TE OGH 2001/5/23 9Ob34/01t

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Veröffentlicht am 23.05.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Thomas M*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Charlotte Bauer-Nusko, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Karl Heinz M*****, Versicherungsmakler, ***** vertreten durch Dr. Dieter Havranek, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. November 2000, GZ 45 R 596/00f-78, womit über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 5. September 2000, GZ 2 P 2813/95w-72, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in der Abweisung des Mehrbegehrens des Minderjährigen von S 100,- monatlich ab 1. 1. 1998 als unberührt von dieser Entscheidung unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Vater, der derzeit als selbständiger Versicherungsmakler tätig ist, ist auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 31. 12. 1993 verpflichtet, für den in der Obsorge der Mutter befindlichen Minderjährigen monatliche Unterhaltsbeträge von S 4.500,- zu zahlen.

Am 25. 2. 1999 beantragte der Minderjährige, die vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeiträge mit Wirkung ab 1. 1. 1998 auf S 7.000,-

monatlich "zuzüglich 4 % Zinsen (bei nicht zeitgerechter Bezahlung)" zu erhöhen. Auf Grund eines im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens über das Einkommen des Vaters wurde dieses Begehren auf S 9.500,- monatlich für die Zeit vom 1. 1. 1998 bis zum 31. 10. 1999 und auf S 10.500,- monatlich für die Zeit ab 1. 1. 1999, jeweils "samt 4 % Zinsen vom jeweiligen Rückstand" ausgedehnt.

Das Erstgericht erhöhte die vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeiträge für die Zeit vom 1. 1. 1998 bis zum 31. 10. 1999 auf S 9.400,- monatlich und für die Zeit ab 1. 11. 1999 auf S 10.400,- monatlich. Das Mehrbegehren auf Zuspruch weiterer S 100,-

monatlich wies es ab. Über das Zinsenbegehren des Minderjährigen wurde nicht entschieden.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Das jährliche Einkommen des für ein weiteres, 1994 geborenes Kind sorgepflichtigen Vaters betrug 1996 S 451.643,39, 1997 S 313.521,14 und 1998 S 240.790,48. Zusätzlich erhöhten sich die "Bankverbindlichkeiten" 1996 um S 235.958, 1997 um S 671.567 und 1998 um S 639.699,39. Unter Hinzurechnung der Abschreibungen und abzüglich der betrieblichen Investitionen ergeben sich daher insgesamt Privatentnahmen für 1996 von S 680.485,39, für 1997 von S 956.735,14 und für 1998 von S 894.084,87. An jährlichen Kapitaldiensten für seine Privatschulden leistete der Vater 1996 S 248.699,99, 1997 S 257.838,92 und 1998 S 256.506,22. Das der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legende verfügbare Einkommen des Vaters beträgt daher im Durchschnitt rund S 49.475,-.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass bei Selbständigen die Unterhaltsbemessung auf der Grundlage der Privatentnahmen stattzufinden habe, wenn diese den Gewinn übersteigen. Auch Kreditmittel könnten in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Soweit der Erhöhung der Verbindlichkeiten jedoch Kreditmittel gegenüberstünden, gelte dies nicht. In diesem Umfang diene die Kreditaufnahme nur der Umschuldung und nicht der Erhöhung der verfügbaren Mittel. Von den Privatentnahmen des Vaters seien daher die von ihm 1996 aufgenommenen Verbindlichkeiten - da sie die Kapitaldienste nicht übersteigen - zur Gänze und für 1997 und 1998 die geleisteten Kapitaldienste abzuziehen. Auf dieser Grundlage errechne sich unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflicht des Vaters der zugesprochene Unterhaltsbetrag.

Die Abweisung des Mehrbegehrens des Minderjährigen erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Einem Rekurs des Minderjährigen gegen das Unterbleiben der Entscheidung über das Zinsenbegehren gab das Rekursgericht statt und trug dem Erstgericht die Entscheidung über dieses Begehren auf.

Dem Rekurs des Vaters gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses gab das Rekursgericht nicht Folge; es sprach aus, dass der Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung nicht zugelassen werde.

Zu einem im Rekurs erhobenen Einwand, der Vater habe mit der Mutter 1997 eine verbindliche Unterhaltsvereinbarung über einen monatlichen Unterhalt von S 5.500,- getroffen, wies das Rekursgericht darauf hin, dass eine solche Unterhaltsvereinbarung - sollte sie getroffen worden sein - zu ihrer Wirksamkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte. Zudem wäre selbst im Falle einer wirksamen Vereinbarung auch ohne geänderte Verhältnisse eine rückwirkende Unterhaltserhöhung nach Maßgabe der tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Vaters möglich, wenn diese zum Zeitpunkt der Vereinbarung unbekannt gewesen seien oder irrtümlich bzw. unwissentlich von falschen Einkommensverhältnissen ausgegangen worden sei.

Der Einwand des Vaters, der Sachverständige habe nicht nur die Darlehenszuzählungen sondern auch die Darlehensrückzahlungen als Einkommen gewertet, sei unrichtig. Der Sachverständige habe zutreffend angenommen, dass die nicht durch Investitionen erklärbare Erhöhung der Bankverbindlichkeiten als Privatentnahme des Vaters für dessen privaten Hausbau zu werten sei. Dass der Vater mit diesen Privatentnahmen nur Geschäftsverbindlichkeiten abgedeckt habe, sei dem Akt nicht zu entnehmen und wäre auch irrelevant, weil der Sachverständige ohnedies nur die Veränderung der Bankverbindlichkeiten im Beobachtungszeitraum herangezogen habe, sodass derartige Rückzahlungen in der Berechnung der Privatentnahmen ohnedies als mindernd berücksichtigt wären. Auch die in der vom Vater vorgelegten Einnahmen/Ausgabenrechnung enthaltenen Aufwendungen für Zinsen aus den Bankverbindlichkeiten seien in den Berechnungen als einkommensmindernd berücksichtigt worden. Gleiches gelte für die Aufwendungen an jährlichen Kapitaldiensten für die Privatschulden des Vaters.

Der Einwand, der Vater sei auch für seine derzeitige Gattin sorgepflichtig, sei im Hinblick auf das Neuerungsverbot unbeachtlich. Von einer Überalimentierung des Minderjährigen könne beim festgesetzten Unterhaltsbetrag, der in etwa dem zweieinhalbfachen Regelbedarf entspreche, nicht die Rede sein.

Der Revisionsrekurs sei mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zuzulassen.Der Revisionsrekurs sei mangels der Voraussetzungen des Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG nicht zuzulassen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der mit einem Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs verbundene Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die erstgerichtliche Entscheidung im Sinne der Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrags abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Das Rekursgericht änderte in Stattgebung des darauf gerichteten Antrags seinen Zulassungsausspruch im Sinne der Zulassung des Revisionsrekurses ab.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen ausgehend von einer unvollständigen Entscheidungsgrundlage entschieden haben. Er ist im Sinne des darin enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Beizupflichten ist den Vorinstanzen, dass bei der Bemessung des von selbständig Erwerbstätigen zu leistenden Unterhalts - da die tatsächliche Verfügbarkeit entscheidet - an die Stelle des Betriebsergebnisses die Privatentnahmen treten, wenn diese den Reingewinn übersteigen oder die Betriebsbilanz einen Verlust aufweist. Sind die Privatentnahmen höher als der Reingewinn, greift der Unterhaltsschuldner die Vermögenssubstanz an. Ein solches Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse stellt eine privatautonome Gestaltung der Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen dar, an denen auch die angemessenen Bedürfnisse seiner Kinder zu messen sind (EvBl 1997, 175; RdW 1993, 146; RIS-Justiz RS0047382, RS0011596; zuletzt etwa 6 Ob 119/98p). Dabei kann es entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers keinen Unterschied machen, ob der Unterhaltsschuldner die den Reingewinn des Unternehmens übersteigenden Privatentnahmen aus Reserven oder Rückstellungen finanziert oder durch eine Erhöhung seiner Bankschulden (6 Ob 119/98p).

Zu den Privatentnahmen zählen alle nicht betrieblichen Bar- und Naturalentnahmen, wie etwa auch Entnahmen für Unterhaltszahlungen, eigene Verpflegung, Prämienzahlung von Privatversicherungen oder Verwendung des Unternehmens-PKW für private Zwecke. Wenn jedoch die Privatentnahmen nicht in voller Höhe der privaten Lebensführung dienen, dürfen sie auch nicht in voller Höhe der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegt werden. Soweit sie nämlich der Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltsschuldners dienen oder sonstige betrieblich veranlasste Aufwendungen darstellen, vermindern sie wie sonstige Betriebsausgaben die Unterhaltsbemessungsgrundlage (vgl 5 Ob 564/93; 6 Ob 119/98p).Zu den Privatentnahmen zählen alle nicht betrieblichen Bar- und Naturalentnahmen, wie etwa auch Entnahmen für Unterhaltszahlungen, eigene Verpflegung, Prämienzahlung von Privatversicherungen oder Verwendung des Unternehmens-PKW für private Zwecke. Wenn jedoch die Privatentnahmen nicht in voller Höhe der privaten Lebensführung dienen, dürfen sie auch nicht in voller Höhe der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegt werden. Soweit sie nämlich der Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltsschuldners dienen oder sonstige betrieblich veranlasste Aufwendungen darstellen, vermindern sie wie sonstige Betriebsausgaben die Unterhaltsbemessungsgrundlage vergleiche 5 Ob 564/93; 6 Ob 119/98p).

Allerdings macht der Revisionsrekurswerber im Ergebnis zu Recht geltend, dass die Frage, in welchem Ausmaß hier Privatentnahmen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind, wegen der Unvollständigkeit der Entscheidungsgrundlage noch nicht beurteilt werden kann.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten die Privatentnahmen des Vaters durch Addition der erzielten Reingewinne mit den jährlichen Ausweitungen der (undifferenziert als solche bezeichneten) Bankverbindlichkeiten ermittelt (An anderer Stelle des Gutachtens werden die privaten Verbindlichkeiten des Vaters erwähnt, im Übrigen aber - soweit erkennbar - vom Sachverständigen nicht weiter berücksichtigt).

Gegen diese Vorgangsweise wendete der Vater in einem selbst verfassten Schreiben ein, dass die Privatentnahmen "nicht an Stelle des Gewinns dargestellt, sondern zusammengezählt und als Cash-Flow-Berechnung ausgewiesen worden seien".

Über Anfrage teilte das Büro des Sachverständigen daraufhin telefonisch mit, dass als Privatentnahmen auch die "Darlehen (für Hausbau)" angenommen worden seien. In einem weiteren Telefonat führte das Büro des Sachverständigen überdies aus, dass die Erhöhung der Bankverbindlichkeiten nicht die Privatschulden betreffe, die für den privaten Hausbau des Vaters verwendet worden seien. Die jährlichen Kapitaldienste für die Privatschulden seien aus dem insgesamt zur Verfügung gestellten Einkommen finanziert worden, sodass sich die Frage stelle, ob die Kapitaldienste nicht das verfügbare Einkommen und damit die Bemessungsgrundlage schmälern.

Das Erstgericht hat in seiner Entscheidung zu den durch diese insgesamt unklaren Ausführungen des Sachverständigen und durch die Einwände des Vaters aufgeworfenen Fragen keine klarstellenden Feststellungen getroffen, sondern die vom Sachverständigen ausgeworfenen Privatentnahmen global und ohne Begründung übernommen, sie aber dann - wie aus dem angefochtenen Beschluss und aus handschriftlichen Korrekturen im Gutachten erkennbar ist - für 1996 um die in diesem Jahr aufgenommenen (geschäftlichen?) Verbindlichkeiten und für 1997 und 1998 um die geleisteten Kapitaldienste (erkennbar betreffend die Privatschulden des Vaters) reduziert. Es geht offenkundig davon aus, dass der private Hausbau mit den Privatkrediten des Vaters finanziert wurde und erachtet den Kapitaldienst für diese Privatkredite nicht als Privatentnahme. Demgegenüber geht das Rekursgericht davon aus (S 3 im Beschluss vom 18. 4. 2001), dass die Ausgaben für den Hausbau im Wege der geschäftlichen Bankverbindung des Vaters aufgenommen worden seien. Klarstellende Feststellungen fehlen.

Ebenso fehlen jegliche Feststellungen, die eine Beurteilung des Einwandes des Vaters ermöglichen könnten, der Sachverständige habe nicht nur die Erhöhung der Betriebskredite sondern auch den auf diese Kredite entfallenden Aufwand für Kapitaldienst als Privatentnahme gewertet. Auch dem Gutachten sind keine sicheren Hinweise zu entnehmen, wie der Sachverständige diesen Betriebsaufwand zugeordnet und beurteilt hat. Demgemäß sind auch die dazu angestellten Überlegungen des Rekursgerichts nicht geeignet, den Einwand des Vaters auf der Grundlage der derzeitigen Aktenlage zu widerlegen. Es führt lediglich aus, dass sowohl der in der Einnahmen/Ausgabenrechnung enthaltene Zinsenaufwand für Bankverbindlichkeiten als auch der Kapitaldienst für die Privatkredite (!) einkommensmindernd berücksichtigt wurde, trifft aber keine Aussagen über die (aus dem Akt auch nicht zweifelsfrei erkennbare) Behandlung des Kapitaldienstes für die Betriebskredite.

Zusammenfassend erweist sich daher die Entscheidungsgrundlage als unvollständig. Das Erstgericht wird eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens zu veranlassen und die Ergebnisse dieser Ergänzung mit den Parteien zu erörtern haben. Auf der so gewonnenen Grundlage wird es nachvollziehbare Feststellungen zu treffen haben, die eine verlässliche Beurteilung erlauben, in welcher Höhe Privatentnahmen des Vaters iS der oben erläuterten Rechtslage bei der Unterhaltsfestsetzung zu berücksichtigen sind.

Damit steht dem Vater auch die Gelegenheit offen, das von ihm bislang in erster Instanz noch nicht erstattete Vorbringen über eine Sorgepflicht für seine Ehegattin zu behaupten und zu beweisen.

Schon jetzt kann aber gesagt werden, dass entgegen der Rechtsauffassung des Vaters (selbst gerichtliche) Unterhaltsvergleiche betreffend minderjährige Kinder zu ihrer Gültigkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfen (RIS-Justiz RS0000166; RS004767; zuletzt etwa EFSlg 84.029 und 2 Ob 319/99x) und dass auch seine Rechtsauffassung, der Kindesunterhalt dürfe den statistischen Regelbedarf nicht übersteigen, der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht entspricht (RIS-Justiz RS0007138).

Anmerkung

E62202 09A00341

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0090OB00034.01T.0523.000

Dokumentnummer

JJT_20010523_OGH0002_0090OB00034_01T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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