Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2001 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Skender H***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 15 Vr 1497/00, Hv 5/01 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Skender H***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 24. April 2001, AZ 11 Bs 125/01 (= ON 84 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Skender H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Der jugoslawische Staatsangehörige Skender H***** befindet sich seit 11. August 2000 nach mehreren Fortsetzungsbeschlüssen (nur mehr) aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO) in Untersuchungshaft. Während dieser Zeit verbüßte er insgesamt 46 1/2 Tage gerichtliche und verwaltungsbehördliche Ersatzfreiheitsstrafen (ON 37 iVm 39; 54 iVm 56; 62 iVm 65).Der jugoslawische Staatsangehörige Skender H***** befindet sich seit 11. August 2000 nach mehreren Fortsetzungsbeschlüssen (nur mehr) aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO) in Untersuchungshaft. Während dieser Zeit verbüßte er insgesamt 46 1/2 Tage gerichtliche und verwaltungsbehördliche Ersatzfreiheitsstrafen (ON 37 in Verbindung mit 39; 54 in Verbindung mit 56; 62 in Verbindung mit 65).
Nach der am 7. Februar 2001 rechtswirksam gewordenen Anklageschrift (ON 66; vgl S 3 f/I) ist er dringend verdächtig, die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I.1.), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (I.2.), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II.) und der schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB (VI) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (III.), der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (IV.) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (V.) begangen zu haben.Nach der am 7. Februar 2001 rechtswirksam gewordenen Anklageschrift (ON 66; vergleiche S 3 f/I) ist er dringend verdächtig, die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (römisch eins.1.), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (römisch eins.2.), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (römisch II.) und der schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB (römisch VI) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (römisch III.), der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (römisch IV.) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (römisch fünf.) begangen zu haben.
Danach hat er in Maria Saal, Straßburg/Kärnten und anderen Orten
I. zwischen 1990 und 1. Oktober 1997 wiederholt dadurch, dass er die am 1. Oktober 1983 geborene Paljina H*****römisch eins. zwischen 1990 und 1. Oktober 1997 wiederholt dadurch, dass er die am 1. Oktober 1983 geborene Paljina H*****
1. an ihrer Scheide und ab ca 1993 auch an den in Entwicklung befindlichen Brüsten betastete, sein Glied an der Oberschenkel-Scheidenregion rieb und sich händisch befriedigen ließ, außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen,
2. am Kopf erfasste, seinen Penis in ihren Mund steckte und sich oral befriedigen ließ, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht;
II. zwischen 1994 und 1. Oktober 1997 wiederholt mit der am 1. Oktober 1983 Paljina H*****, sohin mit einer unmündigen Person, den Beischlaf unternommen;römisch II. zwischen 1994 und 1. Oktober 1997 wiederholt mit der am 1. Oktober 1983 Paljina H*****, sohin mit einer unmündigen Person, den Beischlaf unternommen;
III. zwischen 1990 und 1992 anlässlich der zu I. geschilderten Tathandlungen Paljina H***** dadurch, dass er sie zu Boden stieß, ihre Unterhose abstreifte, sie mit seinem Körpergewicht fixierte, an den Haaren erfasste und den Kopf zu seinem Penis drückte, außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Vornahme bzw Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt;römisch III. zwischen 1990 und 1992 anlässlich der zu römisch eins. geschilderten Tathandlungen Paljina H***** dadurch, dass er sie zu Boden stieß, ihre Unterhose abstreifte, sie mit seinem Körpergewicht fixierte, an den Haaren erfasste und den Kopf zu seinem Penis drückte, außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Vornahme bzw Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt;
IV. zwischen 1994 und Anfang 2000 durch die zu II. geschilderten Tathandlungen Paljina H*****, mit welcher er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt;römisch IV. zwischen 1994 und Anfang 2000 durch die zu römisch II. geschilderten Tathandlungen Paljina H*****, mit welcher er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt;
V. durch die zu I., II. und IV. geschilderten Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht;römisch fünf. durch die zu römisch eins., römisch II. und römisch IV. geschilderten Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht;
VI. zumindest zwischen 1990 und 1992 Paljina H***** wiederholt durch die Äußerungen, er werde sie und die Mutter umbringen, sie werde ihn nie mehr sehen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tode zur Unterlassung der Mitteilung der Tathandlungen genötigt.römisch VI. zumindest zwischen 1990 und 1992 Paljina H***** wiederholt durch die Äußerungen, er werde sie und die Mutter umbringen, sie werde ihn nie mehr sehen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tode zur Unterlassung der Mitteilung der Tathandlungen genötigt.
Am 9. März 2001 beraumte der Vorsitzende Dipl. Ing. Dr. L***** die Hauptverhandlung für den 3. April 2001 an (S 3 g/I). Mit Beschluss vom 2. April 2001 setzte der Vorsitzende Dr. Sch***** die Hauptverhandlung mit dem Vermerk "Dipl. Ing. Dr. L***** seit 1. 4. 01 RidOLG" ab und schrieb zugleich für den 3. April 2001 eine Haftverhandlung aus (S 3 g verso/I).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde des Angeklagten gegen den am 3. April 2001 verkündeten Beschluss des Vorsitzenden (Dr. Sch*****) auf Fortsetzung der Untersuchungshaft bis längstens 3. Juni 2001 (ON 79) keine Folge und sprach aus, dass die Untersuchungshaft wegen Fortbestehens der Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO - befristet bis 25. Juni 2001 - fortzusetzen ist (ON 84). Die nach der geänderten Geschäftsverteilung zuständige Vorsitzende (Mag. L*****) setzte den Hauptverhandlungstermin mit 31. Mai 2001 fest (S 3 h/I).
Die gegen den Beschluss des Gerichtshofs zweiter Instanz vom 24. April 2001, AZ 11 Bs 125/01 (= ON 84), von Skender H***** erhobene Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeeinwand, im aktuellen Fall könne wegen der Vernehmung dreier Zeugen und der verantwortlichen Abhörung der Beschuldigten Siret H***** (der Ehegattin des Angeklagten) weder von besonderer Schwierigkeit noch von besonderem Umfang der Untersuchung gesprochen werden, weshalb die in § 194 Abs 3 StPO normierte Höchstdauer der Untersuchungshaft von sechs Monaten gesetzwidrig überschritten worden sei, versagt. Denn sie lässt unberücksichtigt, dass (nach Frustrierung des ersten Vernehmungstermins) in Wahrheit vier minderjährige Zeugen (drei davon kontradiktorisch, wobei Paljina H***** samt Begleitung aus Oberösterreich anreisen musste) vernommen wurden und der gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. T***** über zwei von ihnen ausführliche psychologische Gutachten zu erstatten hatte (ON 50 und 58). Zudem musste der erste Hauptverhandlungstermin - wie erwähnt - aus unvorhergesehenen Gründen abgesetzt werden. Die Gesamtheit der Argumente des Oberlandesgerichtes trägt daher die Annahme, der zufolge unter den gegebenen Umständen die Überschreitung der sechs Monatefrist wegen besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist, zumal ungerechtfertigte Verfahrensverzögerungen aus der Aktenlage nicht festzustellen sind.
Die Behauptung hinwieder, den Haftfortsetzungsbeschluss vom 3. April 2001 (ON 79) habe ein unzuständiger Richter gefasst, weshalb die "nunmehrige Verlängerung der Haft daher schon aus diesem Grund unzulässig war", geht bereits deshalb fehl, weil dieser (vermeintliche) prozessuale Mangel erstmals in der Grundrechtsbeschwerde - sohin ohne Ausschöpfung des Instanzenzuges - geltend gemacht wird. Davon abgesehen, ist sie auch unrichtig. Nach einer vom Obersten Gerichtshof gemäß § 285f StPO eingeholten tatsächlichen Aufklärung war nämlich zu dieser Zeit der Vorsitzende Richter Dr. Sch***** nach der damals geltenden Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Klagenfurt zuständiger Vertreter des mit 1. April 2001 zum Oberlandesgericht ernannten Vorsitzenden Dipl. Ing. Dr. L***** (vgl ON 2 des Os-Aktes).Die Behauptung hinwieder, den Haftfortsetzungsbeschluss vom 3. April 2001 (ON 79) habe ein unzuständiger Richter gefasst, weshalb die "nunmehrige Verlängerung der Haft daher schon aus diesem Grund unzulässig war", geht bereits deshalb fehl, weil dieser (vermeintliche) prozessuale Mangel erstmals in der Grundrechtsbeschwerde - sohin ohne Ausschöpfung des Instanzenzuges - geltend gemacht wird. Davon abgesehen, ist sie auch unrichtig. Nach einer vom Obersten Gerichtshof gemäß § 285f StPO eingeholten tatsächlichen Aufklärung war nämlich zu dieser Zeit der Vorsitzende Richter Dr. Sch***** nach der damals geltenden Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Klagenfurt zuständiger Vertreter des mit 1. April 2001 zum Oberlandesgericht ernannten Vorsitzenden Dipl. Ing. Dr. L***** vergleiche ON 2 des Os-Aktes).
Soweit die Beschwerde das Unterbleiben einer (weiteren) Haftverhandlung zwischen dem Beschluss vom 8. Jänner 2001 (befristet bis 8. März 2001) und dem Beschluss vom 3. April 2001 (mit Wirksamkeit bis 3. Juni 2001) rügt, ist sie auf die Bestimmung des § 181 Abs 3 StPO zu verweisen. Danach endet mit rechtskräftiger Versetzung in den Anklagestand (hier: am 7. Februar 2001) die laufende Haftfrist erst zwei Monate nach diesem Zeitpunkt (am 7. April 2001). Würde die Haftfrist vor dem Beginn der Hauptverhandlung (31. Mai 2001) ablaufen, ist eine Haftverhandlung durchzuführen. Dies ist im aktuellen Fall fristgerecht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vorsitzenden am 3. April 2001 geschehen.
Was gegen die Fortdauer der - vom Gerichtshof zweiter Instanz zutreffend festgestellten und schwerpunktmäßig auf die belastenden Aussagen der Zeuginnen Paljina H*****, Tima H***** und Adriana Z***** in Verbindung mit den psychologischen Gutachten gestützten - qualifizierten Verdachtslage vorgebracht wird, erweist sich im Kern bloß als negative Würdigung einzelner erhobener Beweistatsachen aus der Sicht des Beschwerdeführers mit teilweise aktenfremden Behauptungen, so etwa zur angeblich mangelnden Verfügbarkeit eines Fahrzeuges zu einigen Tatzeiten (vgl S 43/II) und ihm sei überhaupt keine Möglichkeit eingeräumt worden, im Zuge der Voruntersuchung Entlastungsgründe darzutun und Entlastungszeugen namhaft zu machen. Hiezu genügt die Verweisung auf seine Anwesenheit bei drei kontradiktorischen Vernehmungen sowie auf den Beweisantrag ON 78.Was gegen die Fortdauer der - vom Gerichtshof zweiter Instanz zutreffend festgestellten und schwerpunktmäßig auf die belastenden Aussagen der Zeuginnen Paljina H*****, Tima H***** und Adriana Z***** in Verbindung mit den psychologischen Gutachten gestützten - qualifizierten Verdachtslage vorgebracht wird, erweist sich im Kern bloß als negative Würdigung einzelner erhobener Beweistatsachen aus der Sicht des Beschwerdeführers mit teilweise aktenfremden Behauptungen, so etwa zur angeblich mangelnden Verfügbarkeit eines Fahrzeuges zu einigen Tatzeiten vergleiche S 43/II) und ihm sei überhaupt keine Möglichkeit eingeräumt worden, im Zuge der Voruntersuchung Entlastungsgründe darzutun und Entlastungszeugen namhaft zu machen. Hiezu genügt die Verweisung auf seine Anwesenheit bei drei kontradiktorischen Vernehmungen sowie auf den Beweisantrag ON 78.
Den akten- und gesetzeskonform festgestellten bestimmten Tatsachen für die Annahme des nach Lage des Falles durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO) wird im Rechtsmittel überhaupt nichts Substantielles entgegengehalten, sondern die Ausführungen des Beschwerdegerichtes nur pauschal als unrichtig und nicht nachvollziehbar bezeichnet, zumal (nach Meinung des Beschwerdeführers) überhaupt kein Grund die Annahme rechtfertigt, er würde sich bei Enthaftung an seiner fünfjährigen Tochter vergehen.
Da bei gegebenem dringenden Tatverdacht dieser Haftgrund allein die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft trägt, erübrigt sich bei Prüfung der Frage einer Grundrechtsverletzung auch noch auf den weiteren Haftgrund der Fluchtgefahr einzugehen (vgl Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24 f; 15 Os 39/01 uam).Da bei gegebenem dringenden Tatverdacht dieser Haftgrund allein die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft trägt, erübrigt sich bei Prüfung der Frage einer Grundrechtsverletzung auch noch auf den weiteren Haftgrund der Fluchtgefahr einzugehen vergleiche Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24 f; 15 Os 39/01 uam).
Das Vorbringen in einer gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur ist unbeachtlich, weil der Oberste Gerichtshof zufolge des auch im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltenden Neuerungsverbotes nur Umstände berücksichtigen darf, die zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes vorgelegen sind (vgl Mayrhofer/E. Steininger GRBG 1992 Vorbem Rz 13 f, § 2 Rz 32 f, § 3 Rz 9 ff, § 7 Rz 27 ff).Das Vorbringen in einer gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur ist unbeachtlich, weil der Oberste Gerichtshof zufolge des auch im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltenden Neuerungsverbotes nur Umstände berücksichtigen darf, die zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes vorgelegen sind vergleiche Mayrhofer/E. Steininger GRBG 1992 Vorbem Rz 13 f, § 2 Rz 32 f, § 3 Rz 9 ff, § 7 Rz 27 ff).
Somit wurde Skender H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt. Daher war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
Textnummer
E61724European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0150OS00075.01.0607.000Im RIS seit
07.07.2001Zuletzt aktualisiert am
19.10.2010