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L00152 Unabhängiger Verwaltungssenat Kärnten;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Oktober 2006, Zl. Senat-FR-06-1079, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Asylantrages aus dem Jahr 2003 am 26. September 2006 einen neuen Asylantrag. Am 2. Oktober 2006 wurde über ihn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG verhängt und er erhob durch seinen Vertreter am 12. Oktober 2006 Schubhaftbeschwerde. Diese mit Telefax übermittelte Beschwerde langte am selben Tag bei der belangten Behörde ein und wurde zur Zl. Senat-FR-06-1078 protokolliert. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2006 wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde ab und stellte fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, die zur Zl. 2006/21/0311 protokolliert wurde.
Nachdem die bereits genannte Schubhaftbeschwerde vom 12. Oktober 2006 auf dem Postweg am 16. Oktober 2006 bei der belangten Behörde (nochmals) einlangte, wurde sie zur Zl. Senat-FR- 06-1079 protokolliert und mit Bescheid vom 20. Oktober 2006 wieder mit dem Ausspruch abgewiesen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Gegen den letztgenannten Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:
Die §§ 80, 82 und 83 FPG lauten auszugsweise:
"Dauer der Schubhaft
§ 80. ...
6) Soll der Fremde länger als sechs Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das sechste Monat überschritten wurde, und danach alle acht Wochen vom örtlich zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen zu überprüfen. Die Behörde hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass den unabhängigen Verwaltungssenaten eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Der unabhängige Verwaltungssenat hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
...
Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat
§ 82. (1) Der Fremde hat das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,
1.
wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
2.
wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.
...
Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat
§ 83. ...
(4) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden."
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde über ein und dieselbe Schubhaftbeschwerde zwei Mal entschieden, wobei (auch) der zweite Bescheid nunmehr in Beschwerde gezogen wurde. Dieser ist mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behaftet. Hat nämlich die Berufungsbehörde (der unabhängige Verwaltungssenat) über ein Rechtsmittel bereits rechtswirksam entschieden, so wird durch eine neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel im selben Rechtsgang der Grundsatz des "ne bis in idem" verletzt und es wird eine nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch genommen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1988, Zl. 88/18/0333, und vom 26. Mai 1999, Zl. 98/03/0243).
Es seien die Besonderheiten des Schubhaftbeschwerdeverfahrens nicht verkannt, dass betreffend Anhaltung in Schubhaft einer späteren Beschwerde nur dann "entschiedene Sache" entgegen gehalten werden kann, wenn sich diese Beschwerde auf einen Zeitraum bezieht, über den bereits bescheidmäßig abgesprochen worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2006, Zlen. 2005/21/0260 u.a.) und dass die Feststellung über das Vorliegen der für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen gemäß § 83 Abs. 4 FPG einen neuen Schubhafttitel bildet. Zum einen wird aber dadurch dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht die Kompetenz eingeräumt, über dieselbe Schubhaftbeschwerde ein zweites Mal zu entscheiden, zum anderen könnte - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - durch die Schaffung neuer Hafttitel der Erfolg einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof vereitelt werden. Auch diese Besonderheiten des Schubhaftbeschwerdeverfahrens geben somit den unabhängigen Verwaltungssenaten nicht die Zuständigkeit, über eine Schubhaftbeschwerde außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG nochmals zu entscheiden. Betont sei, dass die belangte Behörde vorliegend nicht im Rahmen des § 80 Abs. 6 FPG entschieden hat und im Übrigen die zeitlichen Voraussetzungen für eine derartige Vorgangsweise auch noch nicht vorgelegen wären.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. Jänner 2007
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenRechtskraft Besondere Rechtsprobleme BerufungsverfahrenRechtsverletzung sonstige FälleBesondere RechtsgebieteZurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210349.X00Im RIS seit
02.03.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009