Kopf
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer III, Beschwerdesache Franz Fischer gegen Österreich, Urteil vom 29.5.2001, Bsw. 37950/97.Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer römisch III, Beschwerdesache Franz Fischer gegen Österreich, Urteil vom 29.5.2001, Bsw. 37950/97.
Spruch
Art. 4 7. ZP EMRK - Doppelbestrafungsverbot und die Verfolgung strafbarer Handlungen durch Verwaltungsbehörden und Gerichte. Verletzung von Art. 4 7. ZP EMRK (einstimmig).Artikel 4, 7. ZP EMRK - Doppelbestrafungsverbot und die Verfolgung strafbarer Handlungen durch Verwaltungsbehörden und Gerichte. Verletzung von Artikel 4, 7. ZP EMRK (einstimmig).
Entschädigung nach Art. 41 EMRK: ATS 68.642,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).Entschädigung nach Artikel 41, EMRK: ATS 68.642,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).
Text
Begründung:
Sachverhalt:
Am 6.6.1996 verursachte der Bf. unter dem Einfluss von Alkohol einen Verkehrsunfall, bei dem ein Radfahrer schwer verletzt wurde. Der Bf. beging Fahrerflucht und stellte sich erst Stunden später der Polizei. Am 13.12.1996 verhängte die Bezirkshauptmannschaft (BH) St. Pölten wegen mehrerer Delikte eine Geldstrafe in Höhe von ATS 22.010,--. Dieser Betrag inkludierte eine Geldstrafe gemäß § 5 (1) iVm. § 99 (1) (a) StVO in Höhe von ATS 9.000,--. Am 18.3.1997 wurde er vom LG St. Pölten wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß § 81 Z.2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Eine dagegen erhobene Berufung wurde vom OLG Wien am 24.6.1997 abgewiesen. In seinem Urteil führte es aus, dass die Doppelbestrafung zwar Art. 4 7.ZP EMRK verletzte, aber die österr. Rechtsordnung seit dem Urteil des GH im Fall Gradinger/A nicht geändert worden sei. Darüber hinaus unterscheide sich der Sachverhalt in diesem Urteil, da im Fall Gradinger/A die Verwaltungsstrafe nach der strafgerichtlichen Verurteilung verhängt wurde, im vorliegenden Fall sei es jedoch umgekehrt gewesen. Im österr. Recht sei eine solche Doppelbestrafung möglich, da es kein Subsidiaritätsprinzip zwischen gerichtlichen und Verwaltungsstrafverfahren gäbe. Am 19.5.1999 wurde die sechsmonatige Freiheitsstrafe vom Bundespräsidenten in Ausübung seines Gnadenrechts auf fünf Monate verkürzt.Am 6.6.1996 verursachte der Bf. unter dem Einfluss von Alkohol einen Verkehrsunfall, bei dem ein Radfahrer schwer verletzt wurde. Der Bf. beging Fahrerflucht und stellte sich erst Stunden später der Polizei. Am 13.12.1996 verhängte die Bezirkshauptmannschaft (BH) St. Pölten wegen mehrerer Delikte eine Geldstrafe in Höhe von ATS 22.010,--. Dieser Betrag inkludierte eine Geldstrafe gemäß Paragraph 5, (1) in Verbindung mit Paragraph 99, (1) (a) StVO in Höhe von ATS 9.000,--. Am 18.3.1997 wurde er vom LG St. Pölten wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß Paragraph 81, Ziffer , StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Eine dagegen erhobene Berufung wurde vom OLG Wien am 24.6.1997 abgewiesen. In seinem Urteil führte es aus, dass die Doppelbestrafung zwar Artikel 4, 7.ZP EMRK verletzte, aber die österr. Rechtsordnung seit dem Urteil des GH im Fall Gradinger/A nicht geändert worden sei. Darüber hinaus unterscheide sich der Sachverhalt in diesem Urteil, da im Fall Gradinger/A die Verwaltungsstrafe nach der strafgerichtlichen Verurteilung verhängt wurde, im vorliegenden Fall sei es jedoch umgekehrt gewesen. Im österr. Recht sei eine solche Doppelbestrafung möglich, da es kein Subsidiaritätsprinzip zwischen gerichtlichen und Verwaltungsstrafverfahren gäbe. Am 19.5.1999 wurde die sechsmonatige Freiheitsstrafe vom Bundespräsidenten in Ausübung seines Gnadenrechts auf fünf Monate verkürzt.
Rechtliche Beurteilung
Rechtsausführungen:
Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 4 7.ZP EMRK (Verbot der Doppelbestrafung).Der Bf. behauptet eine Verletzung von Artikel 4, 7.ZP EMRK (Verbot der Doppelbestrafung).
Die Reg. wendet ein, dass die Angelegenheit mittlerweile gegenstandslos sei, da die Freiheitsstrafe des Bf. um einen Monat verkürzt wurde. Diese Reduktion von 30 Tagen entspricht 60 Tagessätzen zu ATS 150,-- und kann daher mit der Geldstrafe von ATS 9.000,-- gleichgesetzt werden. Der Bf. entgegnet, dass die Verkürzung seiner Freiheitsstrafe nichts daran ändere, dass er zweimal wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss verurteilt wurde.
Zweck von Art. 4 7.ZP EMRK ist es, die Wiederholung von Strafverfahren zu verbieten, die bereits durch eine endgültige Entscheidung abgeschlossen sind.Zweck von Artikel 4, 7.ZP EMRK ist es, die Wiederholung von Strafverfahren zu verbieten, die bereits durch eine endgültige Entscheidung abgeschlossen sind.
Die Reg. führt aus, dass in den Urteilen Gradinger/A und Oliveira/CH die Annäherung des GH an die Frage, ob die jeweiligen Bf. bereits bestraft wurden „für eine Handlung, für die [sie] bereits rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt [worden waren]", etwas widersprüchlich anmutet.
Der GH erinnert daran, dass in beiden Fällen zwei Verfahren aus einem Verkehrsunfall resultierten. Im Fall Gradinger/A wurde der Bf. zuerst gerichtlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Im Urteil war festgehalten, dass der Bf. vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen hätte, jedoch nicht in einem Ausmaß, das die Anwendung des § 81 Z.2 StGB gerechtfertigt hätte. Danach wurde der Bf.Der GH erinnert daran, dass in beiden Fällen zwei Verfahren aus einem Verkehrsunfall resultierten. Im Fall Gradinger/A wurde der Bf. zuerst gerichtlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Im Urteil war festgehalten, dass der Bf. vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen hätte, jedoch nicht in einem Ausmaß, das die Anwendung des Paragraph 81, Ziffer , StGB gerechtfertigt hätte. Danach wurde der Bf.
verwaltungsstrafrechtlich gemäß §§ 5 (1) iVm. 99 (1) (a) StVO verurteilt. Im Fall Oliveira/CH wurde die Bf. zunächst vom Polizeirichteramt wegen Nichtbeherrschen des Fahrzeugs infolge Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Straßenverhältnisse verurteilt. Erst danach wurde sie wegen fahrlässiger Körperverletzung gerichtlich verurteilt. Obwohl Art und Zweck der Strafbestimmungen verschieden waren, wurde im Fall Gradinger/A eine Verletzung von Art. 4 7.ZP EMRK festgestellt, da sich beide Entscheidungen auf dasselbe Verhalten (the same conduct) stützten. Im Fall Oliveira/CH wurde keine Verletzung von Art. 4 7.ZP EMRK festgestellt, da dort ein typisches Beispiel für eine Idealkonkurrenz (a single act constituting various offences, concours idéal d'infractions) vorlag und diese Bestimmung verbietet, dass jemand zweimal wegen der gleichen strafbaren Handlung verurteilt wird.verwaltungsstrafrechtlich gemäß Paragraphen 5, (1) in Verbindung mit 99 (1) (a) StVO verurteilt. Im Fall Oliveira/CH wurde die Bf. zunächst vom Polizeirichteramt wegen Nichtbeherrschen des Fahrzeugs infolge Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Straßenverhältnisse verurteilt. Erst danach wurde sie wegen fahrlässiger Körperverletzung gerichtlich verurteilt. Obwohl Art und Zweck der Strafbestimmungen verschieden waren, wurde im Fall Gradinger/A eine Verletzung von Artikel 4, 7.ZP EMRK festgestellt, da sich beide Entscheidungen auf dasselbe Verhalten (the same conduct) stützten. Im Fall Oliveira/CH wurde keine Verletzung von Artikel 4, 7.ZP EMRK festgestellt, da dort ein typisches Beispiel für eine Idealkonkurrenz (a single act constituting various offences, concours idéal d'infractions) vorlag und diese Bestimmung verbietet, dass jemand zweimal wegen der gleichen strafbaren Handlung verurteilt wird.
Der GH stellt fest, dass sich der Wortlaut von Art. 4 7.ZP EMRK nicht auf „dieselbe strafbare Handlung" (the same offence) bezieht, sondern darauf, „erneut" für eine strafbare Handlung vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden, für die man bereits rechtkräftig freigesprochen oder verurteilt worden ist. Es ist zutreffend, dass die bloße Idealkonkurrenz nicht in Widerspruch zu dieser Bestimmung steht. Daher darf sich der GH nicht auf die Feststellung beschränken, dass ein Bf. wegen einer Tat nach zwei nominell verschiedenen strafbaren Handlungen vor Gericht gestellt und bestraft wird. Wie der VfGH ist auch der GH der Ansicht, dass es Fälle gibt, in denen eine Tat mehr als eine strafbare Handlung zu verwirklichen scheint, bei näherer Prüfung sich jedoch zeigt, dass nur eine strafbare Handlung verfolgt werden soll, weil die eine den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst. Ein offensichtliches Beispiel wäre eine Tat, die zwei Delikte verwirklicht, von denen eins exakt die selben Elemente wie das andere enthält und noch ein zusätzliches. Es sind auch andere Fälle denkbar, in denen sich die strafbaren Handlungen nur leicht überlappen. Es ist daher in Fällen, in denen verschiedene durch eine Tat verwirklichte strafbare Handlungen nacheinander – eine nach der rechtskräftigen Entscheidung über die andere – verfolgt werden, zu prüfen, ob diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente (essential elements) haben. Diese Ansicht wird unterstützt durch die Entscheidung im Fall Ponsetti & Chesnel/F (Anm.: Zulässigkeitsentscheidungen E 36855/97 und 41731/98 vom 15.9.1999), in dem es um separate Verurteilung wegen zweier Steuerdelikte ging, die durch das Unterlassen der Vorlage einer Steuererklärung verwirklicht wurden. Auch dort war die zur Stellungnahme aufgeforderte Regierung der Ansicht, dass dies ein Fall von Idealkonkurrenz sei. Trotzdem prüfte der GH, ob die fraglichen Delikte sich in ihren wesentlichen Elementen unterschieden. Es kann auch argumentiert werden, dass es das ist, was den Fall Gradinger/A vom Fall Oliveira/CH unterscheidet. Im Fall Gradinger/A unterschieden sich die wesentliche Elemente der Verwaltungsübertretung des Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht von denen, die die speziellen Umstände nach § 81 Z.2 StGB konstituieren, nämlich das Fahren eines Fahrzeugs mit einem Blutalkoholwert von 0.8 g/l oder mehr. Eine solch offensichtliche Überlappung der wesentlichen Deliktselemente hatte jedoch der Fall Oliveira/CH nicht zum Gegenstand.Der GH stellt fest, dass sich der Wortlaut von Artikel 4, 7.ZP EMRK nicht auf „dieselbe strafbare Handlung" (the same offence) bezieht, sondern darauf, „erneut" für eine strafbare Handlung vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden, für die man bereits rechtkräftig freigesprochen oder verurteilt worden ist. Es ist zutreffend, dass die bloße Idealkonkurrenz nicht in Widerspruch zu dieser Bestimmung steht. Daher darf sich der GH nicht auf die Feststellung beschränken, dass ein Bf. wegen einer Tat nach zwei nominell verschiedenen strafbaren Handlungen vor Gericht gestellt und bestraft wird. Wie der VfGH ist auch der GH der Ansicht, dass es Fälle gibt, in denen eine Tat mehr als eine strafbare Handlung zu verwirklichen scheint, bei näherer Prüfung sich jedoch zeigt, dass nur eine strafbare Handlung verfolgt werden soll, weil die eine den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst. Ein offensichtliches Beispiel wäre eine Tat, die zwei Delikte verwirklicht, von denen eins exakt die selben Elemente wie das andere enthält und noch ein zusätzliches. Es sind auch andere Fälle denkbar, in denen sich die strafbaren Handlungen nur leicht überlappen. Es ist daher in Fällen, in denen verschiedene durch eine Tat verwirklichte strafbare Handlungen nacheinander – eine nach der rechtskräftigen Entscheidung über die andere – verfolgt werden, zu prüfen, ob diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente (essential elements) haben. Diese Ansicht wird unterstützt durch die Entscheidung im Fall Ponsetti & Chesnel/F Anmerkung, Zulässigkeitsentscheidungen E 36855/97 und 41731/98 vom 15.9.1999), in dem es um separate Verurteilung wegen zweier Steuerdelikte ging, die durch das Unterlassen der Vorlage einer Steuererklärung verwirklicht wurden. Auch dort war die zur Stellungnahme aufgeforderte Regierung der Ansicht, dass dies ein Fall von Idealkonkurrenz sei. Trotzdem prüfte der GH, ob die fraglichen Delikte sich in ihren wesentlichen Elementen unterschieden. Es kann auch argumentiert werden, dass es das ist, was den Fall Gradinger/A vom Fall Oliveira/CH unterscheidet. Im Fall Gradinger/A unterschieden sich die wesentliche Elemente der Verwaltungsübertretung des Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht von denen, die die speziellen Umstände nach Paragraph 81, Ziffer , StGB konstituieren, nämlich das Fahren eines Fahrzeugs mit einem Blutalkoholwert von 0.8 g/l oder mehr. Eine solch offensichtliche Überlappung der wesentlichen Deliktselemente hatte jedoch der Fall Oliveira/CH nicht zum Gegenstand.
Im vorliegenden Fall wurde der Bf. zuerst von der BH St. Pölten nach §§ 5 (1) iVm. 99 (1) (a) StVO verurteilt. Im darauffolgenden gerichtlichen Strafverfahren wurde er wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß § 81 Z.2 StGB verurteilt, da er sich vor der Tat durch Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte. Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom Fall Gradinger/A in zwei Punkten. Einerseits war das zeitliche Aufeinanderfolgen der beiden Verfahren diesmal umgekehrt und andererseits gab es bei der Feststellung des Sachverhalts zwischen den Behörden diesmal keine Inkonsistenzen, da beide davon ausgingen, dass der Bf. einen Blutalkoholwert von mehr als 0.8 g/l aufwies. Diese Unterschiede sind jedoch nicht entscheidend. Wie bereits oben erwähnt, betrifft die Frage, ob das Prinzip des ne bis in idem verletzt wurde, das Verhältnis zweier strafbarer Handlungen zueinander und kann daher nicht von der zeitlichen Abfolge der verschiedenen Verfahren abhängig sein. Auch dass im Fall von Herrn Gradinger das Gericht von einem Blutalkoholwert von unter 0.8 g/l ausging (und daher keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorlagen), die BH St. Pölten ihrer Entscheidung jedoch einen höher liegenden Wert zugrundelegte, und im vorliegenden Fall Gericht wie Behörde einen Blutalkoholwert von über 0.8 g/l annahmen, spielt keine Rolle. Art. 4 7.ZP EMRK beinhaltet nicht nur das Recht, nicht erneut verurteilt zu werden, sondern auch das Recht, nicht erneut vor Gericht gestellt zu werden. Der Bf. wurde auf Grundlage einer Tat zweimal vor Gericht gestellt und verurteilt, da sich die wesentlichen Elemente der Verwaltungsübertretung nach §§ 5 (1) iVm. 99 (1) (a) StVO nicht von den besonderen Umständen in § 81 Z.2 StGB unterscheiden. Das Argument der Reg., dass sich die Angelegenheit wegen der Verringerung der Freiheitsstrafe um einen Monat erledigt hätte, und die Begnadigung durch den Bundespräsidenten ändern nichts daran, dass der Bf. zweimal für die im wesentlichen selbe strafbare Handlung vor Gericht gestellt wurde und beide Verurteilungen rechtskräftig sind. Der auf diesem Argument basierende Einwand der Reg. wird daher zurückgewiesen.Im vorliegenden Fall wurde der Bf. zuerst von der BH St. Pölten nach Paragraphen 5, (1) in Verbindung mit 99 (1) (a) StVO verurteilt. Im darauffolgenden gerichtlichen Strafverfahren wurde er wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß Paragraph 81, Ziffer , StGB verurteilt, da er sich vor der Tat durch Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte. Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom Fall Gradinger/A in zwei Punkten. Einerseits war das zeitliche Aufeinanderfolgen der beiden Verfahren diesmal umgekehrt und andererseits gab es bei der Feststellung des Sachverhalts zwischen den Behörden diesmal keine Inkonsistenzen, da beide davon ausgingen, dass der Bf. einen Blutalkoholwert von mehr als 0.8 g/l aufwies. Diese Unterschiede sind jedoch nicht entscheidend. Wie bereits oben erwähnt, betrifft die Frage, ob das Prinzip des ne bis in idem verletzt wurde, das Verhältnis zweier strafbarer Handlungen zueinander und kann daher nicht von der zeitlichen Abfolge der verschiedenen Verfahren abhängig sein. Auch dass im Fall von Herrn Gradinger das Gericht von einem Blutalkoholwert von unter 0.8 g/l ausging (und daher keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorlagen), die BH St. Pölten ihrer Entscheidung jedoch einen höher liegenden Wert zugrundelegte, und im vorliegenden Fall Gericht wie Behörde einen Blutalkoholwert von über 0.8 g/l annahmen, spielt keine Rolle. Artikel 4, 7.ZP EMRK beinhaltet nicht nur das Recht, nicht erneut verurteilt zu werden, sondern auch das Recht, nicht erneut vor Gericht gestellt zu werden. Der Bf. wurde auf Grundlage einer Tat zweimal vor Gericht gestellt und verurteilt, da sich die wesentlichen Elemente der Verwaltungsübertretung nach Paragraphen 5, (1) in Verbindung mit 99 (1) (a) StVO nicht von den besonderen Umständen in Paragraph 81, Ziffer , StGB unterscheiden. Das Argument der Reg., dass sich die Angelegenheit wegen der Verringerung der Freiheitsstrafe um einen Monat erledigt hätte, und die Begnadigung durch den Bundespräsidenten ändern nichts daran, dass der Bf. zweimal für die im wesentlichen selbe strafbare Handlung vor Gericht gestellt wurde und beide Verurteilungen rechtskräftig sind. Der auf diesem Argument basierende Einwand der Reg. wird daher zurückgewiesen.
Schließlich stellt der GH noch fest, dass es in einem Fall wie dem vorliegenden dem Vertragsstaat freisteht, welches der beiden Delikte verfolgt werden soll. Es wird weiters angemerkt, dass sich die Rechtslage in Österreich durch ein Erkenntnis des VfGH v. 5.12.1996 insoweit verändert hat, dass die Verwaltungsübertretung des Fahrens unter dem Einfluss von Alkohol nach §§ 5 (1) iVm. 99 (1) (a) StVO des Fahrens unter dem Einfluss von Alkohol dann nicht mehr verfolgt wird, wenn auch die besonderen Umstände von § 81 Z.2 StGB vorliegen. Zur fraglichen Zeit wurde der Bf. jedoch wegen beider Delikte vor Gericht gestellt und verurteilt. Verletzung von Art. 4 7.ZP EMRK (einstimmig).Schließlich stellt der GH noch fest, dass es in einem Fall wie dem vorliegenden dem Vertragsstaat freisteht, welches der beiden Delikte verfolgt werden soll. Es wird weiters angemerkt, dass sich die Rechtslage in Österreich durch ein Erkenntnis des VfGH v. 5.12.1996 insoweit verändert hat, dass die Verwaltungsübertretung des Fahrens unter dem Einfluss von Alkohol nach Paragraphen 5, (1) in Verbindung mit 99 (1) (a) StVO des Fahrens unter dem Einfluss von Alkohol dann nicht mehr verfolgt wird, wenn auch die besonderen Umstände von Paragraph 81, Ziffer , StGB vorliegen. Zur fraglichen Zeit wurde der Bf. jedoch wegen beider Delikte vor Gericht gestellt und verurteilt. Verletzung von Artikel 4, 7.ZP EMRK (einstimmig).
Vom GH zitierte Judikatur:
Gradinger/A v. 23.10.1995, A/328-C (= NL 1995, 195 = ÖJZ 1995, 954).
Oliveira/CH v. 30.7.1998 (= NL 1998, 142 = ÖJZ 1999, 77).
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 29.5.2001, Bsw. 37950/97, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 2001, 112) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.
Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):
www.menschenrechte.ac.at/orig/01_3/Fischer.pdf
Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.
Anmerkung
EGM00343 Bsw37950.97-UDokumentnummer
JJT_20010529_AUSL000_000BSW37950_9700000_000