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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des B U, geboren 1986, vertreten durch Jürgen Stephan Mertens, Rechtsanwalt (RAK Stuttgart) in 1080 Wien, Neudeggergasse 1/18, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. November 2006, Zl. SD 385/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. November 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen liberianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein mit zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer, dessen Identität und Nationalität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, sei am 22. Juli 2004 illegal nach Österreich gelangt und habe am darauffolgenden Tag einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Seit 23. August 2004 sei der Beschwerdeführer im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.
Am 8. März 2005 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon sechs Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Er habe am 9. Februar 2005 vier mit 2,6 g Kokain gefüllte Kugeln gewerbsmäßig an einen verdeckten Ermittler verkauft.
Während des bereits in erster Instanz anhängigen Rückkehrverbotsverfahrens sei der Beschwerdeführer neuerlich straffällig geworden. Er habe sich am 27. Juni 2005 gegenüber Grenzkontrollbeamten am Flughafen Linz - Hörsching mit einem auf eine andere Person lautenden österreichischen Reisepass ausgewiesen. Deshalb sei er wegen des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise gemäß § 231 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden.
Auf Grund der erstgenannten Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 62 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Durch die Täuschungshandlung vom 27. Juni 2005 sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausreisen habe wollen. Dennoch stelle diese Verhaltensweise eine besonders große Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar.
Auf Grund der durch das Gesamtfehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer habe keine familiären Bindungen im Bundesgebiet geltend gemacht. Auf Grund des etwas mehr als zweijährigen inländischen Aufenthalts sei das Rückkehrverbot mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine für den Beschwerdeführer positive Verhaltensprognose könne nicht erstellt werden.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen, dass der aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil deren soziale Komponente durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.
Das Rückkehrverbot sei für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde. Als für die Erlassung des Rückkehrverbots und somit auch für die Festsetzung der Dauer dieser Maßnahme maßgebliche Umstände seien das konkret gesetzte Fehlverhalten und die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen sowie die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers anzusehen. Wer, wie der Beschwerdeführer, bereits kurz nach seiner Einreise dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe und durch Vorlage eines fremden Ausweises Beamte über seine Identität zu täuschen versuche, lasse seine Geringschätzung der für ihn maßgeblichen Rechtsvorschriften deutlich erkennen. In Anbetracht des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf dessen private Situation ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbots maßgeblichen Grundes nicht vor zehn Jahren erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Der Beschwerdeführer hat am 9. Februar 2005 vier mit Kokain gefüllte Kugeln an eine andere Person verkauft. Insbesondere aus der dabei verfolgten Absicht, sich durch wiederkehrende Suchtgiftverkäufe eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Vorgangsweise gemäß § 70 StGB), ergibt sich, dass vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers trotz der nur einmaligen Verurteilung wegen eines Suchtgiftdelikts eine erhebliche Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität ausgeht.
Weiters hat sich der Beschwerdeführer - trotz des bereits eingeleiteten Rückkehrverbotsverfahrens - am 27. Juni 2005 anlässlich der versuchten Ausreise aus dem Bundesgebiet über den Flughafen Linz - Hörsching mit einem für eine andere Person ausgestellten österreichischen Reisepass ausgewiesen. Dies stellt - ungeachtet des Ausmaßes der vom Gericht dafür verhängten Strafe - aus der für die belangte Behörde maßgeblichen fremdenpolizeilichen Sicht ein sehr gewichtiges Fehlverhalten dar.
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er sich bei Begehung des Suchgiftdelikts als nicht arbeitsberechtigter Asylwerber in einer Notlage befunden habe. Dass er sich trotz Fortbestehens dieser Notlage von der zuletzt begangenen Straftat am 27. Juni 2005 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides wohlverhalten habe, hätte Anlass für eine positive Verhaltensprognose sein müssen.
Dem ist zu entgegnen, dass der Zeitraum von etwa einem Jahr und fünf Monaten seit der letzten Straftat angesichts der gewerbsmäßigen Begehung des Suchtgiftdelikts und der Begehung einer aus fremdenpolizeilicher Sicht sehr verwerflichen Straftat trotz des anhängigen Rückkehrverbotsverfahrens viel zu kurz ist, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen zu schließen.
Aus all diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde zugunsten des Beschwerdeführers die Dauer des inländischen Aufenthalts seit Juli 2004, also seit etwa zwei Jahren und vier Monaten, berücksichtigt. Zu Recht hat sie die daraus resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente als durch die Straftaten des Beschwerdeführers gemindert angesehen. Unstrittig bestehen keine inländischen familiären Beziehungen. Welche anderen Lebensumstände zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen wären, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und tut somit die Relevanz des diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.
Den somit nicht gewichtigen privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die - oben 2. dargestellte - erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen durch den weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Rückkehrverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die gegenteiligen öffentlichen Interessen (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig angesehen werden.
4. Ein Rückkehrverbot ist - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0103).
Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie angesichts des vom Beschwerdeführer zu verantwortenden gewerbsmäßigen Suchtgiftverkaufs und der Verwendung eines für eine andere Person ausgestellten Reisepasses anlässlich der Grenzkontrolle unter Berücksichtigung der nur schwach ausgebildeten privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet zum Ergebnis gekommen ist, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Rückkehrverbots maßgeblichen Grundes nicht vor Ablauf von zehn Jahren angenommen werden könne.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, die belangte Behörde hätte "meine ganzheitliche Lebenslage zum Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlungen sowie meine Lage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung" hinreichend berücksichtigen müssen, zeigt er nicht auf, welche konkreten Umstände von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sind, und tut somit die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. Jänner 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007180007.X00Im RIS seit
19.03.2007Zuletzt aktualisiert am
09.11.2011