TE OGH 2001/5/15 42R216/01b

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Veröffentlicht am 15.05.2001
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Das an dieser Stelle befindliche Objekt kann nicht angezeigt werden. Das Landesgericht für ZRS Wien hat als Rekursgericht durch seine Richter Dr. Zemanek als Vorsitzende sowie Mag. Rauhofer und Dr. Fink-Hopf in der Pflegschaftssache der mj. Kinder P***** C***** und I*****, infolge Rekurses des Vaters A***** P*****, Polen, vertreten durch Dorda Brugger & Jordis, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 11.4.2001, 7 P 41/01z-16, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Gegen diesen Beschluss ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Antrag des Vaters, es möge feststellen, dass die Mutter im Zeitraum von Februar 2000 bis August 2000 die mj. Kinder widerrechtlich zurückgehalten habe, zurückgewiesen (Punkt 1.) und von der Fortsetzung des Pflegschaftsverfahrens abgesehen (Punkt 2.). Zur Begründung führte das Erstgericht aus, dass sich der Vater mit den mj. Kindern nunmehr in Polen aufhalte. Vor dem zuständigen Gericht in Warschau sei bereits ein Obsorgeverfahren anhängig. Das in Warschau zuständige Gericht habe bereits veranlasst, dass die Minderjährigen das Hoheitsgebiet von Polen nicht verlassen dürfen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Rechte und Interessen der Minderjährigen durch die in Polen getrofenen Maßnahmen ausreichend gewahrt seien. Wenn auch das vorliegende Pflegschaftsverfahren rechtmäßig beim Erstgericht anhängig gemacht worden sei, so hindert dennoch § 29 JN das Pflegschaftsgericht nicht, von der Möglichkeit des § 110 Abs 2 JN Gebrauch zu machen.Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Antrag des Vaters, es möge feststellen, dass die Mutter im Zeitraum von Februar 2000 bis August 2000 die mj. Kinder widerrechtlich zurückgehalten habe, zurückgewiesen (Punkt 1.) und von der Fortsetzung des Pflegschaftsverfahrens abgesehen (Punkt 2.). Zur Begründung führte das Erstgericht aus, dass sich der Vater mit den mj. Kindern nunmehr in Polen aufhalte. Vor dem zuständigen Gericht in Warschau sei bereits ein Obsorgeverfahren anhängig. Das in Warschau zuständige Gericht habe bereits veranlasst, dass die Minderjährigen das Hoheitsgebiet von Polen nicht verlassen dürfen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Rechte und Interessen der Minderjährigen durch die in Polen getrofenen Maßnahmen ausreichend gewahrt seien. Wenn auch das vorliegende Pflegschaftsverfahren rechtmäßig beim Erstgericht anhängig gemacht worden sei, so hindert dennoch Paragraph 29, JN das Pflegschaftsgericht nicht, von der Möglichkeit des Paragraph 110, Absatz 2, JN Gebrauch zu machen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Vaters mit dem Abänderungsantrag, den angefochtenen Beschluss "ersatzlos aufzuheben".

Im Rekurs wird zusammengefasst geltend gemacht, dass die Anwendung des § 110 Abs 2 JN unzutreffend sei. Vielmehr hätte das Erstgericht vom Grundsatz der "perpetuatio fori" des § 29 JN auszugehen gehabt.Im Rekurs wird zusammengefasst geltend gemacht, dass die Anwendung des Paragraph 110, Absatz 2, JN unzutreffend sei. Vielmehr hätte das Erstgericht vom Grundsatz der "perpetuatio fori" des Paragraph 29, JN auszugehen gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Ergänzende Erhebungen des Rekursgerichtes haben Folgendes ergeben:

Sowohl die Eltern als auch die mj. Kinder sind kanadische Staatsbürger. Das Gericht in Warschau hat im Rechtsstreit zwischen den Eltern wegen "Aberkennung der elterlichen Gewalt der Mutter" am 13.9.2000 entschieden, dass während der Dauer des Verfahrens sich die Kinder beim Vater aufhalten und diese das Hoheitsgebiet von Polen nicht verlassen dürfen. Diesen Umstand hat der Vater auch dem Bundesministerium für Justiz in der gegenständlichen Kindesentführungssache mit Schreiben vom 26.9.2000 bekannt gegeben. Mit dem Antrag vom 3.4.2001, ON 15, gab der Vater bekannt, dass in Polen derzeit ein Obsorgeverfahren anhängig sei. Die Mutter habe im Zeitraum Februar 2000 bis August 2000 die mj. Kinder widerrechtlich verbracht, weshalb der Vater ein rechtliches Interesse an der Feststellung des widerrechtlichen Zurückhaltens der mj. Kinder durch die Mutter habe. Seit 22.8.2000 würde sich die ganze Familie in Polen aufhalten. Dennoch sei das Bezirksgericht Döbling im Hinblick auf Art 8 HKÜ (Übereinkommen vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, BGBl Nr 512/1988) und auf Grund des § 29 JN zur Entscheidung über diesen Antrag berufen. Der Anwendungsbereich des genannten Übereinkommens ist die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder sicherzustellen und zu gewährleisten, dass das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht auf persönlichen Verkehr in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird (Art 1 HKÜ). Bevor die Gerichte oder Verwaltungsbehörden eines Vertragsstaates die Rückgabe des Kindes anordnen, können sie gemäß Art 15 HKÜ vom Antragsteller die Vorlage einer Entscheidung oder sonstigen Bescheinigung der Behörden des Staates, des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes verlangen, aus der hervorgeht, dass das Verbringen oder Zurückhalten widerrechtlich im Sinn des Art 3 war, sofern in dem betreffenden Staat eine derartige Entscheidung oder Bescheinigung erwirkt werden kann. Inwieweit die mj. Kinder in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht. Abgesehen davon geht Art 15 HKÜ von einem Rückgabeverfahren des Kindes aus. Da der Vater ohnehin mit den Kindern in Warschau im gemeinsamen Haushalt wohnt, ist daher die im Art 15 genannte Voraussetzung nicht gegeben. Dazu kommt der Umstand, dass zu prüfen bleibt, ob "in dem betreffenden Staat eine derartige Entscheidung oder Bescheinigung erwirkt werden kann". Eine solche Entscheidung kann von einem österreichischen Gericht jedoch nur dann getroffen werden, wenn seine Zuständigkeit gegeben ist. Die Bestimmung des § 110 JN regelt für die in § 109 JN angeführten Angelegenheiten die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zustädnigkeit) österreichischer Gerichte. Im Gegensatz zur Auffassung des Rekurswerbers umfasst der Anwendungsbereich des § 109 JN auch alle regelnden, kontrollierenden und durchsetzbaren Maßnahmen im Zusammenhang mit der elterlichen Gewalt bzw Obsorge der Kinder, bestehend aus Personensorge (einschließlich Kinderherausgabeansprüche des obsorgeberechtigten gegen den nichtobsorgeberechtigten Elternteil oder Dritte, Vermögensverwaltung und gesetzlicher Vertretung). Nach Abs 1 des § 110 JN ist die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) immer dann gegeben, wenn es sich bei dem Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen um einen österreichischen Staatsbürger handelt oder wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Wenn aber sowohl österreichische Staatsangehörigkeit als auch ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich fehlen, so liegt grundsätzlich keine inländische Gerichtsbarkeit nach Abs 1 des § 110 JN vor, es sei denn, es würde sich um eine dringende Maßnahme im Zusammenhang mit dem Aufenthalt oder um eine Maßnahme handeln, die in Österreich befindliches Vermögen des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen betrifft (vgl Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO², § 110 JN Rz 2 ff).Sowohl die Eltern als auch die mj. Kinder sind kanadische Staatsbürger. Das Gericht in Warschau hat im Rechtsstreit zwischen den Eltern wegen "Aberkennung der elterlichen Gewalt der Mutter" am 13.9.2000 entschieden, dass während der Dauer des Verfahrens sich die Kinder beim Vater aufhalten und diese das Hoheitsgebiet von Polen nicht verlassen dürfen. Diesen Umstand hat der Vater auch dem Bundesministerium für Justiz in der gegenständlichen Kindesentführungssache mit Schreiben vom 26.9.2000 bekannt gegeben. Mit dem Antrag vom 3.4.2001, ON 15, gab der Vater bekannt, dass in Polen derzeit ein Obsorgeverfahren anhängig sei. Die Mutter habe im Zeitraum Februar 2000 bis August 2000 die mj. Kinder widerrechtlich verbracht, weshalb der Vater ein rechtliches Interesse an der Feststellung des widerrechtlichen Zurückhaltens der mj. Kinder durch die Mutter habe. Seit 22.8.2000 würde sich die ganze Familie in Polen aufhalten. Dennoch sei das Bezirksgericht Döbling im Hinblick auf Artikel 8, HKÜ (Übereinkommen vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, Bundesgesetzblatt Nr 512 aus 1988,) und auf Grund des Paragraph 29, JN zur Entscheidung über diesen Antrag berufen. Der Anwendungsbereich des genannten Übereinkommens ist die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder sicherzustellen und zu gewährleisten, dass das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht auf persönlichen Verkehr in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird (Artikel eins, HKÜ). Bevor die Gerichte oder Verwaltungsbehörden eines Vertragsstaates die Rückgabe des Kindes anordnen, können sie gemäß Artikel 15, HKÜ vom Antragsteller die Vorlage einer Entscheidung oder sonstigen Bescheinigung der Behörden des Staates, des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes verlangen, aus der hervorgeht, dass das Verbringen oder Zurückhalten widerrechtlich im Sinn des Artikel 3, war, sofern in dem betreffenden Staat eine derartige Entscheidung oder Bescheinigung erwirkt werden kann. Inwieweit die mj. Kinder in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht. Abgesehen davon geht Artikel 15, HKÜ von einem Rückgabeverfahren des Kindes aus. Da der Vater ohnehin mit den Kindern in Warschau im gemeinsamen Haushalt wohnt, ist daher die im Artikel 15, genannte Voraussetzung nicht gegeben. Dazu kommt der Umstand, dass zu prüfen bleibt, ob "in dem betreffenden Staat eine derartige Entscheidung oder Bescheinigung erwirkt werden kann". Eine solche Entscheidung kann von einem österreichischen Gericht jedoch nur dann getroffen werden, wenn seine Zuständigkeit gegeben ist. Die Bestimmung des Paragraph 110, JN regelt für die in Paragraph 109, JN angeführten Angelegenheiten die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zustädnigkeit) österreichischer Gerichte. Im Gegensatz zur Auffassung des Rekurswerbers umfasst der Anwendungsbereich des Paragraph 109, JN auch alle regelnden, kontrollierenden und durchsetzbaren Maßnahmen im Zusammenhang mit der elterlichen Gewalt bzw Obsorge der Kinder, bestehend aus Personensorge (einschließlich Kinderherausgabeansprüche des obsorgeberechtigten gegen den nichtobsorgeberechtigten Elternteil oder Dritte, Vermögensverwaltung und gesetzlicher Vertretung). Nach Absatz eins, des Paragraph 110, JN ist die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) immer dann gegeben, wenn es sich bei dem Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen um einen österreichischen Staatsbürger handelt oder wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Wenn aber sowohl österreichische Staatsangehörigkeit als auch ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich fehlen, so liegt grundsätzlich keine inländische Gerichtsbarkeit nach Absatz eins, des Paragraph 110, JN vor, es sei denn, es würde sich um eine dringende Maßnahme im Zusammenhang mit dem Aufenthalt oder um eine Maßnahme handeln, die in Österreich befindliches Vermögen des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen betrifft vergleiche Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO², Paragraph 110, JN Rz 2 ff).

Durch die Neufassung des § 29 zweiter Satz JN gilt auch im außerstreitigen Verfahren der Grundsatz der "perpetuatio fori". Das hindert aber das Gericht entgegen der Auffassung des Rekurswerbers nicht, von der Möglichkeit nach Abs 2 des § 110 JN Gebrauch zu machen und von einer Fortsetzung des Verfahrens abzusehen (vgl aaO Rz 1). Das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 2 des § 110 JN beendet zwar nicht die "inländische Gerichtsbarkeit". Die Bestimmung ermächtigt aber die österreichischen Gerichte, von ihrer Juristiktionsbefugnis nur insoweit und so lange Gebrauch zu machen, als nicht durch ausländische Maßnahmen das Kindeswohl ausreichend gewahrt wird. Im vorliegenden Fall hat aber das Gericht in Polen auf Grund eines anhängigen Verfahrens bereits am 13.9.2000 entschieden, dass während des Streites der Eltern über die "Aberkennung der elterlichen Gewalt der Mutter" die Kinder beim Vater zu bleiben haben und das polnische Hoheitsgebiet nicht verlassen dürfen.Durch die Neufassung des Paragraph 29, zweiter Satz JN gilt auch im außerstreitigen Verfahren der Grundsatz der "perpetuatio fori". Das hindert aber das Gericht entgegen der Auffassung des Rekurswerbers nicht, von der Möglichkeit nach Absatz 2, des Paragraph 110, JN Gebrauch zu machen und von einer Fortsetzung des Verfahrens abzusehen vergleiche aaO Rz 1). Das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatz 2, des Paragraph 110, JN beendet zwar nicht die "inländische Gerichtsbarkeit". Die Bestimmung ermächtigt aber die österreichischen Gerichte, von ihrer Juristiktionsbefugnis nur insoweit und so lange Gebrauch zu machen, als nicht durch ausländische Maßnahmen das Kindeswohl ausreichend gewahrt wird. Im vorliegenden Fall hat aber das Gericht in Polen auf Grund eines anhängigen Verfahrens bereits am 13.9.2000 entschieden, dass während des Streites der Eltern über die "Aberkennung der elterlichen Gewalt der Mutter" die Kinder beim Vater zu bleiben haben und das polnische Hoheitsgebiet nicht verlassen dürfen.

Dem Erstgericht ist daher beizupflichten, dass davon auszugehen ist, die Rechte und Interessen der Minderjährigen werden durch die in Polen getroffenen Maßnahmen ausreichend gewahrt.

Da somit eine Zuständigkeit der österreichischen Gerichte weder nach dem HKÜ (die Kinder befinden sich beim Vater in Polen) noch nach § 110 Abs 2 JN gegeben ist, hat das Erstgericht zu Recht den Antrag des VAters auf Feststellung der widerrechtlichen Zurücknahme von Kindern gemäß dem HKÜ zurückgewiesen und das österreichische Pflegschaftsverfahren ausgesetzt.Da somit eine Zuständigkeit der österreichischen Gerichte weder nach dem HKÜ (die Kinder befinden sich beim Vater in Polen) noch nach Paragraph 110, Absatz 2, JN gegeben ist, hat das Erstgericht zu Recht den Antrag des VAters auf Feststellung der widerrechtlichen Zurücknahme von Kindern gemäß dem HKÜ zurückgewiesen und das österreichische Pflegschaftsverfahren ausgesetzt.

Über den Berichtigungsantrag, ON 18, wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

Gegen diesen Beschluss ist der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegen von Rechtsfragen im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.Gegen diesen Beschluss ist der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegen von Rechtsfragen im Sinn des Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG nicht zulässig.

Landesgericht für ZRS Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EWZ00073 42R02161

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00003:2001:04200R00216.01B.0515.000

Dokumentnummer

JJT_20010515_LG00003_04200R00216_01B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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