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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der L, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 4. Mai 2005, Zl. Fr 334/1-2004, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 20. April 2004 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine armenische Staatsangehörige, gemäß den §§ 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Begründend führte die Erstbehörde aus, die Beschwerdeführerin sei am 4. Juli 2001 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 6. Juli 2001 einen Asylantrag gestellt. Dieser sei in erster Instanz "negativ entschieden" worden, das Berufungsverfahren sei anhängig.
Am 4. November 2002 habe sie das Bezirksgericht für Strafsachen Graz wegen der §§ 15 und 127 StGB (versuchter Diebstahl von drei Bekleidungsstücken im Wert von zusammen EUR 92,70 am 22. Mai 2002) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen (im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) rechtskräftig verurteilt.
Weiters habe das Landesgericht für Strafsachen Graz am 18. Juli 2003 über sie wegen der §§ 15, 127 und 130 StGB eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten (davon acht Monate bedingt nachgesehen) verhängt. Sie habe gemeinsam mit drei weiteren armenischen Staatsangehörigen am 10. Mai 2002 in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, 17 Flaschen Parfum im Gesamtwert von EUR 635,30 zu stehlen versucht.
Die gewerbsmäßige Tatbegehung begründe, woran auch die (verhältnismäßig kurze) Zeit des Wohlverhaltens nichts ändere, die Annahme, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und schließe die Ausübung des behördlichen Ermessens im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG zu ihren Gunsten aus.
Zu berücksichtigen sei, dass sich der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin (A.) und der gemeinsame (am 18. Juni 1999 geborene) Sohn S. im Bundesgebiet aufhielten. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes führe daher zu einem Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 37 FrG. Dieser Eingriff sei allerdings zur Wahrung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen notwendig, weil von der Beschwerdeführerin "eine kriminelle Energie aus(gehe), welche sie zu einer massiven Gefährdung der öffentlichen Sicherheit werden" lasse. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin seien daher weniger schwer wiegend als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme. Dazu komme, dass über A. wegen verschiedener gerichtlich strafbarer Handlungen bereits rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen worden sei, dessen Durchsetzung lediglich an der aufschiebenden Wirkung einer von A. erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gescheitert sei.
Die Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbotes entspräche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel der Beschwerdeführerin erwartet werden könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und verwies in der Begründung auf die Ausführungen im Erstbescheid. Die Prognosebeurteilung und die Ermessensübung durch die Erstbehörde seien zutreffend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).
Im § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).
Die Beschwerdeführerin tritt den behördlichen Feststellungen betreffend ihre strafgerichtlichen Verurteilungen und die ihnen zu Grunde liegenden Tathandlungen nicht entgegen, weshalb keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde bestehen, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei.
Es besteht auch kein Zweifel am Vorliegen der im § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme, dass ihr weiterer Aufenthalt im Inland dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer zuwiderlaufen würde. Hieran ändert auch die teilbedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe nichts, zumal die Fremdenbehörde die genannte Prognosebeurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2006, Zl. 2005/21/0105, mwN).
Die Beschwerdeführerin bringt zu der nach § 37 FrG angestellten Beurteilung der belangten Behörde vor, sie lebe "seit zumindest 2001 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft" (mit A.), aus der zwei minderjährige Kinder entstammten (neben dem am 18. Juni 1999 geborenen S. weiters ihr am 10. März 2005 in Österreich geborener Sohn N). Die Verhängung bzw. Durchsetzung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes stellte einen wesentlichen und entscheidenden Eingriff in ihr Privat- und Familienleben dar:
"Eine Trennung der Familie, welche durch das Durchsetzen des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes unwiederbringlich wäre, würde das gemeinsame Familienleben vollständig zerstören und den beiden mj. Kindern die Möglichkeit nehmen, entweder gemeinsam mit ihrer Mutter oder gemeinsam mit ihrem Vater aufzuwachsen." Die Beschwerdeführerin halte sich seit mehr als vier Jahren legal im Bundesgebiet auf und lebe in einem gemeinsamen Familienverband mit ihrem Lebensgefährten A. und den gemeinsamen Kindern.
Bei dieser Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin allerdings, dass auch über ihren Lebensgefährten A. rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, sodass auch er das österreichische Bundesgebiet zu verlassen haben wird. Seine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/21/0045, dem die Einzelheiten des Verfahrens entnommen werden können und worauf gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, als unbegründet abgewiesen. Es sind somit - für den Fall der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages - keine Umstände ersichtlich, die einem gemeinsamen Familienleben der Beschwerdeführerin mit A. und den beiden gemeinsamen Kindern im Heimatstaat entgegenstünden. Das Aufenthaltsverbot ist somit trotz inländischer Integration des gemeinsamen Sohnes S. und der Geburt eines weiteren Kindes am 10. März 2005 zulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2003/21/0175).
Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung - zumal gewerbsmäßig begangener - Straftaten gegen fremdes Vermögen und an der somit gebotenen Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte auch die Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausgehen, zumal als integrationsbegründender Umstand von nennenswertem Gewicht lediglich der inländische Aufenthalt von rund drei Jahren und zehn Monaten herangezogen werden kann.
Im Übrigen bemängelt die Beschwerdeführerin fehlende Manuduktion durch die belangte Behörde und wirft ihr unzureichende - mit den Bestimmungen der §§ 58 und 60 AVG nicht im Einklang stehende - Sachverhaltsfeststellungen vor. Dabei zeigt sie allerdings nicht konkret auf, zu welchen weiteren Feststellungen das von der belangten Behörde gewünschte Verhalten geführt hätte, sodass die Relevanz eines (allfälligen) Verfahrens- und Begründungsmangels nicht dargelegt wird.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Jänner 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005210338.X00Im RIS seit
26.02.2007