Index
27 RechtspflegeNorm
DSt 1990 §38 Abs2Leitsatz
Keine Bedenken gegen die Kostenersatzregelung im Disziplinarrecht der Rechtsanwälte betreffend Abweisung eines Begehrens auf Ersatz der Kosten nach einem Freispruch; Hinweis auf die VorjudikaturSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Tirol. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 8. April 2002 wurde er von der gegen ihn erhobenen Anschuldigung, er habe Berufspflichten verletzt und Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt, weil er in der Sonderbeilage "Schneeanlage Patscherkofel" der Tiroler Tageszeitung vom 13. Dezember 1996 mit seinem Wissen und Willen ein Inserat mit nachstehenden Wortlaut schalten ließ
"1991 bis 1996
Koordination aller Behördenverfahren
Grundstücksverträge
Rechtsanwaltskanzlei
Dr. B H
Mitarbeiter Dr. W R
...",
freigesprochen.
Gleichzeitig wurde der vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. August 2001 gestellte Antrag auf Ersatz der Kosten der Verteidigung im Disziplinarverfahren abgewiesen, weil nach Auffassung der OBDK der Disziplinarbeschuldigte auch im Falle eines Freispruches nach dem DSt 1990 keinen Anspruch auf Ersatz dieser Kosten habe.
2. Gegen diesen abweislichen Teil des als Bescheid zu wertenden Erkenntnisses richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung dieses Teils des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Zur Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes führt die Beschwerde aus:
"Die belangte Behörde wendet die hier maßgeblichen Bestimmungen des Disziplinarstatutes, insbesonders die des §77/3 und der §§38 und 41 im Verhältnis zu der Kostenbestimmung des §393a StPO in einer Weise an, die Willkür darstellt.
Die Kostenbestimmung des §38/2 DSt lautet lediglich, daß im Falle des Schuldspruches der Beschuldigte die Kosten des Disziplinarverfahrens ganz oder zum Teil zu ersetzen hat.
Diese Bestimmung schließt allein schon nach ihrem Wortlaut nicht aus, daß im Falle des Freispruches der Beschuldigte über Antrag im Sinne des §393a StPO einen Kostenbeitrag erhält.
Die Kostenbestimmung des §41 DSt lautet, daß die Höhe dieser zu ersetzenden Kosten vom Senatsvorsitzenden mit Beschluß festzusetzen ist.
Auch diese Bestimmung schließt ein Antragsrecht nach §393a StPO nicht aus.
Ebensowenig wird nach §54/5 DSt (das Rechtsmittelerkenntnis hat den Ausspruch über die Pflicht des Beschuldigten zum Ersatz der Kosten des Verfahrens zu enthalten) ein solches Antragsrecht ausgeschlossen.
Gerade deshalb, weil ja ein Kostenbeitrag nach §393a StPO nicht von Amtswegen, sondern nur über Antrag zuerkannt werden kann, wird deutlich, daß eine Regelung über die Anwendung des §393a StPO in den oben besprochenen Bestimmungen überhaupt fehlt und ein Rückschluß im Sinne eines Ausschlusses des §393a StPO verfehlt, unzulässig und denkwidrig ist.
Als Folge davon greift die Verweisungsbestimmung des §77/3 DSt über die sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung Platz (vgl. hiezu auch AnwBl 1997/6, S. 416 ff., Anmerkung Strigl zum Erkenntnis OBDK 9.12.1996, 9 Bkd 1/96 in D 49/94 des DR).
Es ist daher zu untersuchen, ob die Grundsätze der Strafprozeßordnung mit den Grundsätzen des Disziplinarverfahrens vereinbar sind und inwieweit allenfalls Eigenheiten des Disziplinarverfahrens von den Grundsätzen der Strafprozeßordnung abweichen bzw. diesen widersprechen.
a)
Anklagegrundsatz:
Dieses Prinzip ist sowohl im Strafprozeß als auch im Disziplinarverfahren fest verankert
(§§20 ff DSt).
b)
Offizialgrundsatz:
Auch dieser Grundsatz findet sich in beiden Verfahrensregelungen ('Der Disziplinarrat schreitet auf Antrag des Kammeranwaltes ein und führt sodann das Verfahren von Amtswegen').
Im Disziplinarstatut ist der Offizialgrundsatz sogar noch stärker ausgebildet als in der Strafprozeßordnung; diese kennt Ausnahmen vom Offizialgrundsatz (z.B. Privatanklagedelikte, Antragsdelikte und Ermächtigungsdelikte), während im Disziplinarstatut derartige Ausnahmen nicht bestehen.
Im Hinblick auf die hier konkret zu behandelnde Kostenregelung des §393a StPO steht diese Regelung im Einklang mit dem Offizialgrundsatz, zumal sie weder in Privatanklageverfahren noch in Verfahren aufgrund Anklage eines Privatbeteiligten Anwendung findet.
c)
Legalitätsgrundsatz:
Auch dieses Prinzip bestimmt sowohl den Strafprozeß als auch das Disziplinarverfahren, wo der Kammeranwalt im Wesentlichen die Funktionen des Anklägers auszuüben hat (§§21 ff DSt).
d)
Prinzip der materiellen Wahrheit:
Von diesem Prinzip sind beide Verfahren beherrscht.
e)
Grundsatz der Mündlichkeit:
Beide Verfahren sind hauptsächlich in mündlicher Verhandlung zu führen und zu entscheiden.
f)
Überprüfung im Instanzenzug:
In beiden Verfahrensarten steht sowohl dem Ankläger als auch dem Beschuldigten ein Rechtsmittel an die nächsthöhere Instanz zu.
g)
Öffentlichkeit:
Während im Strafverfahren nach der StPO die Öffentlichkeit grundsätzlich möglich ist, besteht im Disziplinarverfahren die Eigenheit, daß die mündliche Verhandlung nicht öffentlich ist (§32 DSt). Die Öffentlichkeit ist aber keineswegs Voraussetzung für die Anwendung des §393a StPO.
h)
Chancengleichheit:
Sowohl im Strafprozeß als auch im Disziplinarverfahren findet sich im Wesentlichen die Chancengleichheit, in deren Zeichen ja auch die Bestimmung des §393a StPO steht.
i)
Strafe als Übel:
Schließlich sind auch Wichtigkeit und Schwere der Strafandrohungen im Disziplinarverfahren zum Teil gleiche wie beim Strafgericht, wie insbesonders Strigl (AnwBl 1997/6, S. 416 ff) ausführt. Eine bedingte Strafnachsicht ist im DSt grundsätzlich nicht vorgesehen.
j)
Eigenheiten im Disziplinarverfahren:
Keine Privatanklagedelikte, keine Privatbeteiligung und auch keine Anklage eines Privatbeteiligten, schließlich auch keine Laienbeteiligung bei der Rechtsprechung.
Es fällt auf, daß §393a StPO auch bei Einstellung des Strafverfahrens nach einer Wiederaufnahme oder Erneuerung desselben anzuwenden ist und §77/1 DSt die Anwendung der Strafprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens ausdrücklich anordnet. Es läge doch nahe, daß wenigstens in diesem Zusammenhang der Ausschluß des §393a StPO im Disziplinarverfahren vom Gesetzgeber ausgesprochen worden wäre.
Da also weder in den Kostenbestimmungen der §§38, 41 und 54 DSt noch in der Generalverweisungsklausel des §77/3 die Nichtanwendung des §393a StPO normiert ist, ist diese Bestimmung auch im Disziplinarverfahren anzuwenden, zumal sie zwangslos mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar ist."
3. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit Erkenntnis VfSlg. 15493/1999 legte der Verfassungsgerichtshof dar, daß eine Auslegung der §§38 Abs2 und 41 DSt 1990, wonach der Gesetzgeber des DSt 1990 ganz bewußt von einer Regelung über einen Ersatz von Verteidigungskosten im Fall des Freispruchs Abstand genommen habe (vgl. RV 1188 BlgNR XVII. GP, 28), sodaß auch kein Anspruch darauf bestehe, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Der Gerichtshof sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung, die im Erkenntnis vom 8. Juni 1999, B788/99, fortgesetzt wurde, abzugehen. Wenn daher die belangte Behörde einen Anspruch auf Ersatz dieser Kosten im Falle des Freispruches verneint, kann von einer willkürlichen oder denkunmöglichen Anwendung dieser Bestimmungen keine Rede sein.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Teil des Bescheides sohin weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz noch in dem auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Strafprozeßrecht, KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1092.2002Dokumentnummer
JFT_09979076_02B01092_00