TE OGH 2001/7/30 10ObS217/01m

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Veröffentlicht am 30.07.2001
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Heinz Abel (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Bochera E*****, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerberstraße 15 - 19, 1103 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Krankengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. April 2001, GZ 10 Rs 118/01y-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 6. November 2000, GZ 17 Cgs 104/00h-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt lauten:

1. Der Anspruch des Klägers auf Krankengeld besteht für den Zeitraum vom 14. 10. 1999 bis 25. 11. 1999 dem Grunde nach zu Recht.

Der Anspruch auf Krankengeld ruht ab seinem Anfall bis einschließlich 25. 11. 1999.

2. Das weitere Begehren, für den Zeitraum vom 14. 10. 1999 bis 25. 11. 1999 die Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge Krankheit festzustellen, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters die mit S 19.215,12 (darin enthalten S 3.186,52 Umsatzsteuer und S 96,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 10. 2. 1966 geborene Kläger steht in einem aufrechten Dienstverhältnis zur Firma Johann A***** AG und ist bei der beklagten Partei krankenversichert. Der Kläger verbrachte im Zeitraum von 27. September 1999 bis 13. Oktober 1999 seinen Urlaub in seiner Heimatstadt Kairo, Ägypten. Am 10. Oktober 1999 erlitt der Kläger eine Verletzung des rechten Knies und begab sich zur Behandlung ins Krankenhaus Omar Ben Khatab, wo ein Bänderriss diagnostiziert und dem Kläger sechswöchige Bettruhe verordnet wurde. Der Kläger erhielt Medikamente sowie eine Kniebandage und wurde zur Kontrolluntersuchung in einem Monat bestellt. Die Kontrolluntersuchung erfolgte am 12. 11. 1999. Zu diesem Zeitpunkt traten nach wie vor Schmerzen auf. Dem Kläger wurde - neben einer Umstellung der Medikation - für weitere zwei Wochen Ruhe verordnet und eine Laparoskopie empfohlen. Über seinen Urlaub hinaus hielt sich der Kläger bis einschließlich 25. 11. 1999 in Kairo auf. Die beklagte Partei hat dem Kläger keine Zustimmung zum Auslandsaufenthalt in Ägypten erteilt.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2000 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Anerkennung seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 14. 10. 1999 bis 25. 11. 1999 abgelehnt.

Der Kläger erhob dagegen Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge Krankheit im Zeitraum vom 14. 10. 1999 bis 25. 11. 1999 anzuerkennen und ihm für diese Zeitspanne Krankengeld zu gewähren. Aus der vom Kläger vorgelegten Bestätigung des behandelnden Spitals gehe eindeutig hervor, dass dem Kläger sechswöchige Bettruhe verordnet worden sei; während dieser Zeit sei er im Spital behandelt und kontrolliert worden. Die beklagte Partei habe dem Auslandsaufenthalt des Klägers zumindest nachträglich ihre Zustimmung erteilt. Das Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung liege auch darin, dass der Dienstgeber die Auszahlung von Krankengeld bzw weiterer Bezüge davon abhängig mache, dass die beklagte Partei den Auslandsaufenthalt als Krankenstand anerkenne.

Die beklagte Partei beantragt die Zurückweisung des Feststellungsbegehrens hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit und die Abweisung des Klagebegehrens auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 14. 10. bis 25. 11. 1999. Wohl sei der Kläger laut Bestätigung des Krankenhauses Omar Ben Khattab in Kairo am 14. 10. 1999 dort untersucht worden, wobei ein Bandriss im rechten Knie diagnostiziert worden sei; für den Zeitraum nach dem 14. 10. 1999 bis zum 25. 11. 1999 lägen jedoch keine Befund-, Behandlungs-, Kontroll- oder Operationsberichte vor, aus denen eine laufende Krankenbehandlung bzw eine sich daraus ergebende Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ersichtlich sei. Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankengeld sei nicht nur die Arbeitsunfähigkeit als Folge der Krankheit, sondern auch das Erfordernis der Krankenbehandlung. Dafür habe der Antragsteller die zur Feststellung erforderlichen Urkunden beizubringen, was aber nicht geschehen sei. Im übrigen würde das Krankengeld für die Dauer des Auslandsaufenthalts in Ägypten ruhen. Das Feststellungsbegehren betreffend die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei unzulässig, da die Frage, ob ein Versicherungsfall eingetreten sei, keine Streitigkeit über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass der Krankengeldanspruch für die Dauer des Auslandsaufenthalts des Klägers ruhe, weil im Verhältnis zu Ägypten weder ein zwischenstaatliches Abkommen noch eine Verordnung zur Wahrung der Gegenseitigkeit bestehe; auch eine Zustimmung der beklagten Partei zum Auslandsaufenthalt liege nicht vor. Aus der Aufforderung, ärztliche Befunde beizubringen, könne keine konkludente Zustimmung zum Auslandsaufenthalt abgeleitet werden. Das Leistungsbegehren auf Krankengeld sei daher nicht berechtigt. Da der Kläger für den Zeitraum von 14. 10. bis 25. 11. 1999 ein Leistungsbegehren auf Krankengeld erhoben habe, fehle es ihm am rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung, da er durch das Leistungsbegehren bereits die Möglichkeit habe, weitergehenden Rechtsschutz zu erhalten. Im übrigen würde ein stattgebendes Feststellungsurteil gegenüber dem Arbeitgeber keine Bindungswirkung entfalten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Ein Feststellungsbegehren werde durch die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens ausgeschlossen, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch erschöpft werde. Dies sei hier der Fall, weil das auf Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit gerichtete Feststellungsbegehren den gleichen Zeitraum umfasse wie das Begehren auf Krankengeld. Die Entscheidung, ob der Krankenversicherungsträger einen Auslandsaufenthalt genehmige, liege in seinem freien Ermessen und könne nicht im gerichtlichen Verfahren überprüft werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unabhängig davon, ob die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung abhängt (§ 46 Abs 1 ASGG), zulässig, weil es sich beim noch strittigen Anspruch auf Krankengeld um eine wiederkehrende Leistung handelt (SSV-NF 2/47 ua) und gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG im Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen die Revision auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist.Die Revision ist unabhängig davon, ob die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung abhängt (Paragraph 46, Absatz eins, ASGG), zulässig, weil es sich beim noch strittigen Anspruch auf Krankengeld um eine wiederkehrende Leistung handelt (SSV-NF 2/47 ua) und gemäß Paragraph 46, Absatz 3, Ziffer 3, ASGG im Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen die Revision auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Paragraph 46, Absatz eins, ASGG zulässig ist.

Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Pflichtversicherte haben aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld (§ 138 Abs 1 ASVG). Die genannte Bestimmung ist so zu verstehen, dass der Anspruch auf Krankengeld bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalles entsteht, die Leistung jedoch erst am vierten Tag nach Eintritt des Versicherungsfalles anfällt (SSV-NF 8/36).Pflichtversicherte haben aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld (Paragraph 138, Absatz eins, ASVG). Die genannte Bestimmung ist so zu verstehen, dass der Anspruch auf Krankengeld bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalles entsteht, die Leistung jedoch erst am vierten Tag nach Eintritt des Versicherungsfalles anfällt (SSV-NF 8/36).

Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gilt mit dem Beginn der durch eine Krankheit herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit als eingetreten (§ 120 Abs 1 Z 2 ASVG). Die Arbeitsunfähigkeit kann gleichzeitig mit dem Eintritt des Versicherungsfalles der Krankheit selbst einsetzen oder aber auch erst in einem späteren Zeitpunkt eintreten. Sie ist gegeben, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (SSV-NF 5/19).Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gilt mit dem Beginn der durch eine Krankheit herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit als eingetreten (Paragraph 120, Absatz eins, Ziffer 2, ASVG). Die Arbeitsunfähigkeit kann gleichzeitig mit dem Eintritt des Versicherungsfalles der Krankheit selbst einsetzen oder aber auch erst in einem späteren Zeitpunkt eintreten. Sie ist gegeben, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (SSV-NF 5/19).

Angesichts der erstgerichtlichen Feststellungen, dass der Kläger am 10. 10. 1999 einen Bänderriss erlitt und ihm vorerst sechswöchige Bettruhe verordnet wurde, anläßlich einer Kontrolluntersuchung am 12. 11. 1999 weitere zwei Wochen Ruhe, ist von der Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge Krankheit für den hier maßgeblichen Zeitraum von 14. 10. 1999 bis 25. 11. 1999 auszugehen, sodass auch ein Anspruch auf Krankengeld begründet ist.

Das ASVG kennt mehrere Tatbestände des Ruhens des Anspruchs auf Krankengeld (§ 143 ASVG, § 89 ASVG). Nach § 89 Abs 1 Z 3 ASVG ruhen Geldleistungen in der Krankenversicherung, solange sich der Anspruchsberechtigte im Ausland aufhält. In der in § 89 Abs 2 ASVG vorgesehenen Ausnahme (Zweimonatszeitraum) sind Ansprüche aus der Krankenversicherung nicht genannt. Gemäß § 89 Abs 3 ASVG tritt der Ruhensgrund wegen Auslandsaufenthalts nicht ein, wenn durch ein zwischenstaatliches Übereinkommen oder durch eine Verordnung, die der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf, zur Wahrung der Gegenseitigkeit anderes bestimmt wird oder wenn der Versicherungsträger dem Anspruchsberechtigten die Zustimmung zum Auslandsaufenthalt erteilt.Das ASVG kennt mehrere Tatbestände des Ruhens des Anspruchs auf Krankengeld (Paragraph 143, ASVG, Paragraph 89, ASVG). Nach Paragraph 89, Absatz eins, Ziffer 3, ASVG ruhen Geldleistungen in der Krankenversicherung, solange sich der Anspruchsberechtigte im Ausland aufhält. In der in Paragraph 89, Absatz 2, ASVG vorgesehenen Ausnahme (Zweimonatszeitraum) sind Ansprüche aus der Krankenversicherung nicht genannt. Gemäß Paragraph 89, Absatz 3, ASVG tritt der Ruhensgrund wegen Auslandsaufenthalts nicht ein, wenn durch ein zwischenstaatliches Übereinkommen oder durch eine Verordnung, die der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf, zur Wahrung der Gegenseitigkeit anderes bestimmt wird oder wenn der Versicherungsträger dem Anspruchsberechtigten die Zustimmung zum Auslandsaufenthalt erteilt.

Zwischen Österreich und Ägypten besteht kein entsprechendes Übereinkommen, und es existiert auch keine innerstaatliche Verordnung, dass bei wechselseitigem Aufenthalt der Versicherten kein Ruhen der Geldleistungen in der Krankenversicherung eintritt. Gegenteiliges wird auch vom Revisionswerber nicht behauptet. Er hätte daher nur dann Anspruch auf Geldleistungen, wenn ihm von der beklagten Partei die Zustimmung zum Auslandsaufenthalt erteilt worden wäre.

Auf die Frage, ob eine Verweigerung der (in das Ermessen des Sozialversicherungsträgers gestellten) Zustimmung zu einem Auslandsaufenthalt überhaupt gerichtlich überprüfbar ist (verneinend:

OLG Wien SSV 25/2; 22/6 mwN ua; Kuderna, ASGG2 428; bejahend im Zusammenhang mit einer Klagsführung des Versicherten gegen den entsprechenden Ruhensbescheid: Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995], 175), muss hier nicht weiter eingegangen werden. Die beklagte Partei hat - ausgehend von den vorinstanzlichen Feststellungen - eine Zustimmung zum Auslandsaufenthalt nicht erteilt. Aus diesem Grund ist von einem Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Krankengeld ab seinem Anfall auszugehen. Da sich der Kläger nach den Feststellungen bis einschließlich 25. 11. 1999 in Kairo aufhielt, dauert das Ruhen bis zu diesem Zeitpunkt an.

Darauf, ob auch der Ruhenstatbestand nach § 143 Abs 1 Z 3 ASVG erfüllt ist, ist nicht mehr einzugehen.Darauf, ob auch der Ruhenstatbestand nach Paragraph 143, Absatz eins, Ziffer 3, ASVG erfüllt ist, ist nicht mehr einzugehen.

Ungeachtet des Umstands des Ruhens ist der Krankengeldanspruch aber - wie oben dargestellt - dem Grunde nach zu bejahen. Damit fällt jedoch das rechtliche Interesse an der vom Kläger begehrten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (von ihm als Anerkennung des Krankenstandes bezeichnet) weg, weil mit dem Ausspruch über die Berechtigung des Anspruchs auf Krankengeld die Feststellung des der Leistungspflicht zugrundeliegenden Versicherungsfalls miterfasst ist. Insoweit ist das Klagebegehren abzuweisen (MietSlg XLIV/44; SZ 54/126 uva).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Im Revisionsverfahren gebührt der Einheitssatz lediglich im Ausmaß von 60%.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera a, ASGG. Im Revisionsverfahren gebührt der Einheitssatz lediglich im Ausmaß von 60%.

Anmerkung

E62815 10C02171

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:010OBS00217.01M.0730.000

Dokumentnummer

JJT_20010730_OGH0002_010OBS00217_01M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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