Index
E3L E02100000;Norm
32004L0038 Unionsbürger-RL Art27 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des M R, geboren 1963, vertreten durch Dr. Lennart Binder, LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Mai 2006, Zl. SD 439/06, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Mai 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 21. April 2006 auf Aufhebung des gegen ihn mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 30. Juli 2002 erlassenen, für die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.
Diesem Aufenthaltsverbot sei die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 5. April 2001 gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten zu Grunde gelegen. Er habe gemeinsam mit drei Mitbeschuldigten und etwa vier weiteren, bislang unbekannten Mittätern am 14. August 2000 einem anderen mit Holzknüppeln (Baseballschlägern) und einer Stahlrute aus Metall mehrere heftige Schläge gegen den Kopf, das Schienbein, den Unterarm und den Rücken versetzt und ihm so knöcherne Absprengungen am Schädel, mehrere Rissquetschwunden am Kopf und Blutunterlaufungen im Bereich der Arme und der Schulter zugefügt. Die Täter seien von einem anderen Mitbeschuldigten zur Tat bestimmt worden. Bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes hätten die privaten und familiären Lebensumstände des Beschwerdeführers vollständig Berücksichtigung gefunden. Einer gegen das Aufenthaltsverbot eingebrachten höchstgerichtlichen Beschwerde sei keine Folge gegeben worden.
Schon kurz nach Erlassung dieses Berufungsbescheides habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag eingebracht, der am 9. Jänner 2006 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Dagegen sei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden. Am 30. April 2006 sei er in seine Heimat abgeschoben worden.
Dass der Beschwerdeführer diesen Asylantrag wenige Tage nach Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes eingebracht habe, obwohl er bereits mehrere Jahre in Österreich aufhältig gewesen sei, erwecke den Eindruck, dass er seine solcherart gegebene Ausreiseverpflichtung dadurch habe hinauszögern und seinen Verbleib im Bundesgebiet für längere Zeit habe sichern wollen. Dafür spreche letztlich auch, dass dieser Asylantrag abgewiesen worden sei.
Dem gegenständlichen Aufhebungsantrag habe der Beschwerdeführer zu Grunde gelegt, dass er sich seit 1992 regelmäßig in Österreich befände, sozialversichert wäre und hier legal arbeitete. Er wäre verheiratet und hätte drei Kinder. Seine Familienangehörigen verfügten über Aufenthaltstitel. Seit seiner strafgerichtlichen Verurteilung hätte er sich im Bundesgebiet wohlverhalten.
Zunächst sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer seiner bestehenden Ausreiseverpflichtung bis zuletzt nicht nachgekommen sei und deshalb letztlich in seine Heimat habe abgeschoben werden müssen. Dass er sich (aus strafrechtlicher Sicht) seit seiner Straftat wohlverhalten habe, stelle insofern keinen zu seinen Gunsten sprechenden Umstand dar, als bei Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes von einem Wohlverhalten während dessen Gültigkeitsdauer ausgegangen werde. Angesichts dieser Umstände und der Art und Schwere der der Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden Straftat könne wohl keine Rede davon sein, dass nunmehr die in § 60 Abs. 1 FPG normierte Annahme nicht mehr gerechtfertigt wäre. Vielmehr wiege die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch derart schwer, dass sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt als dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 leg. cit. zulässig erweisen müsse.
Was die privaten und familiären Lebensumstände des Beschwerdeführers betreffe, so sei seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes lediglich durch die Geburt eines weiteren Kindes eine Änderung eingetreten. Dies habe jedoch eine nunmehr zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Interessenabwägung nicht zugelassen, sei doch auch zu bedenken gewesen, dass er diese Änderung zu einem Zeitpunkt herbeigeführt habe, als gegen ihn bereits ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestanden habe und er keinesfalls mit einem ständigen Weiterverbleib im Bundesgebiet habe rechnen dürfen. Dass es ihm gelungen sei, durch Einbringen eines Asylantrages wenige Tage nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes seinen Aufenthalt noch mehrere Jahre zu perpetuieren, er jedoch letztlich habe abgeschoben werden müssen, sei ebenfalls nicht besonders zu seinen Gunsten zu veranschlagen. Eine nunmehr zu seinen Gunsten ausfallende Abwägung im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG sei daher nicht möglich gewesen.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe auch keine Veranlassung bestanden, das Aufenthaltsverbot im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens zu beheben.
Solcherart habe er nicht darlegen können, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen seien.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist das Aufenthaltsverbot (oder das Rückkehrverbot) auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der hg. Judikatur kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174, mwN).
2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG nicht zulässig sei, weil es die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie im Sinn des Art. 8 EMRK dramatisch beeinträchtige. Der Beschwerdeführer, der bisher seit ca. 15 Jahren für den Lebensunterhalt seiner Familie legal gesorgt habe, könne seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Ehegattin und seinen Kindern (im Alter von 13, 9 und 4 Jahren) nicht mehr erfüllen. Die schulpflichtigen Kinder seien ausgezeichnete Schülerinnen, und die Mutter versorge den Haushalt. Die Erfüllung der Unterhaltspflicht sei weder durch Arbeit im Kosovo möglich, noch gebe es für die Familie im Kosovo eine Lebensgrundlage. Eine Weiterexistenz der Familie ohne den Beschwerdeführer in Österreich sei aus finanziellen Gründen ausgeschlossen, und es bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Abbruch der Schulbildung würde für die schulpflichtigen Kinder eine Zerstörung der Lebenschancen bedeuten. Die zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes führenden Voraussetzungen lägen nicht mehr vor. Der Beschwerdeführer würde auch sofort bei der früheren Arbeitsstelle, bei der er mehr als ein Jahrzehnt gearbeitet habe, wieder aufgenommen werden. Auch sei zu beachten, dass bei Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes die Frau und die drei minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers allenfalls zu Sozialhilfeempfängern gemacht würden.
2.2. Nach diesem Vorbringen ist seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes (nur) insofern eine Änderung der für die Erlassung dieser Maßnahme erheblichen Gründe eingetreten, als sich die persönlichen Interessen der schulpflichtigen Kinder des Beschwerdeführers und damit auch der übrigen Familienmitglieder an ihrem weiteren Aufenthalt in Österreich im Hinblick auf die schulische Ausbildung der Kinder verstärkt hätten und der Beschwerdeführer vom Ausland (Kosovo) aus seiner Unterhaltsverpflichtung nicht im bisherigen Umfang nachkommen könne, sodass seine Ehegattin und seine drei minderjährigen Kinder Gefahr liefen, allenfalls Sozialhilfeempfänger zu werden.
Dass der Beschwerdeführer nach Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes nicht mehr im Inland aufhältig und berufstätig sein konnte, ist eine Folge dieser Maßnahme, die bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits feststand und daher keinen unter dem Blickwinkel des § 65 Abs. 1 FPG zu berücksichtigenden Umstand bildet. Sollte der Geldunterhalt seiner Familienangehörigen tatsächlich in der behaupteten Weise beeinträchtigt sein und diese Folge des Aufenthaltsverbotes bei dessen Erlassung noch nicht mitberücksichtigt worden sein, so bewirkte dies zwar eine unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG relevante Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen. Diesen - solcherart - verstärkten persönlichen Interessen steht jedoch die aus der massiven Straftat des Beschwerdeführers resultierende Gefährdung von öffentlichen Interessen gegenüber. So hat der Beschwerdeführer - was von ihm nicht bestritten wird - gemeinsam mit anderen, bislang unbekannten Mittätern einem anderen mit Holzknüppeln (Baseballschlägern) und einer Stahlrute aus Metall mehrere heftige Schläge gegen den Kopf, das Schienbein, den Unterarm und den Rücken versetzt und diesem so knöcherne Absprengungen am Schädel, mehrere Rissquetschwunden am Kopf und Blutunterlaufungen im Bereich der Arme und der Schulter zugefügt. Entgegen der Beschwerdeansicht ist der seit der Begehung dieses Gewaltverbrechens (im Jahr 2000) verstrichene Zeitraum noch nicht ausreichend, um auf einen nachhaltigen Gesinnungswandel des Beschwerdeführers schließen zu können. Hinzu kommt, dass - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt - der Beschwerdeführer, der nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen sich als unberechtigt erweisenden Asylantrag eingebracht hat, am 30. April 2006 (nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages) in seine Heimat (Kosovo) abgeschoben werden musste, weil er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war, sodass in dieser Hinsicht von einem Wohlverhalten keine Rede sein kann.
Dem weiteren Beschwerdevorbringen, dass die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden sei, der Strafrichter "zweifellos am ehesten in der Lage war, den Schweregrad (der Straftat) abzuschätzen", und keine Wiederholungsgefahr bestehe, ist zu erwidern, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot aufrecht zu erhalten ist, unabhängig von den eine bedingte Strafnachsicht begründenden Erwägungen des Gerichts und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hat (vgl. dazu etwa das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2006/18/0174, mwN).
Es hat sich daher, selbst wenn bei Zutreffen der oben genannten Beschwerdebehauptungen die persönlichen Interessen an Gewicht gewonnen haben sollten, die Interessenlage angesichts des dargestellten gegenläufigen öffentlichen Interesses nicht in einem solchen Ausmaß zu Gunsten des Beschwerdeführers verschoben, dass das vorliegende Aufenthaltsverbot aus dem Grund des § 66 Abs. 1 und 2 FPG aufzuheben gewesen wäre.
3. Weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass es sich beim Beschwerdeführer, der sich in der Beschwerde als "ungeklärter (kosovarischer) Staatsbürger" bezeichnet, um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG handle und im Hinblick darauf ein unabhängiger Verwaltungssenat über die von ihm gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung hätte entscheiden müssen. Im Hinblick darauf erweist sich auch das Beschwerdevorbringen, dass keine Zuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde vorliege, als nicht zielführend.
Ebenso kann nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen - wie die Beschwerde meint - die Familie des Beschwerdeführers "österreichischen bzw. EU-Bürgern" gleichzuhalten sei.
Wenn die Beschwerde weiters Artikel 27 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG ins Treffen führt - danach ist bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig -, so ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil sich der Regelungsinhalt dieser Richtlinie auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen bezieht. Dass der Beschwerdeführer der Familienangehörige eines Unionsbürgers sei, ergibt sich jedoch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. Jänner 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006180205.X00Im RIS seit
02.03.2007Zuletzt aktualisiert am
19.04.2011