ 42 Cgs 269/98w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das am 9. November 1999 gemäß § 90a GOG ausgesetzte Revisionsverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.1. Das am 9. November 1999 gemäß Paragraph 90 a, GOG ausgesetzte Revisionsverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 24. September 1998 wurde der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung des Pflegegeldes mit der Begründung abgelehnt, dass gemäß § 3 BPGG Anspruch auf Pflegegeld nur für Personen bestehe, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.Mit Bescheid der beklagten Partei vom 24. September 1998 wurde der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung des Pflegegeldes mit der Begründung abgelehnt, dass gemäß Paragraph 3, BPGG Anspruch auf Pflegegeld nur für Personen bestehe, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Pflegegeld der Stufe 7 ab 1. Oktober 1998. Auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Normen stehe ihr das österreichische Pflegegeld auch bei einem dauernden Auslandsaufenthalt zu.

Das Erstgericht wies dieses Begehren ab, weil die Klägerin keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe. Das österreichische Pflegegeld sei eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn des Art 10a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und im Anhang IIa ausdrücklich angeführt. Es sei daher - von einer hier nicht vorliegenden Ausnahme (Unfallversicherung) abgesehen - nur bei Wohnsitz in Österreich zu gewähren und nicht in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates zu exportieren.Das Erstgericht wies dieses Begehren ab, weil die Klägerin keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe. Das österreichische Pflegegeld sei eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn des Artikel 10 a, der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und im Anhang römisch II a ausdrücklich angeführt. Es sei daher - von einer hier nicht vorliegenden Ausnahme (Unfallversicherung) abgesehen - nur bei Wohnsitz in Österreich zu gewähren und nicht in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates zu exportieren.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Bgehren stattgegeben werde.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren aber nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung berechtigt.

Da eine Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zur Frage der Exportpflicht des Pflegegeldes nach dem österreichischen Bundespflegegeldgesetz nicht vorlag, hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 9. November 1999 zu 10 ObS 273/99s das Revisionsverfahren gemäß § 90a GOG ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Art 177 EG-Vertrag (jetzt Art 234 EG) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:Da eine Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zur Frage der Exportpflicht des Pflegegeldes nach dem österreichischen Bundespflegegeldgesetz nicht vorlag, hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 9. November 1999 zu 10 ObS 273/99s das Revisionsverfahren gemäß Paragraph 90 a, GOG ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177, EG-Vertrag (jetzt Artikel 234, EG) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"Ist Art 10a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr 1247/92 des Rates vom 30. April 1992, in Verbindung mit Anhang IIa dahin auszulegen, dass das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz in seinen Geltungsbereich fällt und folglich eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne von Art 4 Abs 2a der Verordnung darstellt, sodass auf den Fall einer Person, die - wie Klägerin - nach dem 1. Juni 1992 die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung erfüllt, ausschließlich die durch Art 10a der Verordnung geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden ist?""Ist Artikel 10 a, der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr 1247/92 des Rates vom 30. April 1992, in Verbindung mit Anhang römisch II a dahin auszulegen, dass das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz in seinen Geltungsbereich fällt und folglich eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne von Artikel 4, Absatz 2 a, der Verordnung darstellt, sodass auf den Fall einer Person, die - wie Klägerin - nach dem 1. Juni 1992 die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung erfüllt, ausschließlich die durch Artikel 10 a, der Verordnung geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden ist?"

Mit Urteil vom 8. März 2001, C-215/99, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einer einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidung zu Recht, dass "es gegen Art 19 Abs 1 und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels III der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung verstößt, den Anspruch auf die Leistung von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz davon abhängig zu machen, dass der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat."Mit Urteil vom 8. März 2001, C-215/99, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einer einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidung zu Recht, dass "es gegen Artikel 19, Absatz eins und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels römisch III der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung verstößt, den Anspruch auf die Leistung von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz davon abhängig zu machen, dass der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat."

Dieses Erkenntnis hat auch für den gegenständlichen Vorlagefall zu gelten. Es war daher das ausgesetzte Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen. Der Oberste Gerichtshof hat im Sinne der bindenden Rechtsansicht des EuGH davon auszugehen, dass die österreichische Rechtslage, nach der die Leistung von Pflegegeld nach dem BPGG vom Vorliegen des gewöhnlichen Aufenthaltes des Pflegebedürftigen in Österreich abhängig ist, dem Gemeinschaftsrecht widerspricht. Auf Grund des Anwendungsvorranges dieses Rechts ist diese im § 3 BPGG für den Anspruch auf Pflegegeld vorgesehene Voraussetzung unbeachtlich. Auf die von der Klägerin dagegen weiters vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken ist daher nicht mehr einzugehen.Dieses Erkenntnis hat auch für den gegenständlichen Vorlagefall zu gelten. Es war daher das ausgesetzte Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen. Der Oberste Gerichtshof hat im Sinne der bindenden Rechtsansicht des EuGH davon auszugehen, dass die österreichische Rechtslage, nach der die Leistung von Pflegegeld nach dem BPGG vom Vorliegen des gewöhnlichen Aufenthaltes des Pflegebedürftigen in Österreich abhängig ist, dem Gemeinschaftsrecht widerspricht. Auf Grund des Anwendungsvorranges dieses Rechts ist diese im Paragraph 3, BPGG für den Anspruch auf Pflegegeld vorgesehene Voraussetzung unbeachtlich. Auf die von der Klägerin dagegen weiters vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken ist daher nicht mehr einzugehen.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren ausschließlich deshalb abgewiesen, weil die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich hat. Da dieser Abweisungsgrund nicht tragend ist, das Vorliegen der anderen gesetzlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Leistung bisher aber nicht erörtert wurde und das Vorliegen dieser weiteren Voraussetzungen auch nicht außer Streit gestellt wurde, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E61559 10CA1031

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:010OBS00103.01X.0508.002

Dokumentnummer

JJT_20010508_OGH0002_010OBS00103_01X0000_002
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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