Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** KEG, ***** vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. S***** OEG, 2. Michael S*****, und 3. Birgit P*****, sämtliche ***** wegen S 68.750,-- sA infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Juni 2001, GZ 37 R 254/01d-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 17. April 2001, GZ 9 C 586/01h-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird aufgetragen, das gesetzliche Verfahren über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrte die Zahlung von S 68.750. Die erstbeklagte Partei habe im Lokal der klagenden Partei eine Veranstaltung für 76 Personen abwickeln lassen, die von der klagenden Partei hiefür gelegte Rechnung sei aber nicht bezahlt worden. Der Zweit- und die Drittbeklagte seien persönlich haftende Gesellschafter der erstbeklagten Partei. Das zwischen der klagenden und der erstbeklagten Partei geschlossene Rechtsgeschäft sei ein beiderseitiges Handelsgeschäft. Die Zuständigkeit des Erstgerichts gründe sich auf § 49 Abs 2 Z 7 JN.
Das Erstgericht wies die Klage a limine zurück. Nach den Angaben der klagenden Partei sei die erstbeklagte Partei Kaufmann und für den Rechtsstreit daher das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Eigenzuständigkeit des Erstgerichts als "allgemeines Bezirksgericht" sei zu verneinen, weil der erstbeklagten Partei als Organisatorin einer Veranstaltung nicht die Stellung eines Gastes zukäme, so dass § 49 Abs 2 Z 7 JN nicht zur Anwendung komme. Nur Streitigkeiten zwischen Wirten und Gästen fielen unter den genannten Zuständigkeitstatbestand.
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ergibt sich schon aus dem Text des § 49 Abs 2 Z 7 JN, dass nicht nur Streitigkeiten zwischen Wirten und deren Gästen über die aus diesen Verhältnissen entspringenden Verpflichtungen, sondern auch zwischen Wirten und ihren Auftraggebern unter den Zuständigkeitstatbestand des § 49 Abs 2 Z 7 JN zu subsumieren sind. Es wird nämlich den Reedern, Schiffern, Flößern, Fuhrleuten und Wirten einerseits generell die Gruppe der Auftraggeber, Reisenden und Gäste andererseits gegenübergestellt, ohne dass eine spezielle Zuordnung zu einzelnen der angeführten Personengruppen erfolgte. Damit ergibt sich schon aus der sprachlichen Fassung der Gesetzesbestimmung, dass alle Streitigkeiten zwischen Wirten einerseits und deren Auftraggebern andererseits vor dem allgemeinen Bezirksgericht (keine Handelsgerichtsbarkeit!) abgewickelt werden sollten. Als geradezu selbstverständlich verstehen Simotta (in Fasching, Kommentar2 Rz 110 zu § 49 JN; LB2 Rz 249) und Mayr (in Rechberger ZPO2 Rz 12 zu § 49 JN) § 49 Abs 2 Z 7 JN in diesem Sinne. Auch das Handelsgericht Wien hat bereits in einer Entscheidung (WR 511) ausgesprochen, dass es unmaßgeblich sei, ob jemand ein Geschäft mit einem Gastwirt als Gast oder für seine Kunden abschließe, weil das Gesetz als Vertragspartner der im § 49 Abs 2 Z 7 JN aufgezählten Berufsgruppen ohne exakte Zuordnung auch deren Auftraggeber nenne.
Die von der Revisionsrekurswerberin aufgeworfene Frage, ob nicht auch die Organisatoren gastronomischer Veranstaltungen unter den Begriff "Gast" zu subsumieren seien, muss demnach gar nicht mehr beantwortet werden; es sprechen aber gute Gründe für die Bejahung dieser Frage, ist doch auch der Begriff des "Wirtes" im § 49 Abs 2 Z 7 JN weit zu fassen und auf alle analogen Verhältnisse der Gastaufnahme anzuwenden (WR 511; 3 Ob 559/90; SZ 44/156; Fasching, Kommentar2 Rz 109 zu § 49 JN; Mayr aaO).
Der Vollständigkeit halber ist klarzustellen, dass eine Zurückweisung der Klage aus dem vom Erstgericht verwendeten Grund, dass nämlich Handelsgerichtsbarkeit vorliege, nicht in Frage kommt, weil § 49 Abs 2 Z 7 JN die Zuständigkeit des allgemeinen Bezirksgerichts ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands normiert, § 52 JN aber nur auf die Wert- und nicht auf die Eigenzuständigkeit abstellt (WR 511; Mayr aaO).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E62775European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00198.01A.0817.000Im RIS seit
16.09.2001Zuletzt aktualisiert am
23.02.2011