Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva S*****, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Birgit G*****, vertreten durch Dr. Markus Groh, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts (Streitwert S 108.000,--) sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2000, GZ 20 R 275/00g-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Groß-Enzersdorf vom 9. Oktober 2000, GZ 1 C 1157/99h-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Beklagte ist die Tochter der Klägerin. Der Ehe der Klägerin mit dem Vater der Beklagten, die 1987 einvernehmlich geschieden wurde, entstammt auch ein Sohn. Am 13. 6. 1996 erlitt die Klägerin eine Gehirnblutung, die ein apallisches Syndrom zur Folge hatte. Seither ist sie geistig und körperlich dermaßen behindert, dass sie in allen Dingen auf fremde Hilfe angewiesen ist. Ihr nunmehriger Ehegatte, der mit ihr gemeinsam wohnt und zu ihrem Sachwalter bestellt wurde, betreut sie seit dem 14. 11.1998, als sie aus einem Pflegeheim in häusliche Pflege entlassen wurde. Dreimal täglich - mit einem Gesamtaufwand von fünf Stunden je Tag - wird er in der Betreuung von geschulten Pflegehelferinnen unterstützt; in regelmäßigen Abständen setzt darüber hinaus eine diplomierte Krankenschwester einen Katheter für die Harnprobe. Die Klägerin bezieht ein monatliches Pflegegeld (Pflegegeldstufe 7) von S 21.074 und eine monatliche Pension (inklusive Ausgleichszulage) von S 11.574. Ihr Ehemann bezog bis zum 3. 8. 1999 Notstandshilfe; seit 1. 9. 1999 ist er mit einem Mindestbetrag von S 747,20 sozialrechtlich bei der Klägerin mitversichert, einkommens- und beschäftigungslos. Die Beklagte erzielt als Angestellte ein monatliches Einkommen von S 14.160,85 14-mal jährlich.
Die Klägerin begehrte die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 3.000 ab 1. 9. 1999. Dieser Betrag sei zur Deckung ihres Unterhalts erforderlich. Ihr Ehemann könne, weil er sie ständig betreue, keinem Erwerb nachgehen. Dies bedinge, dass sie ihm gegenüber unterhaltspflichtig sei, zumal er durch seine Pflegetätigkeit einen entsprechenden Beitrag zur gemeinsamen Lebensführung leiste. Gegenüber ihrem geschiedenen Ehegatten habe sie keinen Anspruch auf Unterhalt, weil im Zuge der Scheidung der Ehe gemäß § 55a EheG ein wechselseitiger Unterhaltsverzicht auch für den Fall der Krankheit und der unverschuldeten Not vereinbart worden sei. Darüber hinaus wäre ihr Unterhaltsanspruch auch auf Grund der Eheschließung mit ihrem nunmehrigen Gatten erloschen. Mangels näherer Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des der Vorehe entstammenden Sohnes käme eine Klagsführung gegen diesen - wegen Unterhalts - nicht in Betracht. Der Vater ihres Ehemanns verrichte Fahrten zur Krankenkasse, wofür er zum Mindesttarif der Wiener Sozialdienste entlohnt und wofür ihm Kilometergeld gezahlt werde. An Fixkosten müsse die Klägerin monatlich S 7.535 zahlen, für die Pflegetätigkeit stünde ihrem Ehemann ein angemessenes Entgelt von zumindest S 15.000 zu. Die Beklagte, die keine (sonstigen) gesetzlichen Sorgepflichten habe, sei wirtschaftlich in der Lage, den geforderten Unterhalt aus dem Titel des § 143 Abs 2 ABGB zu zahlen.
Die Beklagte wendete ein, dass ihre Unterhaltspflicht lediglich subsidiär sei und vor ihr jedenfalls der derzeitige Ehemann und auch der frühere Ehegatte heranzuziehen seien. Im gleichen Rang wie sie sei auch ihr Bruder unterhaltspflichtig. Dem Ehemann der Klägerin sei eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar, weshalb die subsidiäre Unterhaltspflicht der Beklagten nicht zum Tragen käme. Durch die Zahlung der gesamten Wohnungs- und Betriebskosten leiste die Klägerin ihrem Ehemann bereits erheblichen Unterhalt. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie sämtliche von Bund oder Land zu gewährenden Begünstigungen in Anspruch nehme. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu leistenden monatlichen Zahlungen für die Miete und die Betriebskosten und eines krankheitsbedingten Sonderbedarfs sei ihr die Leistung von Unterhalt an die Klägerin nicht zumutbar. Diese sei in der Lage, ihren Unterhalt aus den ihr zufließenden monatlichen Beträgen zu decken. Der Ehegatte der Klägerin habe keinen gesetzlichen Anspruch auf Abgeltung seiner Pflegetätigkeit. Die vom Vater des Ehemanns der Klägerin erbrachten Leistungen (Einholen der Bewilligung der Rezepte) seien nicht als Sonderbedarf der Klägerin zu berücksichtigen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, der Ehemann der Klägerin betreue diese "rund um die Uhr" und könne daher keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Klägerin könne nicht allein gelassen werden. Daher sei es nötig, dass der Vater des Ehemanns der Klägerin die nötige Rezeptbewilligung bei der Gebietskrankenkasse einhole und hiefür entlohnt werde. Vom Sonderbedarf (für ihre Pflege) abgesehen, müsse die Klägerin monatlich Fixkosten von S 7.535 (Miete, Heizung, Warmwasser, Strom, Telefon, Lebensversicherung) bestreiten. Die Beklagte sei hingegen mit monatlichen Wohnungskosten von etwa 6.000 bis 7.000 S belastet; für die Behandlung der chronischen Schuppenflechte, an der sie leide, müsse sie jährlich S 28.000 aufwenden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, der Klägerin verblieben nach Abzug der Fixkosten und des Sonderbedarfs noch immer monatlich etwa S 6.000, die zur Deckung ihres Unterhalts ausreichten. Der Ehemann der Klägerin müsse sich selbst bei bestehendem Unterhaltsanspruch "entsprechende Beschränkungen" gefallen lassen. Zum Teil werde sein Unterhalt durch Überlassung von Wohnraum gedeckt, der restliche Unterhaltsanspruch könne aus dem der Klägerin verbleibenden Geldeinkommen aufgebracht werden. Die Beklagte sei nicht verhalten, die Klägerin in die Lage zu versetzen, ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber Dritten nachzukommen. Der Ehegatte der Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Abgeltung der Pflege der Klägerin, weil diese zu den ehelichen Beistandspflichten gehöre.
Das Gericht zweiter Instanz hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die subsidiäre Unterhaltspflicht der Beklagten komme nur zum Tragen, sofern die Klägerin nicht imstande sei, sich selbst zu erhalten, und den jetzigen bzw vormaligen Ehegatten keine Unterhaltspflicht treffe. Das von der Klägerin bezogene Pflegegeld bleibe bei der Beurteilung ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit außer Betracht, weil es der pauschalierten Abgeltung ihres krankheitsbedingten Personalaufwands diene. Der Ehegatte, der Pflegeleistungen erbringe, habe Anspruch auf ein seiner Pflege angemessenes Entgelt, das allerdings einem Einkommen aus unselbständiger Beschäftigung gleichzuhalten sei. Dieses Einkommen müsse vom Erstgericht festgestellt werden, und es sei auch zu klären, ob die ganztägige Pflege durch den Ehegatten der Klägerin überhaupt nötig sei, würden doch die Pflegeleistungen weitgehend durch geschultes Personal erbracht, sodass zu klären sei, ob der Ehemann der Klägerin nicht doch zumindest eingeschränkt einem Beruf nachgehen könne. Der krankheitsbedingte Sachaufwand der Klägerin sei zusätzlich zum Personalaufwand zu berücksichtigen und werde durch das Pflegegeld nicht gedeckt. Es sei aber zu prüfen, ob die Abgeltung für die Einholung der Bewilligungen der Krankenkasse an den Vater des Ehemanns der Klägerin unabdingbar nötig seien. Erst nach entsprechenden Feststellungen könne die Selbsterhaltungsfähigkeit der Klägerin beurteilt werden. Für den Fall, dass diese zu verneinen sei, seien die Einkommensverhältnisse und Bedürfnisse der Beklagten einer genaueren Prüfung zu unterziehen, insbesondere sei der krankheitsbedingte Mehraufwand der Beklagten zu klären.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern stellt eher den Ausnahmefall dar. Voraussetzung für das Bestehen einer solchen Pflicht ist, dass die Eltern oder der Elternteil nicht imstande sind bzw ist, sich selbst zu erhalten. Es ist daher primär festzustellen, ob Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben ist. Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne des § 143 ABGB liegt dann vor, wenn der Vorfahre in der Lage ist, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu befriedigen. Die Höhe des zu leistenden Unterhalts richtet sich sowohl nach den Lebensverhältnissen des Kindes wie auch nach jenen des Vorfahren (JBl 1999, 725; SZ 70/146).
Die Frage, ob jemand bei - wie hier - voller Pflegebedürftigkeit imstande ist, sich selbst zu erhalten, ist in jedem einzelnen Fall konkret zu prüfen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, es mangle an den nötigen Feststellungen, um die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit der Klägerin einwandfrei beurteilen zu können, treffen zu:
Das Pflegegeld dient der pauschalen Abgeltung von Pflegeleistungen und soll den Pflegebedürftigen in die Lage versetzen, den krankheitsbedingten Personalaufwand abzudecken (9 Ob 94/00i; vgl EFSlg 88.883). Dem Pflegebedürftigen muss es grundsätzlich gestattet sein, die erforderlichen Pflegemaßnahmen im eigenen häuslichen Bereich vornehmen zu lassen, um möglichst in der gewohnten Umgebung verbleiben zu können, was aber zur Folge haben kann, dass das Pflegegeld nicht die gesamten pflegebedingten Mehraufwendungen deckt. Erbringt ein Angehöriger des Pflegebedürftigen die Pflegeleistungen, so hat er zumindest dann, wenn - wie hier - diese Leistungen weit über dasjenige hinausgehen, was üblicherweise in Wahrnehmung einer (hier aus § 94 ABGB abgeleiteten) besonderen Beistandspflicht zu leisten ist, Anspruch auf deren finanzielle Abgeltung (vgl 1 Ob 46/01y); der hiefür angemessene Betrag ist im Wege einer fiktiven Berechnung zu ermitteln, weil die Pflegeleistungen nicht durch professionelle Kräfte erbracht werden (vgl EFSlg 90.170; 90.201; SZ 71/146; EFSlg 78.538). Erst wenn das für sämtliche Betreuungsleistungen gebührende Entgelt konkret feststeht, lässt sich beurteilen, ob das von der Klägerin bezogene Pflegegeld zur Abgeltung ihres krankheitsbedingten Personalaufwands ausreicht oder ob sie andere Teile ihres Einkommens - hier die Pension - zu dessen Deckung heranziehen muss. Aus dem verbleibenden Einkommen muss die Klägerin zudem den vom Pflegegeld nicht gedeckten krankheitsbedingten Sachaufwand bestreiten (vgl dazu 9 Ob 94/00i); demnach kann erst nach dessen Ausmittlung verlässlich beurteilt werden, ob die Klägerin mit dem danach verbleibenden restlichen Einkommen ihre Lebensbedürfnisse angemessen befriedigen kann. Dabei wird allerdings - wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte - zu berücksichtigen sein, dass das vom Ehemann der Klägerin für die Pflegeleistungen bezogene Entgelt Einkommen darstellt, das dessen Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin auslösen könnte. Diese Unterhaltspflicht geht - wie schon ausgeführt - jener der Beklagten vor. Keinesfalls kann die Beklagte aber dazu herangezogen werden, den Ehemann der Klägerin zu alimentieren, kann doch die bloß subsidiär zum Unterhalt verpflichtete Beklagte nicht im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung dazu verhalten werden, der Klägerin als allenfalls ihrem Ehemann gegenüber Unterhaltsverpflichteter Mittel zur Verfügung zu stellen, um sie in die Lage zu versetzen, Unterhaltszahlungen an ihren Mann zu erbringen (EFSlg 77.963; 57.027). Schließlich wird zu bedenken sein, dass der Ehemann der Klägerin bei Bezug von Einkünften aus seiner Pflegetätigkeit auch zur Deckung der für den gemeinsamen Haushalt auflaufenden Fixkosten angemessen beizutragen hätte, sodass dann die tatsächlich von der Klägerin getragenen (und vom Erstgericht mit S 7.535 festgestellten) Fixkosten nicht zur Gänze als einkommensmindernd Berücksichtigung finden könnten.Das Pflegegeld dient der pauschalen Abgeltung von Pflegeleistungen und soll den Pflegebedürftigen in die Lage versetzen, den krankheitsbedingten Personalaufwand abzudecken (9 Ob 94/00i; vergleiche EFSlg 88.883). Dem Pflegebedürftigen muss es grundsätzlich gestattet sein, die erforderlichen Pflegemaßnahmen im eigenen häuslichen Bereich vornehmen zu lassen, um möglichst in der gewohnten Umgebung verbleiben zu können, was aber zur Folge haben kann, dass das Pflegegeld nicht die gesamten pflegebedingten Mehraufwendungen deckt. Erbringt ein Angehöriger des Pflegebedürftigen die Pflegeleistungen, so hat er zumindest dann, wenn - wie hier - diese Leistungen weit über dasjenige hinausgehen, was üblicherweise in Wahrnehmung einer (hier aus § 94 ABGB abgeleiteten) besonderen Beistandspflicht zu leisten ist, Anspruch auf deren finanzielle Abgeltung vergleiche 1 Ob 46/01y); der hiefür angemessene Betrag ist im Wege einer fiktiven Berechnung zu ermitteln, weil die Pflegeleistungen nicht durch professionelle Kräfte erbracht werden vergleiche EFSlg 90.170; 90.201; SZ 71/146; EFSlg 78.538). Erst wenn das für sämtliche Betreuungsleistungen gebührende Entgelt konkret feststeht, lässt sich beurteilen, ob das von der Klägerin bezogene Pflegegeld zur Abgeltung ihres krankheitsbedingten Personalaufwands ausreicht oder ob sie andere Teile ihres Einkommens - hier die Pension - zu dessen Deckung heranziehen muss. Aus dem verbleibenden Einkommen muss die Klägerin zudem den vom Pflegegeld nicht gedeckten krankheitsbedingten Sachaufwand bestreiten vergleiche dazu 9 Ob 94/00i); demnach kann erst nach dessen Ausmittlung verlässlich beurteilt werden, ob die Klägerin mit dem danach verbleibenden restlichen Einkommen ihre Lebensbedürfnisse angemessen befriedigen kann. Dabei wird allerdings - wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte - zu berücksichtigen sein, dass das vom Ehemann der Klägerin für die Pflegeleistungen bezogene Entgelt Einkommen darstellt, das dessen Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin auslösen könnte. Diese Unterhaltspflicht geht - wie schon ausgeführt - jener der Beklagten vor. Keinesfalls kann die Beklagte aber dazu herangezogen werden, den Ehemann der Klägerin zu alimentieren, kann doch die bloß subsidiär zum Unterhalt verpflichtete Beklagte nicht im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung dazu verhalten werden, der Klägerin als allenfalls ihrem Ehemann gegenüber Unterhaltsverpflichteter Mittel zur Verfügung zu stellen, um sie in die Lage zu versetzen, Unterhaltszahlungen an ihren Mann zu erbringen (EFSlg 77.963; 57.027). Schließlich wird zu bedenken sein, dass der Ehemann der Klägerin bei Bezug von Einkünften aus seiner Pflegetätigkeit auch zur Deckung der für den gemeinsamen Haushalt auflaufenden Fixkosten angemessen beizutragen hätte, sodass dann die tatsächlich von der Klägerin getragenen (und vom Erstgericht mit S 7.535 festgestellten) Fixkosten nicht zur Gänze als einkommensmindernd Berücksichtigung finden könnten.
Für den Fall, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit der Klägerin verneint werden sollte und deren Ehemann nicht zur Deckung ihres Unterhalts in der Lage wäre, wird aber auch noch zu beachten sein, dass mehrere Nachkommen den Unterhalt anteilig nach Kräften schulden (SZ 70/146; 8 Ob 507/85; SZ 20/196). Dann werden aber auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bruders der Beklagten festzustellen sein. Dafür, dass der ebenfalls subsidiär unterhaltspflichtige Bruder der Beklagten über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, das ihn in die Lage versetzte, seiner Mutter Unterhalt zu gewähren, wäre die Klägerin beweispflichtig. Es geht nicht an, sich auf den "Mangel näherer Informationen" über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Unterhaltspflichtigen zu berufen, ohne darzustellen, dass bzw weshalb dieser Informationsmangel nicht behebbar sei. Die Klägerin hat alles nur erdenklich Mögliche in die Wege zu leiten, um auch ihren Sohn zur Erfüllung seiner allenfalls bestehenden subsidiären Unterhaltspflicht heranzuziehen.
Es bedarf aber gewiss auch der vom Gericht zweiter Instanz vermissten Prüfung, ob der Ehegatte der Klägerin nicht doch in der Lage wäre, einer (eingeschränkten) Erwerbstätigkeit nachzugehen und aus dieser Tätigkeit Einkommen zu erzielen, stellt man in Rechnung, dass pflegendes Fachpersonal mehr als fünf Stunden täglich für die Betreuung der Klägerin zur Verfügung steht. Insofern bedarf es zumindest einer Verdeutlichung der erstgerichtlichen Feststellungen, warum die ständige Anwesenheit des Ehemanns der Klägerin erforderlich sein sollte und warum beispielsweise das Umlagern der Klägerin nicht ohne dessen Mithilfe möglich wäre.
Es erscheint auch nicht von vornherein einsichtig, dass Bewilligungen der Krankenkasse nicht auf dem Postweg eingeholt werden könnten bzw warum dies bei entsprechender Organisation nicht möglich sein sollte; es werden daher auch diese Kosten, die der Ehemann der Klägerin seinem Vater ersetzt, einer näheren Überprüfung zu unterziehen sein. Gleiches gilt - für den Fall der Unterhaltspflicht der Beklagten - für die von dieser geltend gemachten erhöhten Ausgaben auf Grund ihrer chronischen Krankheit.
Insgesamt erweist sich sohin das Verfahren noch nicht als spruchreif, vielmehr ist es im Sinne obiger Ausführungen ergänzungsbedürftig.
Dem Rekurs der beklagten Partei ist demnach ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E62457European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00135.01M.0626.000Im RIS seit
26.07.2001Zuletzt aktualisiert am
23.02.2011