Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Erlagssache der Erleger 1) Birgit F*****, und 2) Ing. Thomas F*****, und der Erlagsgegner 1) I*****gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Michael Augustin und Mag. Peter Haslinger, Rechtsanwälte in Leoben, und 2) H*****gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wegen 115.200 S infolge ordentlichen Revisionsrekurses der Ersterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 13. März 2001, GZ 3 R 244/00i-9, womit infolge Rekurses der Ersterlagsgegnerin der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck/Mur vom 1. September 2000, GZ 5 Nc 47/00s-3, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Ersterlagsgegnerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Am 25. 8. 2000 beantragten Ehegatten - eine Bankangestellte und ein Bauleiter - gemäß § 1425 ABGB die Annahme eines Erlagsbetrags von 115.200 S und brachten vor, Immobilienmakler hätten ihnen einige Liegenschaften zum Kauf angeboten. Mit Kaufvertrag vom 28. 7. 2000 hätten sie eines dieser Objekte um 3,2 Mio S erworben. Nunmehr begehrten zwei Immobilienmakler die Zahlung der Vermittlungsprovision von 115.200 S. Unklar sei, welcher der beiden Immobilienmakler den Provisionsanspruch erworben habe.
Das Erstgericht nahm den Erlag an und erließ einen Verwahrungsauftrag.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach dessen Ansicht war für die rechtsunkundigen Erleger im Rahmen einer zumutbaren Prüfung nicht erkennbar, welchem der beiden Forderungsprätendenten der Erlagsbetrag als Provision zustehe. Ein solcher Sachverhalt rechtfertige den Gerichtserlag nach § 1425 ABGB. Entgegen der Ansicht der Ersterlagsgegnerin schließe die Bestimmung des § 6 Abs 5 MaklerG einen Gerichtserlag nicht aus. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Frage, "inwieweit eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB durch die Bestimmung des § 6 Abs 5 MaklerG ausgeschlossen" werde, einer Lösung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Seit der Entscheidung 4 Ob 218/98g, 219/98d (= SZ 71/158) ist es ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der gerichtliche Annahmebeschluss bei einem Gerichtserlag zugunsten mehrerer Personen von jedem der Erlagsgegner bekämpft werden kann (siehe die Rechtssatzkette zu RIS-Justiz RS0110882). Daran ist festzuhalten.
2. Bei der Hinterlegung nach § 1425 ABGB hat das Erlagsgericht zu prüfen, ob der im Erlagsgesuch angeführte Grund für die angestrebte Hinterlegung an sich tragfähig ist; hingegen ist nicht zu beurteilen, ob der behauptete Hinterlegungsgrund tatsächlich vorliegt. Vom Erlagsgericht ist somit (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Nur in diesem Rahmen ist der Annahmebeschluss im Rechtsmittelverfahren überprüfbar (1 Ob 2/00a; SZ 71/158 mwN). Bei Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten ist der Schuldner zum Gerichtserlag berechtigt, wenn er den wahren Gläubiger bei zumutbarer Prüfung nicht ermitteln kann (SZ 71/158 mwN). Daran ist gleichfalls festzuhalten.
3. Nach § 6 Abs 5 MaklerG schuldet der Auftraggeber die Provision nur einmal, auch wenn die Provisionsvoraussetzungen für ein vermitteltes Geschäft bei zwei oder mehreren Maklern vorliegen. Provisionsberechtigt ist der Makler, dessen Verdienstlichkeit an der Vermittlung eindeutig überwog. Mangels Feststellbarkeit eines solchen Überwiegens ist die Provision nach Maßgabe der Verdienstlichkeit - im Zweifel zu gleichen Teilen - aufzuteilen. Zahlte der Auftraggeber einem der beteiligten Makler ohne eine ihm anlastbare grobe Fahrlässigkeit zuviel an Provision, so ist er von seiner Schuld im Betrag der Überzahlung gegenüber allen verdienstlichen Maklern befreit. Dadurch verkürzte Makler können von den anderen Maklern den Ausgleich verlangen.
3. 1. Die Ersterlagsgegnerin verficht weiterhin den Standpunkt, der im Anlassfall behauptete Hinterlegungsgrund sei im Lichte des § 6 Abs 5 MaklerG unschlüssig, sodass der Erlagsantrag abzuweisen sei. Werde der Auftraggeber von seiner Provisionsschuld im Ausmaß der Überzahlung gegenüber sämtlichen verdienstlichen Maklern selbst dann befreit, wenn er an einen der beteiligten Makler leicht fahrlässig zuviel an Provision gezahlt habe, so müsse der Auftraggeber den (die) forderungsberechtigten Makler selbst ermitteln, ohne sich dem durch die gerichtliche Hinterlegung des Provisionsbetrags entziehen zu können.
Der Ansicht der Ersterlagsgegnerin, dass der Auftraggeber der Gefahr einer fahrlässig unrichtigen Zahlung nicht durch eine gerichtliche Hinterlegung des Provisionsbetrags vorbeugen kann, ist nicht beizutreten. Die Regelung des § 6 Abs 5 MaklerG soll bloß gewährleisten, dass der Auftraggeber nicht ein zweites Mal auf den Betrag einer allenfalls unrichtigen (Über-)Zahlung in Anspruch genommen wird, wenn er die Provision fehlerhaft an einen beteiligten Makler bzw im unrichtigen Verhältnis anteilig an alle beteiligten Makler zahlte und ihm bei Beurteilung der Forderungsberechtigung kein grobes Verschulden anlastbar ist. Aus dieser Bestimmung ist jedoch nicht ableitbar, dass der Auftraggeber einer allenfalls schuldhaft fehlerhaften Zahlung an einen oder anteilig an alle beteiligten Makler durch eine gerichtliche Hinterlegung des Provisionsbetrags nicht vorbeugen darf, wenn die Voraussetzungen der Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB erfüllt sind. Die Erlagsberechtigung nach § 1425 ABGB wird demnach durch § 6 Abs 5 MaklerG nicht eingeschränkt, kann doch der Auftraggeber der beteiligten Makler nicht verpflichtet sein, die Provision im Zweifel über den wahren Gläubiger einfach einem der Makler zu zahlen oder sie im Zweifel über das richtige Aufteilungsverhältnis bloß irgendwie aufzuteilen und sich in einem späteren Rechtsstreit gegen den Vorwurf einer grob fahrlässig unrichtigen Zahlung zur Wehr setzen zu müssen. Diese Sicht der Rechtslage stützen auch die Materialien zum Maklergesetz, weil dort ausdrücklich festgehalten wird, "im Zweifel" bestehe "auch die Möglichkeit, die Provision gemäß § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen" (RV 2 BlgNR 20. GP, 21).
3. 2. Die Behauptungen der Erleger sind im Lichte der Erwägungen unter 2. schlüssig. Aktenkundige Anhaltspunkte dafür, dass die rechtsunkundigen Erleger unter den zwei Forderungsprätendenten bei zumutbarer Prüfung den wahren Gläubiger hätten ermitteln können, bestehen nicht. Ein tauglicher Grund zur gerichtlichen Hinterlegung folgt auch aus dem Umstand, dass zwei Makler, die mit ihrem beruflichen Provisionsrecht vertraut sein müssen, die Erleger nach deren Behauptungen auf Zahlung der ganzen Provision in Anspruch nehmen wollen. Sind zwei beteiligte Makler trotz der bei ihnen vorauszusetzenden Kenntnis des Provisionsrechts außerstande, das Forderungsrecht im Verhältnis zwischen ihnen abzuklären, so kann eine solche Klärung durch rechtsunkundige Erleger noch weniger erwartet werden. Soweit sich die Rechtsmittelwerberin auf Beweisergebnisse in einem Zivilprozess beruft, sind ihre Ausführungen als unzulässige Neuerungen unbeachtlich. Angemerkt sei jedoch, dass das Erstgericht über den Erlagsantrag am 1. 9. 2000 entschied und die Klage in dem Zivilprozess, auf den sich die Ersterlagsgegnerin beruft, am gleichen Tag eingebracht wurde. Die ins Treffen geführten Beweisaufnahmen können also erst nach dem 1. 9. 2000 stattgefunden haben.
Dem Revisionsrekurs ist somit nicht Folge zu geben.
4. Die Ersterlagsgegnerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses schon deshalb selbst zu tragen, weil im außerstreitigen Erlagsverfahren kein Kostenersatz vorgesehen ist (7 Ob 266/98p).
Textnummer
E62458European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00137.01F.0626.000Im RIS seit
26.07.2001Zuletzt aktualisiert am
23.02.2011