TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/30 2004/18/0374

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Veröffentlicht am 30.01.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/02 Familienrecht;
20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §184;
EheG §10;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §19 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
FrG 1997 §8;
IPRG §16;
IPRG §26;
IPRG §5;
IPRG §6;
IPRG §9;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der E B in E, geboren 1982, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Gaisbergstraße 46, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 2004, Zl. 123.740/18-III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid, der in seinem Spruchpunkt I. (Stattgebung des Devolutionsantrages) mangels Anfechtung unberührt bleibt, wird in Ansehung seines Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 13. September 2004 wurde in Spruchpunkt I. dem Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Ghana, vom 14. Juli 2004 gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG stattgegeben und in Spruchpunkt II. der Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. Juli 2001 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2 Z. 3 und § 19 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde in Bezug auf Spruchpunkt II. im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin diesen Antrag am 30. Juli 2001 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (im Folgenden: BH) gestellt und als Aufenthaltszweck die "Familiengemeinschaft" mit ihrem in Österreich lebenden Gatten M. angegeben habe.

Im Jahr 1998 sei erstmals durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG angeregt worden, was jedoch im Juli 1998 zunächst abgelehnt worden sei. Am 28. April 1998 habe sie bei der BH einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung eingebracht und als Zweck die "Familiengemeinschaft" mit ihren in Österreich lebenden Eltern, F. und M., angegeben. In diesem Verfahren habe sie eine Geburtsurkunde vorgelegt, in der F. und M. als ihre "Eltern" aufgeschienen seien. Da die Beschwerdeführerin mittlerweile 17 Jahre alt gewesen sei, habe ihr Antrag auf Grund der damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen abgewiesen werden müssen.

Im Jahr 1999 sei ihr auf Grund ihrer familiären Situation die Einreise nach Österreich zu ihren "Eltern" mit einem Visum D ermöglicht worden und in weiterer Folge im Anschluss daran doch der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG zugestimmt worden. Dieser Titel sei im Mai 2000 verlängert worden, wobei M., der in diesem Verfahren neuerlich als ihr "Vater" aufgetreten sei, mitgeteilt worden sei, dass letztmalig der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 leg. cit. zugestimmt würde, um ihr eine Integration in Österreich zu ermöglichen. Sollte ihr in diesen weiteren zwölf Monaten eine Integration nicht gelingen, hätte sie in weiterer Folge mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu rechnen.

Auf Grund der im Verfahren über den am 30. Juli 2001 gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft - ausgenommen Erwerbstätigkeit" vorgelegten Urkunden und Dokumente sei ersichtlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin im März 2000 in Ghana M. (der in den vergangenen fremdenrechtlichen Verfahren als ihr "Vater" aufgeschienen sei) geehelicht habe. Weiters habe sich herausgestellt, dass M. angeblich bereits seit 9. März 1997 von F., laut Geburtsurkunde die leibliche Mutter der Beschwerdeführerin, geschieden worden sei. Als sich herausgestellt habe, dass M. offenbar doch nicht der leibliche Vater der Beschwerdeführerin gewesen sei, seien auch Unterlagen darüber beigebracht worden, dass die Beschwerdeführerin von M. ("nur") adoptiert worden sei, ehe sie ihn im März 2000 geehelicht habe.

Was nun die Ehe der Beschwerdeführerin mit M. betreffe, sei Folgendes auszuführen:

Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 2000 M. nach ghanaischem Recht in Ghana geheiratet, nachdem sich M. bereits im Jahr 1997 von F., der leiblichen Mutter der Beschwerdeführerin, ebenfalls nach ghanaischem Recht, habe scheiden lassen. Im vorangegangenen fremdenrechtlichen Verfahren habe die Beschwerdeführerin eine Geburtsurkunde vorgelegt, wonach M. ihr leiblicher Vater wäre. Später, als sich dann herausgestellt habe, dass dies doch nicht der Fall sei, sei geltend gemacht worden, dass sie - nach welchem Recht auch immer - von M. adoptiert worden sei.

Nunmehr berufe sie sich in ihrem Antrag vom 30. Juli 2001 jedoch auf ihre Ehe mit M. Faktum sei, dass nach ghanaischem Recht zwischen (ehemaligen) Adoptiveltern bzw. Adoptivkindern ein Eheverbot bestehe. Für die belangte Behörde stehe nicht eindeutig fest, dass die Ehe der Beschwerdeführerin mit M. nicht anerkannt werden könnte und somit eine Ehe vorläge, die nach österreichischem Recht ungültig wäre. Im Zweifel gehe sie daher - zu Gunsten der Beschwerdeführerin - von der Gültigkeit der Ehe aus.

Wie sich aus § 8 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 FrG ergebe, liege die Erteilung oder Versagung einer Niederlassungsbewilligung im Ermessen der Behörde. Die Ermessensentscheidung der belangten Behörde falle zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus, weil eine derartige Ehe (parallel zur Adoption) gegen den österreichischen "ordre public" verstoße. Die Grundwerte der gesamten Rechtsordnung sähen die Adoption nämlich als ein Rechtsinstitut an, das die familiären Beziehungen zwischen Eltern und Kindern möglichst weitgehend nachbilden solle. Auch wenn eine eheliche (und/oder sexuelle) Beziehung zwischen Adoptivkindern oder Adoptivelternteil nicht den Tatbestand der Blutschande erfüllen würde, bestehe dadurch doch eine erhebliche Beeinträchtigung der maßgeblichen gesellschaftlichen Grundwerte.

Durch den geschilderten Sachverhalt liege eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung vor, zumal die Beschwerdeführerin während des gesamten bisherigen Verfahrensverlaufes "durch die vorliegende Konstruktion (Adoption, Eheschließung, etc.) wiederholt Angaben vor den Behörden gemacht", und dazu unterstützende Unterlagen - je nach Bedarf unrichtige und unvollständige (z.B. Geburtsurkunde, die ihren nunmehrigen Ehegatten als ihren Vater ausweise) - vorgelegt habe. Damit liege der Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG vor.

Gemäß § 8 FrG habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen zu erfolgen. Zweifellos habe die Beschwerdeführerin ein persönliches Interesse daran, mit M. ein gemeinsames Familienleben zu führen. Trotzdem habe die Abwägung ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber ihren privaten Interessen absolute Priorität habe eingeräumt werden müssen; dies insbesondere unter Berücksichtigung, dass durch ihr Vorgehen (wiederholt falsche Angaben während des Verfahrensverlaufes) "insbesondere hinsichtlich der negativen Beispielwirkung - eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung erkannt werden musste". Zudem sei die von ihr mit M. nach ghanaischem Recht (trotz Eheverbotes zwischen Adoptiveltern und -kindern) geschlossene Ehe nach österreichischem Recht zumindest als sehr bedenklich im Hinblick auf den "ordre public" anzusehen.

2. Gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid (in diesem Umfang) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 8 Abs. 1 (erster Satz) FrG können Einreise- und Aufenthaltstitel Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12).

Nach § 8 Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde bei der Ausübung des in Abs. 1 eingeräumten Ermessens jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend (Z. 1) auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes, (Z. 2) auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit und (Z. 3) auf die besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung der öffentlichen Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2) insbesondere versagt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Nach § 19 Abs. 1 leg. cit. kann Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung eines Aufenthaltstitels bis auf weiteres gesichert erscheinen, und darf die Erstniederlassungsbewilligung - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).

Die in § 8 leg. cit. zusammengefassten materiellen Vorschriften über die Erteilung von Einreise- und Aufenthaltstiteln sind - sofern sie nicht ausdrücklich auf bestimmte Formen abgestellt sind - für die Erteilung jeglichen Einreise- und Aufenthaltstitels maßgeblich. Dies gilt vor allem für die in § 8 Abs. 1 leg. cit. postulierten Bedingungen eines gültigen Reisedokumentes und des Fehlens eines Versagungsgrundes und für die in § 8 Abs. 3 leg. cit. formulierte Determinierung des Ermessens. An diesen beiden Bestimmungen ist in jedem Einzelfall die Frage der Erteilung oder der Versagung des beantragten Einreise- oder Aufenthaltstitels zu messen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 99/21/0158).

Das Vorliegen der in § 10 Abs. 2 leg. cit. genannten Gründe hat nicht zwingend zur Versagung des Aufenthaltstitels zu führen. Die in § 8 Abs. 1 leg. cit. zu treffende Ermessensentscheidung setzt unter Beachtung der in § 8 Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien voraus, dass kein Versagungsgrund wirksam wird. Die in § 10 Abs. 2 leg. cit. vorgesehene Entscheidung, ob die Erteilung des Aufenthaltstitels wegen eines der dort angeführten Gründe versagt wird, ist daher der in § 8 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Ermessensentscheidung oder der Erteilung einer Bewilligung auf Grund eines Rechtsanspruches vorgeschaltet und nicht mit der Entscheidung gemäß § 8 leg. cit. ident (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2000, Zl. 99/19/0095).

2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass die Ehe der Beschwerdeführerin gegen den österreichischen "ordre public" verstoße und eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung bewirke, und bringt vor, dass nach ghanaischem Recht die Adoption im Wesentlichen nur "Fürsorge für eine Person" bedeute, was mit der Adoption nach österreichischem Recht nicht vergleichbar sei und auch kein Eheverbot bewirke. Nach ghanaischem Recht sei es auch möglich, die Adoption zu annullieren, was im Fall der Beschwerdeführerin - wie sich dies aus der notariellen Bestätigung vom 14. November 2000 ergebe - am 7. Dezember 1999 geschehen sei. Auch werde der Beschwerdeführerin zu Unrecht unterstellt, je nach "Bedarf" einander widersprechende Urkunden vorgelegt zu haben. Sie selbst habe keine wie immer gearteten Urkunden erstellt, sondern sie habe sich nach Aufforderung durch die österreichischen Behörden, entsprechende Urkunden beizubringen, an ihren Heimatstaat gewandt und seien von den ghanaischen Behörden die entsprechenden Urkunden ausgestellt worden. Hiebei ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass diese Urkunden gefälscht seien. Die belangte Behörde hätte allfällige Unklarheiten bezüglich dieser Urkunden bei den die Urkunden ausstellenden Behörden in Ghana abklären müssen und nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin werten dürfen. Weiters hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Gelegenheit bieten müssen, zu den Ermittlungsergebnissen eine Stellungnahme abzugeben. Jedenfalls habe sie keinen Einfluss darauf gehabt, in welcher Form die vorgelegten Urkunden von den Ausstellern verfasst worden seien.

Der Hinweis der belangten Behörde auf den "ordre public" sei auch deshalb nicht stichhältig, weil nach § 6 IPRG im Fall der Unvereinbarkeit der ausländischen Regelung mit den Grundwertungen des österreichischen Rechts die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechts anzuwenden sei und auch nach österreichischem Recht (§ 184 ABGB) die Adoption sogar rückwirkend aufgelöst werden könne sowie kein absolutes Eheverbot darstelle.

Ferner hätte die Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 FrG im Hinblick auf die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin, ihre finanzielle Situation, ihre vollständige Integration in Österreich und die Dauer ihres Aufenthaltes hier im Zusammenhang mit dem Umstand, dass sie seit März 2000 mit M. verheiratet sei, zu ihren Gunsten ausfallen müssen.

3.1. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich (u.a.) Folgendes:

Darin ist dem "Verlängerungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" vom 7. August 2000 eine mit 30. Jänner 1998 datierte, als "Certified Copy of Entry In Register Of Births" der "Republic of Ghana" bezeichnete Originalurkunde samt einer (deutschsprachigen) Übersetzung ("Certified correct translation") der "Ghana association of translaters and interpreters" angeschlossen, der zufolge es sich bei der genannten Originalurkunde um die beglaubigte Kopie einer Eintragung im Geburtenbuch eines näher genannten ghanaischen Regierungsbezirkes handle und darin als "Name des Vaters" der Name des M. aufscheine.

Mit Schreiben vom 9. Jänner 2002 stellte die BH an die österreichische Botschaft in Abidjan ein Ersuchen um Feststellung, in welcher Beziehung die Beschwerdeführerin tatsächlich zu M. stehe, und führte dazu (u.a.) aus, dass M. und F. (die Mutter der Beschwerdeführerin) die Geburtsurkunde vom 30. Jänner 1998 vorgelegt hätten und sich im Zug von Familienstreitigkeiten herausgestellt habe, dass deren Ehe bereits seit 9. März 1997 geschieden sei und die Beschwerdeführerin nicht die leibliche Tochter des M. sei. Im Verfahren über den im Juli 2001 von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft - ausgenommen Erwerbstätigkeit" seien Unterlagen über die Eheschließung von M. und der Beschwerdeführerin am 15. März 2000, Unterlagen über die Adoption der Beschwerdeführerin durch M. am 29. August 2000 und eine weitere Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin vom 2. Mai 2001 beigebracht worden, in der J. als Vater der Beschwerdeführerin aufscheine. Es stellten sich bei der Bearbeitung die Fragen, ob die Ehe zwischen M. und der Beschwerdeführerin nichtig sei und ob es möglich sei, dass die Beschwerdeführerin von M. adoptiert worden sei, obwohl sie bei der Adoption am 25. August 2000 bereits das 17. Lebensjahr vollendet gehabt habe und die leibliche Mutter der Adoption hätte zustimmen müssen. Auch sei unklar, ob M. und F. tatsächlich geschieden seien. Diesem Schreiben sind die Kopien mehrerer Urkunden, darunter die Kopie des vorgenannten Geburtenbuchauszuges vom 30. Jänner 1998, die Kopie einer eidesstattlichen Erklärung des J. vom 3. Oktober 2000 und der beglaubigten Übersetzung vom 13. Oktober 2000, wonach J. erkläre, der Vater der Beschwerdeführerin zu sein und diese am 15. März 2000 mit M. die Ehe geschlossen habe, die Kopie des weiteren, mit 2. Mai 2001 datierten Geburtenbuchauszuges (in der J. als Vater der Beschwerdeführerin aufscheint) und die Kopie einer beglaubigten Übersetzung des Adoptionsbeschlusses ("Bezirksgericht Ghana") vom 29. August 2000 angeschlossen.

Mit Schreiben vom 21. März 2002 übermittelte die genannte Botschaft an die BH das Auskunftsschreiben der Honorarkonsulin in Accra vom 19. März 2002, wonach es (nach ghanaischem Recht) nicht möglich gewesen sei, die Beschwerdeführerin zu adoptieren, weil diese bereits das 17. Lebensjahr überschritten gehabt habe, und strafbar sei, eine Adoptivtochter zu ehelichen.

Ferner wurde der BH von der belangten Behörde eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz vom 23. Mai 2002 übermittelt, der zufolge in Ghana familienrechtliche Rechtsgeschäfte oft nach Gewohnheitsrecht abgeschlossen würden, nähere Informationen über die Gewohnheitsrechte von Ghana über Eheschließung, Ehescheidung und Adoption dem Bundesministerium für Justiz nicht zur Verfügung stünden und bereits deshalb eine abschließende Einschätzung der familienrechtlichen Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und M. nicht möglich sei.

Mit Schreiben der BH vom 2. Juli 2002 an die Beschwerdeführerin (zugestellt am 8. Juli 2002) wurde ihr unter Bezugnahme auf von dieser vorgelegte Urkunden über ihre Eheschließung mit M. und ihre Adoption durch M. u.a. vorgehalten, dass der begründete Verdacht bestehe, dass der Behörde gefälschte Unterlagen vorlägen, und sie aufgefordert, sich dazu binnen sechs Wochen zu äußern.

Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2003 brachte die Beschwerdeführerin gegenüber der BH vor, dass ihre Ehe nach ghanaischem Recht wirksam zustande gekommen sei und sie nochmals die notariell beglaubigte Erklärung des J. samt Übersetzung vorlege.

Laut einem weiteren, in den Verwaltungsakten enthaltenen Schreiben der BH an die genannte österreichische Botschaft vom 23. September 2003 sei vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass die Adoption nicht mehr aufrecht wäre.

Am 21. Jänner 2004 erstattete der Gendarmerieposten Eugendorf bei der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen die Beschwerdeführerin Strafanzeige wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung, wozu ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführerin verdächtig sei, am 22. Juli 2003 einen total gefälschten ghanaischen Führerschein, lautend auf ihren Namen, der BH zur Umschreibung auf einen österreichischen Führerschein vorgelegt zu haben.

Mit Schreiben vom 8. April 2004 und 26. April 2004 übermittelte die Botschaft an die BH u.a. mehrere Schreiben eines Vertrauensanwaltes in Ghana, dem zufolge nach ghanaischen Gesetzen M. die Beschwerdeführerin nicht habe heiraten dürfen, und eine Reihe von Dokumenten.

3.2. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid zwar von der Gültigkeit der von der Beschwerdeführerin mit M. im Jahr 2000 (nach ghanaischem Recht) geschlossenen Ehe aus, sie erachtet jedoch den Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG als erfüllt, weil die Beschwerdeführerin während des gesamten Verfahrens "durch die vorliegende Konstruktion (Adoption, Eheschließung, etc.) wiederholt Angaben vor den Behörden gemacht" und dazu unterstützende Unterlagen - je nach Bedarf unrichtige und unvollständige (z.B. Geburtsurkunde, die ihren nunmehrigen Ehegatten als ihren Vater ausweise) - vorgelegt habe.

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen hat die Beschwerdeführerin im Jahr 2000 M. nach ghanaischem Recht geheiratet, nachdem er sich im Jahr 1997 von F., der leiblichen Mutter der Beschwerdeführerin, nach ghanaischem Recht hatte scheiden lassen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass M. doch nicht der leibliche Vater, wie sich dies zuerst aus der ursprünglichen Geburtsurkunde ergeben habe, sei, habe sie geltend gemacht, dass sie von M. adoptiert worden sei. Weiters führt die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung nach § 8 FrG ins Treffen, dass zwischen Adoptiveltern und Adoptivkindern ein Eheverbot bestehe, und geht mit diesen Ausführungen somit erkennbar - neben der wirksamen Eheschließung der Beschwerdeführerin mit M. - auch vom Bestehen eines Adoptionsverhältnisses zwischen diesen aus.

Wenn die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vorwirft, "je nach Bedarf" - somit offensichtlich gemeint: mit dem Vorsatz, die österreichischen Behörden zu täuschen - "z.B." eine unrichtige bzw. unvollständige Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, weil diese den nunmehrigen Ehegatten M., als ihren (leiblichen) Vater ausgewiesen habe, so reichen die im angefochtenen Bescheid getroffenen weiteren Feststellungen als tragfähige Grundlage für diesen Vorwurf nicht aus, legt die belangte Behörde doch nicht dar, aus welchen Gründen sie etwa den (in den Verwaltungsakten enthaltenen) Geburtenbuchauszug vom 30. Jänner 1998 als von der Beschwerdeführerin oder mit deren Billigung gefälschte oder verfälschte Urkunde halte. Auch enthält der angefochtene Bescheid keine Feststellungen etwa dahingehend, dass diese Urkunde nicht von einer ghanaischen Behörde mit diesem Inhalt ausgestellt worden sei oder dass der Aussteller der Urkunde von Seiten der Beschwerdeführerin oder einer anderen Person zur Beurkundung eines unrichtigen Inhaltes bewegt worden sei.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2002 forderte die BH die Beschwerdeführerin zwar unter Bezugnahme auf von dieser vorgelegte Urkunden über ihre Eheschließung mit M. und ihre Adoption durch M. auf, sich zum Vorwurf der Vorlage von gefälschten Unterlagen zu äußern. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich jedoch nicht, dass eine solche Aufforderung der BH (oder der belangten Behörde) an die Beschwerdeführerin auch in Bezug auf den vorgelegten Geburtenbuchauszug ergangen sei. Wenn daher die Beschwerde vorbringt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei und bei Wahrung dieses Rechtes hätte "klarlegen" können, dass die Urkunden von den Organen ihres Heimatstaates ausgestellt worden seien und sie keinen Einfluss auf die Abfassung der Urkunden gehabt habe, so kann dieser Verfahrensrüge insoweit die Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Im Übrigen steht der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gegen die Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf der Vorlage von richtigen und unvollständigen Unterlagen sowie der "vorliegenden Konstruktion (Adoption, Eheschließung, etc.)", soweit sich dieser Vorwurf auf die vorgelegten Urkunden betreffend die Eheschließung der Beschwerdeführerin und ihre Adoption durch M. bezieht, im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen der belangten Behörde, die von der Gültigkeit der Adoption und der Eheschließung ausgehen.

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG vorliege, findet somit in Anbetracht der genannten Feststellungs- und Begründungsmängel und des Umstandes, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einerseits den Vorwurf macht, "durch die vorliegende Konstruktion (Adoption, Eheschließung, etc.) wiederholt Angaben vor den Behörden gemacht und dazu unterstützende Unterlagen - je nach Bedarf - unrichtige und unvollständige (z.B. Geburtsurkunde, die ihren nunmehrigen Ehegatten als ihren Vater ausweist) vorgelegt" zu haben, andererseits jedoch von der Rechtswirksamkeit der Adoption und der Eheschließung im Jahr 2000 ausgeht, im angefochtenen Bescheid keine tragfähige Grundlage. Dieser erweist sich daher schon insoweit als mangelhaft.

4. In Bezug auf die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die Ehe der Beschwerdeführerin "(parallel zur Adoption)" gegen den österreichischen "ordre public" verstoße - womit die belangte Behörde (entgegen dem Inhalt des obzitierten Schreibens der BH an die österreichische Botschaft von Abidjan vom 9. Jänner 2002) davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin vor ihrer Eheschließung adoptiert worden sei -, ist noch auf Folgendes hinzuweisen:

Nach dem IPRG (Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978) sind die Form der Eheschließung im Ausland und die Voraussetzungen der Eheschließung nach dem Personalstatut jedes der Verlobten sowie die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt und der Beendigung der Wahlkindschaft nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes, sofern sich auf Grund von Rück- und Weiterverweisung kein anderer Anknüpfungspunkt ergibt (vgl. dazu § 5), zu beurteilen (vgl. im Näheren insbesondere die §§ 9, 16 ff, 26).

Gemäß § 6 IPRG ("Vorbehaltsklausel (ordre public(") ist eine Bestimmung des fremden Rechtes nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist, und ist an ihrer Stelle erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH ist berufenes fremdes Recht im Inland auch dann anzuwenden, wenn es vom österreichischen Recht erheblich abweicht. Von der grundsätzlichen Anwendungspflicht sind gemäß § 6 IPRG nur jene konkreten Bestimmungen ausgenommen, deren Anwendung im Ergebnis zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung führen würde ("negativer ordre public"). Von dieser Ausnahme ist sparsamster Gebrauch zu machen, keinesfalls ist ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften bereits ein "ordre public"-Verstoß. Schutzobjekt sind primär die "Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung" und nicht subjektive Rechtspositionen von Inländern (vgl. dazu Schwimann in Rummel, ABGB-Kommentar2, § 6 IPRG Rz 1).

Gemäß § 10 Ehegesetz soll eine Ehe nicht geschlossen werden zwischen einem angenommenen Kind und seinen Abkömmlingen einerseits und dem Annehmenden andererseits, solange das durch die Annahme begründete Rechtsverhältnis besteht.

Dieses Eheverbot der Wahlverwandtschaft stellt ein schlichtes Eheverbot dar. Eine trotzdem geschlossene Ehe ist deshalb weder aufhebbar noch nichtig. Die - im Fall des Widerrufs der Adoption rückwirkende - Beendigung des Wahlkindschaftsverhältnisses lässt auch das Eheverbot wegfallen (vgl. Pichler in Rummel, aaO, § 10 EheG Rz 1 und 2).

In Anbetracht dieser Regelungen kann die Auffassung der belangten Behörde, dass die Ehe der Beschwerdeführerin "parallel zur Adoption" gegen den österreichischen "ordre public" verstoße, nicht geteilt werden. Diesbezüglich hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weshalb sich der angefochtene Bescheid auch seinem Inhalt nach als rechtswidrig erweist.

Von daher erübrigte es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen, dass die Adoption am 7. Dezember 1999 aufgehoben und annulliert worden sei.

5. Der angefochtene Bescheid war somit im Umfang des Spruchpunktes II. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Jänner 2007

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004180374.X00

Im RIS seit

01.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.12.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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