Index
27 RechtspflegeNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines Rechtsanwaltes auf Aufhebung der Bestimmung der Rechtsanwaltsordnung über die Beteiligung von Rechtsanwälten an Gesellschaften; Verwaltungsrechtsweg über die Anmeldung der beabsichtigten Errichtung der Gesellschaft im Fall der Beteiligung zumutbar; keine Darlegungen über die besondere Betroffenheit des Antragstellers durch die von ihm angefochtene, bereits außer Kraft getretene Fassung dieser BestimmungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt in Niederösterreich, betreibt zusammen mit einem weiteren Rechtsanwalt eine Rechtsanwaltskanzlei in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Er beabsichtigt, sich an einer Rechtsanwalts-GesmbH als geschäftsführender Gesellschafter zu beteiligen.
Der Einschreiter begehrt mit einem auf Art140 B-VG gestützten, beim Verfassungsgerichtshof am 10. Juli 2002 eingelangten Antrag, den ersten Satz des §21c Z8 RAO idF BGBl. I Nr. 71/1999 als verfassungswidrig aufzuheben.
§21c Z8 RAO lautet in der angefochtenen Fassung:
"Rechtsanwälte dürfen nur einer Gesellschaft angehören; der Gesellschaftsvertrag kann jedoch vorsehen, daß ein der Gesellschaft angehörender Rechtsanwalt die Rechtsanwaltschaft auch außerhalb der Gesellschaft ausüben darf. Die Beteiligung von Rechtsanwalts-Gesellschaften an anderen Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung ist unzulässig."
Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung, BGBl. I Nr. 27/2000, hat §21c Z8 RAO nunmehr folgenden Wortlaut:
"Rechtsanwälte dürfen keinem weiteren beruflichen Zusammenschluss in Österreich angehören. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch vorsehen, dass ein Rechtsanwalt die Rechtsanwaltschaft auch außerhalb der Gesellschaft ausüben darf. Die Beteiligung von Rechtsanwalts-Gesellschaften an anderen Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in Österreich ist unzulässig."
1.2. Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller aus:
"Die angefochtene Bestimmung verbietet es dem Antragsteller, unmittelbar und ohne dass dies von einer gerichtlichen Entscheidung oder von der Erlassung eines Bescheides abhängig wäre, sich als Mitglied einer Kanzleigemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an einer Rechtsanwalts-GmbH als geschäftsführender Gesellschafter zu beteiligen. Ein zumutbarer Umweg im Sinne der Rechtsprechung des VfGH steht nicht zur Verfügung. Wer durch Übertretung eines als verfassungswidrig erachteten Verbots - hier das Verbot, gleichzeitig mehreren Rechtsanwalts-Gesellschaften als Gesellschafter anzugehören, wie es die angefochtene Vorschrift normiert - ein strafbares - hier disziplinarrechtlich zu verfolgendes - Verhalten setzt, kann durch die gesetzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels und die Zuerkennung aufschiebender Wirkung einer Beschwerde gegen rechtskräftige Bescheide zwar die disziplinarrechtliche Sanktion bis zu einer Entscheidung über die behauptete Verfassungswidrigkeit hintanhalten und so bei Zutreffen seines Vorwurfs endgültig abwenden, er setzt sich aber für den Fall, dass sich sein Vorwurf als unberechtigt erweist, dem Vollzug der disziplinarrechtlichen Sanktion aus, denn das einmal gesetzte vorschriftswidrige und damit disziplinarrechtlich verpönte Verhalten lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ist es angesichts des damit verbundenen Risikos nicht zumutbar, sich der Bestrafung auszusetzen, um eine Verfassungsfrage vor den VfGH zu bringen (siehe zuletzt VfGH 05.10.1999, G60/99 mwN)."
2. In einer von der Bundesregierung erstatteten Äußerung wird primär die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.
II. Der Antrag ist nicht zulässig:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).
1.2. Gemäß §1a Abs1 RAO idF des BG, BGBl. I Nr. 27/2000 bedarf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der eingetragenen Erwerbsgesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Eintragung in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften bei der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel die Gesellschaft ihren Kanzleisitz hat. Nach Abs2 leg. cit. ist die beabsichtigte Errichtung einer Gesellschaft unter Verwendung eines vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag aufzulegenden Formblattes beim Ausschuß der zuständigen Rechtsanwaltskammer anzumelden, wobei diese Anmeldung neben der Art der Gesellschaft und der Gesellschaftsbezeichnung unter anderem auch Namen, Anschriften, Kanzleisitze und Berufsbezeichnungen der zur Vertretung und Geschäftsführung berechtigten Gesellschafter, Namen und Anschriften der übrigen Gesellschafter sowie alle weiteren Angaben zu enthalten hat, aus denen hervorgeht, daß die Erfordernisse der §§21a und 21c RAO erfüllt sind. Nach Abs3 des §1a RAO ist auch jede Änderung dieser nach Abs2 in der Anmeldung anzuführenden Umstände unverzüglich beim Ausschuß der Rechtsanwaltskammer anzumelden.
Aus dem vorliegenden Antrag geht nun nicht hervor, ob sich der Einschreiter an einer neu zu gründenden oder bereits bestehenden Rechtsanwalts-GesmbH als geschäftsführender Gesellschafter beteiligen will.
Im Fall der Beteiligung an einer neuzugründenden Rechtsanwalts-GesmbH ist die beabsichtigte Errichtung der Gesellschaft anzumelden, wobei gemäß §1a Abs2 RAO iVm. §21c Z8 RAO auch auf den Umstand hinzuweisen wäre, daß der geschäftsführende Gesellschafter bereits Gesellschafter einer anderen Rechtsanwalts-Gesellschaft ist. Im Fall der Beteiligung an einer bereits bestehenden Rechtsanwalts-GesmbH wäre gemäß §1a Abs3 RAO iVm.
§21c Z8 RAO eine Änderung in der Geschäftsführung der Rechtsanwalts-GesmbH ebenfalls der Rechtsanwaltskammer mit dem Hinweis anzumelden, daß der (zukünftige) geschäftsführende Gesellschafter bereits Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist.
Liegen die Voraussetzungen des §21c RAO nicht vor, hat gemäß §1a Abs4 RAO der Ausschuß die jeweils gewünschte Eintragung in die Liste mit Bescheid zu verweigern, wogegen dem Antragsteller Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) offen steht. In einer gegen diesen Bescheid der OBDK an den Verfassungsgerichtshof zu erhebenden Beschwerde kann der Einschreiter die amtswegige Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend die angefochtene Gesetzesbestimmung anregen.
Es ist dem Antragsteller zumutbar, diesen Weg zu beschreiten.
1.3. Der Individualantrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.
2.1. Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung des sog. Individualantrages auf Gesetzesprüfung, daß das Gesetz - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides - für die anfechtende Person wirksam geworden ist und in der angefochtenen Fassung für sie weiterhin, dh. jedenfalls auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Wirksamkeit entfaltet (vgl. zB VfSlg. 12413/1990, 13794/1994, 14249/1995 und 15021/1997).
2.2. Aus der Antragstellung geht hervor, daß der Einschreiter die Beteiligung an einer Rechtsanwalts-GesmbH in Zukunft beabsichtigt. Obwohl §21c Z8 erster Satz RAO im Zuge des Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung, BGBl. I Nr. 27/2000, nunmehr gegenüber der Fassung des BG, BGBl. I Nr. 71/1999 einen anderen Wortlaut aufweist, hat der Antragsteller dennoch die (außer Kraft getretene) Bestimmung in der Fassung der Novelle 1999 angefochten.
Der Einschreiter hat es dabei unterlassen darzulegen, warum §21c Z8 RAO in der von ihm angefochtenen Fassung für ihn noch Rechtswirkungen entfalten soll. Der Antrag ist daher auch aus diesem Grund unzulässig.
3. Der Antrag war somit wegen fehlender Antragsberechtigung zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rechtsanwälte, Berufsrecht, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G223.2002Dokumentnummer
JFT_09979076_02G00223_00