Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Heinz Abel (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Markus D*****, Bauspengler, ***** vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2001, GZ 12 Rs 290/00d-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. September 2000, GZ 16 Cgs 124/00g-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 4. März 1968 geborene Kläger erlitt am 16. 8. 1983 einen Arbeitsunfall. Er stürzte während seiner Tätigkeit als Spenglerlehrling im Betrieb der Firma Herwig K***** von einem Dach. Er wurde nach dem Unfall im Krankenhaus Grieskirchen stationär behandelt. Eine Verletzungsanzeige an die beklagte Partei wurde nicht erstattet. Diese erhielt erstmals am 12. Oktober 1999 anlässlich einer Vorsprache des Klägers Kenntnis von dem Unfall.
Als Folge des Unfalls besteht beim Kläger zumindest seit 12. Oktober 1999 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 20 vH.
Mit Bescheid vom 5. April 2000 hat die beklagte Partei das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt und dem Kläger ab 12. Oktober 1999 eine Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente zuerkannt.
Das Erstgericht erkannte dem Kläger entsprechend dem angefochtenen Bescheid eine Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente ab 12. Oktober 1999 zu und wies das Mehrbegehren auf Zuerkennung der Versehrtenrente bereis ab 16. August 1983 ab. Da innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls keine Unfallanzeige erstattet worden sei, gelte der Zeitpunkt des Einlangens der Unfallanzeige beim Unfallversicherungsträger als Tag der Einleitung des Verfahrens, sodass dem Kläger eine Versehrtenrente erst ab dem Tag der Antragstellung, dem 12. Oktober 1999, zustehe. Dass der Kläger zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles noch minderjährig gewesen sei spiele keine Rolle.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass sich die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auch nicht aus dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung ableiten lasse, da das ASVG kein Institut kenne, das den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahre, wenn ihm ohne sein Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich gewesen sei. Abgesehen davon, dass für den zum Unfallszeitpunkt minderjährigen Kläger die Möglichkeit der Mitantragstellung gemäß § 361 Abs 2 ASVG bestanden hätte, könne aus den Regeln des bürgerlichen Rechts nicht abgeleitet werden, dass die Folgen der Säumnis des gesetzlichen Vetreters bezüglich der Anspruchsdurchsetzung beim Sozialversicherungsträger auf diesen überwälzt werden sollten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass in Fällen, in denen der gesetzliche Vertreter seine Verpflichtung, allfällige Rentenansprüche des Minderjährigen geltend zu machen, nicht wahrgenommen habe, eine rückwirkende Leistungsverpflichtung der Sozialversicherung bestehe, obwohl sie mangels Kenntnis keinerlei Möglichkeit gehabt habe, den Sachverhalt ohne übermäßige Beweisschwierigkeiten zu erheben.Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass sich die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auch nicht aus dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung ableiten lasse, da das ASVG kein Institut kenne, das den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahre, wenn ihm ohne sein Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich gewesen sei. Abgesehen davon, dass für den zum Unfallszeitpunkt minderjährigen Kläger die Möglichkeit der Mitantragstellung gemäß Paragraph 361, Absatz 2, ASVG bestanden hätte, könne aus den Regeln des bürgerlichen Rechts nicht abgeleitet werden, dass die Folgen der Säumnis des gesetzlichen Vetreters bezüglich der Anspruchsdurchsetzung beim Sozialversicherungsträger auf diesen überwälzt werden sollten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass in Fällen, in denen der gesetzliche Vertreter seine Verpflichtung, allfällige Rentenansprüche des Minderjährigen geltend zu machen, nicht wahrgenommen habe, eine rückwirkende Leistungsverpflichtung der Sozialversicherung bestehe, obwohl sie mangels Kenntnis keinerlei Möglichkeit gehabt habe, den Sachverhalt ohne übermäßige Beweisschwierigkeiten zu erheben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Zuerkennung einer Versehrtenrente als Dauerrente von 20 vH im gesetzlichen Ausmaß ab 16. 8. 1983. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die beklagte Partei, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend, sodass es genügt, auf deren Richtigkeit zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend, sodass es genügt, auf deren Richtigkeit zu verweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
Der Kläger steht in der Revision auf dem Standpunkt, dass einem zum Unfallszeitpunkt mündigen Minderjährigen im Verfahren vor dem Versicherungsträger keine Prozessfähigkeit zugekommen wäre. Die Unterlassung der Antragstellung hätte seinerzeit der Einwilligung beider Elternteile sowie der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft, die aber nicht eingeholt worden sei. Der Kläger selbst habe weder im Jahr 1983 noch innerhalb der Zweijahresfrist des § 86 Abs 4 ASVG ein Recht zur Verfolgung der Ansprüche aus dem Arbeitsunfall gehabt. Somit könne die Unterlassung oder Säumnis bei der Antragstellung keinesfalls zu seinen Lasten gehen. Im übrigen sei mit Erreichen der Großjährigkeit keine Heilung des Mangels eingetreten; dies könne frühestens zu einem Zeitpunkt geschehen sein, in dem der Kläger darauf aufmerksam geworden sei, dass er aufgrund der Unfallfolgen einen Rentenanspruch habe. Aus diesem Grund wäre zur Frage, seit wann beim Kläger ein Gesundheitszustand bestehe, der die Gewährung einer Versehrtenrente aus dem Arbeitsunfall vom 16. August 1983 rechtfertige, ein medizinisches Gutachten einzuholen gewesen.Der Kläger steht in der Revision auf dem Standpunkt, dass einem zum Unfallszeitpunkt mündigen Minderjährigen im Verfahren vor dem Versicherungsträger keine Prozessfähigkeit zugekommen wäre. Die Unterlassung der Antragstellung hätte seinerzeit der Einwilligung beider Elternteile sowie der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft, die aber nicht eingeholt worden sei. Der Kläger selbst habe weder im Jahr 1983 noch innerhalb der Zweijahresfrist des Paragraph 86, Absatz 4, ASVG ein Recht zur Verfolgung der Ansprüche aus dem Arbeitsunfall gehabt. Somit könne die Unterlassung oder Säumnis bei der Antragstellung keinesfalls zu seinen Lasten gehen. Im übrigen sei mit Erreichen der Großjährigkeit keine Heilung des Mangels eingetreten; dies könne frühestens zu einem Zeitpunkt geschehen sein, in dem der Kläger darauf aufmerksam geworden sei, dass er aufgrund der Unfallfolgen einen Rentenanspruch habe. Aus diesem Grund wäre zur Frage, seit wann beim Kläger ein Gesundheitszustand bestehe, der die Gewährung einer Versehrtenrente aus dem Arbeitsunfall vom 16. August 1983 rechtfertige, ein medizinisches Gutachten einzuholen gewesen.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles weder der Anspruch von Amts wegen festgestellt noch ein Antrag auf Feststellung des Anspruches gestellt wurde, fallen Leistungen aus der Unfallversicherung nach § 86 Abs 4 ASVG mit dem Tag der späteren Antragstellung bzw mit dem Tag der Einleitung des Verfahrens an, das zur Feststellung des Anspruches führt.Wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles weder der Anspruch von Amts wegen festgestellt noch ein Antrag auf Feststellung des Anspruches gestellt wurde, fallen Leistungen aus der Unfallversicherung nach Paragraph 86, Absatz 4, ASVG mit dem Tag der späteren Antragstellung bzw mit dem Tag der Einleitung des Verfahrens an, das zur Feststellung des Anspruches führt.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 208/99g (DRdA 2000, 179) im Zusammenhang mit einer Invaliditätspension ausgeführt hat, lässt sich die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auch aus dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten (§ 361 Abs 1 Z 2 ASVG; SSV-NF 11/156 mwN; RIS-Justiz RS0085092). Das Gesetz kennt kein Institut, das den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahrt, wenn ihm ohne sein Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich war (SSV-NF 4/21; RIS-Justiz RS0085841). Auf die Gründe einer späteren Antragstellung nach § 86 Abs 4 ASVG kommt es ganz allgemein nicht an (SSV-NF 14/17 - im Druck).Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 208/99g (DRdA 2000, 179) im Zusammenhang mit einer Invaliditätspension ausgeführt hat, lässt sich die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auch aus dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten (Paragraph 361, Absatz eins, Ziffer 2, ASVG; SSV-NF 11/156 mwN; RIS-Justiz RS0085092). Das Gesetz kennt kein Institut, das den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahrt, wenn ihm ohne sein Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich war (SSV-NF 4/21; RIS-Justiz RS0085841). Auf die Gründe einer späteren Antragstellung nach Paragraph 86, Absatz 4, ASVG kommt es ganz allgemein nicht an (SSV-NF 14/17 - im Druck).
In der Entscheidung SSV-NF 11/156 wurde näher dargelegt, dass auch eine analoge Anwendung des § 86 Abs 3 Z 1 ASVG, der auf eine Antragstellung innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit abstellt, nicht in Betracht kommt. Gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber die Ausnahmsfälle des § 86 Abs 3 Z 1 ASVG sehr genau und detailliert umschrieb, spricht dafür, dass sich aus dieser Ausnahmeregelung kein verallgemeinerungsfähiger Grundsatz ableiten lässt (SSV-NF 10/6).In der Entscheidung SSV-NF 11/156 wurde näher dargelegt, dass auch eine analoge Anwendung des Paragraph 86, Absatz 3, Ziffer eins, ASVG, der auf eine Antragstellung innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit abstellt, nicht in Betracht kommt. Gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber die Ausnahmsfälle des Paragraph 86, Absatz 3, Ziffer eins, ASVG sehr genau und detailliert umschrieb, spricht dafür, dass sich aus dieser Ausnahmeregelung kein verallgemeinerungsfähiger Grundsatz ableiten lässt (SSV-NF 10/6).
Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer Versehrtenrente verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.
Anmerkung
E62818 10C02221European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:010OBS00222.01X.0730.000Dokumentnummer
JJT_20010730_OGH0002_010OBS00222_01X0000_000