TE OGH 2001/5/16 2Ob121/01k

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Veröffentlicht am 16.05.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 30. September 1989 verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen Eleonora U*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Testamentsvollstreckers Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. März 2001, GZ 42 R 112/01h-95, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25. Jänner 2001, GZ 10 A 428/89-91, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht genehmigte den entgeltlichen Verzicht der Nacherben (und zwar der C***** der Erzdiözese ***** und des Umweltverbandes W*****) auf die Erbrechtsanwartschaft zugunsten des Vorerben Dr. Wilhelm U***** (Ehegatte der Erblasserin) vom 6. 7. 1994 verlassenschafts- und substitutionsbehördlich. Es führte zur Begründung aus, dass die Nacherben zugunsten des Vorerben gegen Abfindungsbeträge von je S 1,250.000 auf ihre Erbrechtsanwartschaft verzichtet und unter einem in die Löschung der zu ihren Gunsten einverleibten fideikommissarischen Substitution eingewilligt hätten. Auch der Ersatznacherbe Missionshaus S***** habe auf seine Anwartschaftsrechte verzichtet. Der W***** T*****verein als weiterer Ersatznacherbe habe der Vereinbarung zwischen dem Vor- und dem Nacherben unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Erbunwürdigkeit der Nacherben nicht rechtskräftig festgestellt werde. Die Nacherbschaft erlösche, wenn sie Vor- und Nacherben einvernehmlich aufheben, auch wenn dies dem Willen der Erblasserin widerspreche.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Testamentsvollstreckers nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs - im Hinblick auf die vorliegende höchstgerichtliche Judikatur - nicht zulässig sei. Es führte im Wesentlichen Folgendes aus:

Das Verlassenschaftsgericht als Substitutionsbehörde habe keine Fürsorgefunktion gegenüber der Substitutionsmasse. Seine Aufgabe bei der substitutionsbehördlichen Bewilligung der zugrundeliegenden Vereinbarung beschränke sich auf die Prüfung des Vorliegens der nötigen Zustimmungen, aber nicht auf die sachliche Rechtfertigung der Vereinbarung über die Aufhebung des Substitutionsbandes. Von der Rechtsprechung werde die Rechtsansicht vertreten, dass die Nacherbschaft auch ohne Vorliegen der Löschungsgründe des § 615 und der §§ 616 ff ABGB ende, wenn sie Vorerbe und Nacherbe einvernehmlich aufheben. Dies sei auch gegen den Willen des Erblassers möglich. Bei der fideikommissarischen Substitution sei das Eigentumsrecht zwischen Vorerben und Nacherben funktionell geteilt. Beide zusammen hätten die Rechte eines freien Eigentümers. Sie könnten daher gemeinsam die Substitution aufheben und der Vorerbe könne mit Zustimmung des Nacherben über die Substitutionmasse verfügen. Der Vor- und Nacherbe hätten zusammen die Rechtsstellung des Vollerben und das Volleigentum. Gemeinsam seien sie daher wie ein Eigentümer berechtigt, über das Substitutionsgut zu verfügen. Das Verlassenschaftsgericht habe daher als Substitutionsbehörde bei seiner Entscheidung über die substitutionsbehördliche Bewilligung des entgeltlichen Verzichts auf die Nacherbschaft nur zu prüfen, ob die hiefür notwendige Zustimmung aller in Betracht kommender Nacherben, auch der Ersatzerben, vorliege.Das Verlassenschaftsgericht als Substitutionsbehörde habe keine Fürsorgefunktion gegenüber der Substitutionsmasse. Seine Aufgabe bei der substitutionsbehördlichen Bewilligung der zugrundeliegenden Vereinbarung beschränke sich auf die Prüfung des Vorliegens der nötigen Zustimmungen, aber nicht auf die sachliche Rechtfertigung der Vereinbarung über die Aufhebung des Substitutionsbandes. Von der Rechtsprechung werde die Rechtsansicht vertreten, dass die Nacherbschaft auch ohne Vorliegen der Löschungsgründe des Paragraph 615 und der Paragraphen 616, ff ABGB ende, wenn sie Vorerbe und Nacherbe einvernehmlich aufheben. Dies sei auch gegen den Willen des Erblassers möglich. Bei der fideikommissarischen Substitution sei das Eigentumsrecht zwischen Vorerben und Nacherben funktionell geteilt. Beide zusammen hätten die Rechte eines freien Eigentümers. Sie könnten daher gemeinsam die Substitution aufheben und der Vorerbe könne mit Zustimmung des Nacherben über die Substitutionmasse verfügen. Der Vor- und Nacherbe hätten zusammen die Rechtsstellung des Vollerben und das Volleigentum. Gemeinsam seien sie daher wie ein Eigentümer berechtigt, über das Substitutionsgut zu verfügen. Das Verlassenschaftsgericht habe daher als Substitutionsbehörde bei seiner Entscheidung über die substitutionsbehördliche Bewilligung des entgeltlichen Verzichts auf die Nacherbschaft nur zu prüfen, ob die hiefür notwendige Zustimmung aller in Betracht kommender Nacherben, auch der Ersatzerben, vorliege.

Dem Erstgericht seien zum Zeitpunkt seiner Entscheidung über den Antrag auf substitutionsbehördliche Genehmigung eines entgeltlichen Verzichts auf eine Erbrechtsanwartschaft die Zustimmungserklärungen der beiden Nacherben sowie der beiden Ersatznacherben vorgelegen, wobei der Ersatznacherbe W***** T*****verein unter dem Vorbehalt zugestimmt habe, dass die Erbunwürdigkeit der Nacherben nicht rechtskräftig festgestellt werde. Prozesserklärungen seien schon wegen ihrer konstitutiven Wirkung generell bedingungsfeindlich. Wenn überhaupt könnten nur Bedingungen zulässig sein, die an ein im konkreten Verfahrensstadium eintretendes Prozessereignis anknüpfen, nicht aber an außerprozessuale Ereignisse geknüpfte Bedingungen. Der durch die Prozesserklärungen bestimmte Prozessablauf dürfe nicht durch die Bindung an unvorhergesehene Ereignisse beeinträchtigt und verzögert werden. Die Erbsentschlagung (der Erbrechtsverzicht) könne als konstitutive Verfahrenserklärung nur unbedingt erklärt werden. Beigesetzte Bedingungen machten die Erklärung unzulässig und damit unwirksam. Mit Schriftsatz vom 13. 4. 2000 (ON 75) habe der W***** T*****verein der Vereinbarung zwischen dem Vorerben und den beiden Nacherben unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Erbunwürdigkeit der Nacherben nicht rechtskräftig festgestellt werde. Der Ersatzerbe habe aber vor Eintritt des Ersatzanfalles kein Recht, an die Stelle des Vorerben zu treten, sein Recht sei von der Erbentschlagung durch den Vorerben abhängig. Die Vorerben hätten sich der Erbschaft aber nicht entschlagen, sondern auf ihre Nacherbschaft entgeltlich verzichtet, sodass der Ersatzerbe nicht mehr an die Stelle des Vorerben treten könne. Die Klärung der Frage der Erbunwürdigkeit wäre von demjenigen, der sich darauf beruft, im Rechtsweg geltend zu machen. Das Verlassenschaftsgericht könne daher auch unter diesem Vorbehalt die Zustimmung des Ersatzerben zur Kenntnis nehmen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Testamentsvollstreckers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag auf Genehmigung des vorgelegten Vertrages (vom 6. 7. 1994) abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, er ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, den Nacherben hätte die Verlassenschaft nur unter den im Testament genannten Auflagen und Bedingungen zukommen sollen; die Gerichte hätten auf die Beachtung dieser Auflagen und Bedingungen zu achten; der W***** T*****verein habe keine unbedingte Zustimmungserklärung abgegeben, sondern einen Vorbehalt angemeldet, der noch in Kraft stehe, weil die Erbunwürdigkeit der beiden vertragschließenden Nacherben noch immer festgestellt werden könne; auch unter dem Gesichtspunkt der Bestellung eines Testamentsvollstreckers (zugleich Testamentsverfassers) sei es den beiden Nacherben verwehrt gewesen, sich durch den zur Genehmigung anstehenden Vertrag über die sie betreffenden Auflagen und Bedingungen des Testaments hinwegzusetzen.

Hiezu wurde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass gegen die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts als Substitutionsbehörde für die Genehmigung der vorliegenden Vereinbarung trotz des eingeschränkten Wirkungskreises der Substitutionsbehörde (vgl Welser in Rummel3 § 613 ABGB Rz 21 mwN, § 615 ABGB Rz 13) schon deshalb keine Bedenken bestehen, weil hier auch die Rechte der (im Grundbuch nicht aufscheinenden) Ersatznacherben berührt werden (für die Grundbuchsentscheidung SZ 67/193, welche die Verpfändung unbeweglichen Substitutionsgutes betraf, konnte allein der Grundbuchsstand maßgeblich sein).Vorauszuschicken ist, dass gegen die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts als Substitutionsbehörde für die Genehmigung der vorliegenden Vereinbarung trotz des eingeschränkten Wirkungskreises der Substitutionsbehörde vergleiche Welser in Rummel3 Paragraph 613, ABGB Rz 21 mwN, Paragraph 615, ABGB Rz 13) schon deshalb keine Bedenken bestehen, weil hier auch die Rechte der (im Grundbuch nicht aufscheinenden) Ersatznacherben berührt werden (für die Grundbuchsentscheidung SZ 67/193, welche die Verpfändung unbeweglichen Substitutionsgutes betraf, konnte allein der Grundbuchsstand maßgeblich sein).

Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass die fideikommissarische Substitution auch dann erlischt, wenn sie Vorerbe und Nacherbe einvernehmlich aufheben; immer müssen alle in Betracht kommenden Nacherben, auch die Ersatzerben, zustimmen (SZ 48/98, 63/209, 67/193; NZ 1981, 110; Welser aaO § 615 ABGB Rz 12). Die Argumentation des Rekursgerichtes, vor Erbsentschlagung der Nacherben hätten die Ersatznacherben kein Recht, an die Stelle der Nacherben zu treten, diese hätten sich der Erbschaft nicht entschlagen, sondern auf ihre Nacherbschaft entgeltlich verzichtet, sodass der Ersatzerbe nicht mehr an ihre Stelle treten könne, überzeugt allerdings nicht, weil es zum Eintritt eines Ersatznacherbens nicht nur dann kommt, wenn der Nacherbe nicht erben will, sondern auch dann, wenn er nicht kann, zB erbunwürdig ist. Gerade für diesen Fall hat der W***** T*****verein in seiner Zustimmungserklärung ON 75 einen Vorbehalt gemacht; er möchte bei rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung der Erbunwürdigkeit der Nacherben sein Ersatzerbrecht beanspruchen.Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass die fideikommissarische Substitution auch dann erlischt, wenn sie Vorerbe und Nacherbe einvernehmlich aufheben; immer müssen alle in Betracht kommenden Nacherben, auch die Ersatzerben, zustimmen (SZ 48/98, 63/209, 67/193; NZ 1981, 110; Welser aaO Paragraph 615, ABGB Rz 12). Die Argumentation des Rekursgerichtes, vor Erbsentschlagung der Nacherben hätten die Ersatznacherben kein Recht, an die Stelle der Nacherben zu treten, diese hätten sich der Erbschaft nicht entschlagen, sondern auf ihre Nacherbschaft entgeltlich verzichtet, sodass der Ersatzerbe nicht mehr an ihre Stelle treten könne, überzeugt allerdings nicht, weil es zum Eintritt eines Ersatznacherbens nicht nur dann kommt, wenn der Nacherbe nicht erben will, sondern auch dann, wenn er nicht kann, zB erbunwürdig ist. Gerade für diesen Fall hat der W***** T*****verein in seiner Zustimmungserklärung ON 75 einen Vorbehalt gemacht; er möchte bei rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung der Erbunwürdigkeit der Nacherben sein Ersatzerbrecht beanspruchen.

Die Zustimmung zur Aufhebung der fideikommissarischen Substitution wäre - wie eine Erbs- oder Legatausschlagung (SZ 71/152, SZ 71/166) - unbedingt zu erklären, eine beigesetzte Bedingung macht sie unwirksam. Eine unbedingte Zustimmungserklärung des Ersatznacherben W***** T*****verein fehlt derzeit aber.

Um die Beteiligten mit dieser Rechtsansicht nicht zu überraschen und ihnen Gelegenheit zur Erfüllung der erforderlichen Voraussetzung zu geben, war nicht mit Abänderung (Abweisung des Antrages), sondern mit Aufhebung vorzugehen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht zu klären haben, ob der W***** T*****verein zur Abgabe einer unbedingten Zustimmungserklärung bereit ist. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Antrag (ON 59) abzuweisen. Andernfalls könnte er bewilligt werden, weil anlässlich der hierüber zu fällenden Entscheidung nicht zu prüfen ist, ob die Nacherben erbunwürdig sind, wie die Einhaltung der Auflagen der Erblasserin durchzusetzen ist und ob sich diese Auflagen auf das (allenfalls an die Stelle eines Erlöses aus dem Verkauf der Liegenschaft tretende) Entgelt für den Verzicht der Nacherben erstrecken.

Anmerkung

E62034 02A01211

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0020OB00121.01K.0516.000

Dokumentnummer

JJT_20010516_OGH0002_0020OB00121_01K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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