Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flossmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Carolus H*****, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch und Partner, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagten Parteien 1.) Franz R*****, und 2.) Ilse R*****, beide vertreten durch Dr. Anton Gradischnig und Partner, Rechtsanwälte in Villach, wegen Einverleibung der Löschung einer Dienstbarkeit (Streitwert S 80.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2001, GZ 2 R 32/01k-11, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 9. November 2000, GZ 1 C 1066/00k-7, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft ***** mit dem Grundstück 522/33, das mit dem Dienstbarkeitsrecht des Gehens und Fahrens mit sämlichen Fahrzeugen auf dem ostseitigen Parzellenrand in einer Breite von 3 m zugunsten des Grundstücks 522/7 der Beklagten belastet ist.
Jetzt begehrt der Kläger die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung der Löschung dieses Geh- und Fahrtrechtes, weil es durch die Errichtung eines öffentlichen Weges, der das herrschende Grundstück erschließt, nutzlos geworden und deshalb erloschen sei. Er habe den Beklagten angeboten, die Kosten einer Verlegung des Einfahrtstores zu ihrem Grundstück zu tragen, weshalb der Klagsanspruch fällig sei.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Sie erklärten sich bereit, auf das gegenständliche Geh- und Fahrtrecht zu verzichten, wenn ihnen der Kläger ein 5,5 m breites Einfahrtstor zum tangentialen Einbiegen vom öffentlichen Weg auf ihr Grundstück errichtet bzw die hiefür erforderlichen Kosten trägt, seien aber derzeit auf den Servitutsweg angewiesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im Wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Der Servitutsweg, der in der Mitte eine Grasnarbe aufweist, ist ca 3 m breit und endet bei einem etwa gleich breiten Einfahrtstor. Es handelt sich dabei um eine Gitterkonstruktion älteren Datums.
Parallel zum Servitutsweg (nach den beim Lokalaugenschein angefertigten Lichtbildern unmittelbar daneben) verläuft eine neu errichtete, ca 4 m breite Straße, die mit Rollsplitt bedeckt ist. Zwischen dieser Straße und dem Servitutsweg besteht kein Niveauunterschied.
Das Grundstück der Beklagten ist zur neu errichteten Straße hin durch einen Maschendrahtzaun abgegrenzt, der auf einem Betonsockel steht. Wegen dieses Zauns kann derzeit von der neu errichteten Straße nicht zum Grundstück der Beklagten zugefahren werden.
Der Kläger ist bereit, angemessene Kosten zur Verdrehung des Einfahrtstores der Liegenschaft der Beklagten zu tragen.
Zum besseren Verständnis dieser Feststellungen ist aus den vorliegenden Lichtbildern und Mappendarstellungen noch der Hinweis zu geben, dass sich das fragliche Einfahrtstor derzeit am südöstlichen Eck des Grundstücks der Beklagten befindet und um 90 Grad verdreht an dessen Ostseite verlegt werden müsste, um die Zufahrt von der neuen Straße zu ermöglichen. Um zur Garage der Beklagten zu gelangen, bedarf es derzeit einer etwa 90 Grad großen Richtungsänderung auf dem Grundstück der Beklagten, von der neuen Straße her wäre eine etwa gleich große Richtungsänderung beim Einbiegen auf das Grundstück notwendig.
Rechtlich begründete das Erstgericht seine Entscheidung damit, dass die Beklagten nicht dazu verhalten werden könnten, in die Löschung ihrer Dienstbarkeit einzuwilligen, weil sie dadurch jegliche Zufahrtsmöglichkeit zu ihrem Grundstück verlieren würden. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung sei nämlich (wegen des Zauns) ein Zufahren von der neuen Straße auf das Grundstück der Beklagten nicht möglich gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigt diese Entscheidung. Dass der Kläger seine Bereitschaft erklärte, die Kosten der Versetzung des Einfahrtstores zum Grundstück der Beklagten zu tragen, ändere nichts daran, dass die Aufgabe des Geh- und Fahrtrechts derzeit die Konsequenz hätte, dass die Beklagten keine Zufahrt mehr hätten. Auch aus der vom Kläger für seinen Rechtsstandpunkt reklamierten Entscheidung JBl 1998, 365 gehe hervor, dass zunächst der neue Weg (die neue Zufahrt) vorhanden und die Kostentragung durch den Servitutsbelasteten gesichert sein muss, bevor man vom Berechtigten die Einwilligung in die Löschung eines Wegerechts verlangen kann. Dabei werde nicht übersehen, dass nur die Beklagten selbst berechtigt sind, die Verlegung des Einfahrtstores in die Wege zu leiten. Diese Problematik der Vorleistung ließe sich durch ein Zug-um-Zug-Klagebegehren entschärfen, wovon hier allerdings nicht Gebrauch gemacht worden sei.
Das Berufungsurteil enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 52.000,--, nicht jedoch S 260.000,-- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, dass zur angesprochenen Problematik eines Zug-um-Zug-Klagebegehrens keine höchstgerichtliche Judikatur vorhanden sei, desgleichen nicht zur Beurteilung der Utilität eines Wegerechts nach Errichtung eines öffentlichen Wegs.
Mit der jetzt vorliegenden ordentlichen Revision strebt der Kläger primär die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Rückverweisung der Rechtssache an die erste oder zweite Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an; hilfsweise wurde beantragt, das Berufungsurteil so abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird.
Die Beklagten haben sich dazu in einer Revisionsbeantwortung geäußert und die Bestätigung des Berufungsurteils beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
Ein Teil des Rechtsmittels beschäftigt sich mit der auch vom Rekursgericht als klärungsbedürftig erachteten Frage, ob der Servitutsweg der Beklagten nach der Erschließung ihres Grundstücks durch eine öffentliche Straße tatsächlich zwecklos geworden ist. Der Kläger spricht ihm jegliche Utilität ab, während die Beklagten darauf verweisen, dass derzeit - wegen des Zauns - keine Zufahrtsmöglichkeit zu ihrem Grundstück besteht. Damit sind in Wahrheit nur spezielle Aspekte der Utilität strittig geblieben. Die Beklagten selbst sind bereit, auf ihr Wegerecht zu verzichten, wenn ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Einfahrtstor an der Ostseite ihres Grundstücks erreichtet wird, und gestehen damit zu, dass die Utilität der streitgegenständlichen Dienstbarkeit nur mehr an diesem Detail hängt. Andererseits hat der Kläger die Verlegung des für den Servitutsweg vorhandenen Einfahrtstores zur neuen Straße auf seine Kosten in Aussicht gestellt. Fraglich ist daher nur, ob die Beklagten für eine annähernd gleich bequeme Zufahrt zu ihrem Grundstück wie bisher mit der Verlegung des ca 3 m breiten Einfahrtstores das Auslangen finden (ob dies nicht zu unzumutbaren Erschwernissen bei der Benützung des herrschenden Grundstücks führt: JBl 1998, 365) oder ob nur ein breiteres, tangentiales Einfahren ermöglichendes Tor in der Breite von 5,5 m annähernd gleichen Komfort bietet. Dazu fehlen Verfahrensergebnisse, die noch zu schaffen sein werden, da der eigentliche Grund für die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen nicht tragfähig ist.
Dieser Abweisungsgrund besteht im Kern darin, dass es der Kläger verabsäumt habe, sein Klagebegehren so zu formulieren, dass die Beklagten nur Zug-um-Zug gegen die für sie kostenlose Versetzung des Einfahrtstores in die Einverleibung der Löschung ihres Wegerechts einzuwilligen haben. Selbst die zu gegenseitigen Leistungsverpflichtungen im Vertragsrecht ergangene Judikatur erlaubt jedoch die Aufnahme einer Zug-um-Zug-Verpflichtung in den Urteilsspruch nicht nur bei einem ausdrücklich so formulierten Klagebegehren, sondern schon dann, wenn der Kläger in seinem Vorbringen die Bereitschaft zur Erbringung der entsprechenden Gegenleistung zum Ausdruck erbracht hat (SZ 35/126; MietSlg 49.091; 6 Ob 296/99v). Das hat umso mehr im gegenständlichen Fall zu gelten. Es hätte also, wie in der Revision zu Recht gerügt wird, kein Hindernis bestanden, die ausdrücklich erklärte Bereitschaft des Klägers, das Einfahrtstor zu versetzen bzw auf seine Kosten einer "befugten Firma" versetzen zu lassen (AS 27), als Minus gegenüber seinem Klagebegehren in ein die Zug-um-Zug-Verpflichtung aussprechendes Urteil aufzunehmen.
Ob das Angebot des Klägers ausreicht, um den Beklagten für ihr Wegerecht vollwertigen Ersatz im Sinne der angestellten Utilitätserwägung zu verschaffen, wird noch zu erörtern sein.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Sache noch nicht als entscheidungsreif; es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.
Anmerkung
E62169 05A01041European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0050OB00104.01G.0515.000Dokumentnummer
JJT_20010515_OGH0002_0050OB00104_01G0000_000