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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwere des W I, (geboren 1975), in L, vertreten durch Mag. Heimo Lindner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 35 B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. Mai 2006, Zl. St 39/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Mai 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, gemäß § 62 Abs. 1 iVm §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetztes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein mit zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer habe nach seinen im Asylverfahren gemachten Angaben unmittelbar nach seiner illegalen Einreise am 21. Februar 2005 am Flughafen Wien-Schwechat einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei zugelassen, der Beschwerdeführer sei gemäß § 13 des Asylgesetzes 2005 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Er verfüge über keinerlei Identitätsdokumente, seine Identität stehe nicht fest.
Am 24. November 2006 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 (vierter Fall) und Abs. 3 (erster Fall) SMG und § 27 Abs. 1 (sechster Fall) und Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) SMG sowie wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 (erster und zweiter Fall) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon zwölf Monate bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden, weil er 1.) Suchtgift in einer mehr als zweifachen großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt habe, indem er in der Zeit von Ende August 2005 bis Ende September 2005 in Teilmengen insgesamt 859g Cannabisharz zum kommissionsweisen Weiterverkauf an andere überlassen habe, und
2.) in der Zeit vom Sommer 2005 bis 21. Oktober 2005 in mehreren Teilmengen eine insgesamt unbekannte Menge an Cannabisharz sowie zumindest je einmal eine unbekannte Menge an Kokain und Morphin erworben und am 11. September 2005 weitere 50g Cannabisharz besessen habe.
Der Tatbestand des § 62 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei schon insofern erfüllt, als der Beschwerdeführer nach dem besagten Urteil zu der genannten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Ferner sei die Erlassung des Rückkehrverbots dringend erforderlich, weil Verbrechen nach dem SMG eine beachtliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mit sich brächten. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Rückkehrverbots auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden.
Schon im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und hier vor allem der Jugendlichen, die Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt seien, sei die vorliegende, sicherlich in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten. Hinsichtlich der persönlichen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers sei auszuführen, dass sich dieser erst seit ca. einem Jahr in Österreich aufhalte. Er habe selbst keine verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen im Bundesgebiet geltend gemacht. Auch habe er nicht dargelegt, dass er in beruflicher oder sozialer Weise in Österreich integriert wäre. Da im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbots wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Rückkehrverbot auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG. Da Verbrechen nach dem SMG eine hohe Wiederholungsgefahr aufwiesen und sich der Beschwerdeführer während seines kurzen inländischen Aufenthalts bereits in schwerster Weise strafbar gemacht habe, könne eine Interessensabwägung nicht zu seinen Gunsten ausschlagen.
Auf dem Boden des Gesagten sei auch von der Ermessensbestimmung des § 60 (richtig: § 62) Abs. 1 FPG zu Lasten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, weil eine Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbots die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung. Angesichts dieser Verurteilung erweist sich die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 (zweiter Fall) FPG verwirklicht sei, als unbedenklich.
1.2. In Anbetracht des unstrittig festgestellten, der besagten Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers besteht auch gegen die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die Annahme gemäß § 62 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Fehlverhalten gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, verstoßen. Die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr hat sich beim Beschwerdeführer dadurch manifestiert, dass er dem SMG über einen längeren Zeitraum zuwidergehandelt hat. Zudem hat der Beschwerdeführer sein Fehlverhalten auch gewerbsmäßig mit Beziehung auf ein Suchtmittel im zweifachen Umfang einer "großen Menge" iSd § 28 Abs. 6 SMG (eine große Menge ist eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen) begangen.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den angefochtenen Bescheid mit Blick auf § 66 FPG. Er befinde sich nunmehr seit beinahe zwei Jahren in Österreich und habe sich intensiv bemüht, sich hier sozial zu integrieren. Er verfüge über einen festen Wohnsitz, wo er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin lebe. Ferner habe sich der Beschwerdeführer stets darum bemüht, eine geregelte Beschäftigung aufzunehmen, allerdings gestalte sich auf Grund seines Status als Asylwerber die Aufnahme einer ordnungsgemäßen Beschäftigung als schwierig, weil "entsprechende Arbeitsbewilligungen" kaum erteilt würden. Das verhängte Rückkehrverbot greife unzulässig stark in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein. Dieser Eingriff wiege unverhältnismäßig schwerer als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbots.
2.2. Die belangte Behörde hat auf dem Boden ihrer Feststellungen zutreffend einen mit dem vorliegenden Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 3 FPG angenommen. Ebenso zutreffend ist sie aber - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - zu dem Ergebnis gelangt, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, an der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und am Schutz der Gesundheit massiv beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung des großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 iVm § 62 Abs. 3 FPG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer familiäre Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht zukommen. Diese Ausführungen zieht der Beschwerdeführer nicht in Zweifel. Ferner wendet sich der Beschwerdeführer nicht dagegen, dass er (wie im angefochtenen Bescheid ebenfalls festgehalten) in beruflicher Weise nicht in Österreich integriert sei, vielmehr räumt er ein, dass sich für ihn die Aufnahme einer ordnungsgemäßen Beschäftigung als schwierig gestalte. Von daher sowie auf Grund der bisher noch nicht langen Dauer seines Aufenthalts sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (auch unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Lebensgefährtin) insgesamt als nur schwach ausgeprägt zu erachten. Ferner hat die für die Integration des Beschwerdeführers in Österreich maßgebliche soziale Komponente durch das ihm zur Last liegende Gesamtfehlverhalten erheblich gelitten. Vor diesem Hintergrund treten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig beeinträchtigten Allgemeininteresse an der Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen zurück.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. Jänner 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006180416.X00Im RIS seit
23.02.2007Zuletzt aktualisiert am
09.11.2011