Index
10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §15 Abs2Leitsatz
Zurückweisung von Beschwerden eines Rechtsanwaltes gegen Bescheide der OBDK aufgrund mangelnder Sachverhaltsdarstellung und fehlender Bezugnahme auf einen Artikel des B-VG; keine behebbaren Formgebrechen; Unzulässigkeit der Verweisung auf Schriftsätze in anderen VerfahrenSpruch
I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Anträge, die Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten werden abgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit Beschluß des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: Disziplinarrat) vom 14. November 2000 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §19 Abs3 Z1 litd Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter 1990 (im Folgenden: DSt 1990) die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Berufsausübung als Rechtsanwalt verhängt.
1.2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK), verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Letzterer wurde vom Disziplinarrat mit Beschluß vom 28.6.2001 zurückgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer ebenfalls Berufung an die OBDK erhob.
1.3. Mit Bescheid vom 4. April 2001, Z14 Bkd 3, 4/01 gab die OBDK diesen beiden Berufungen keine Folge.
1.4. Gegen diesen Bescheid der OBDK richtet sich die zu B970/01 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
2.1. Mit Beschluß des Disziplinarrates vom 7. Mai 2001 wurde die einstweilige Maßnahme verlängert. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der OBDK vom 15. Oktober 2001, 14 Bkd 6,7/01-10 keine Folge gegeben.
2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B1563/01 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerden erwogen:
Die Beschwerden sind aus folgenden Gründen unzulässig:
1.2. Auf Seite 2 der zu B970/01 protokollierten Beschwerde wird der Verfahrensablauf vor dem Disziplinarrat und vor der OBDK geschildert.
Sodann behauptet die Beschwerde - pauschal und unsubstantiiert - die Verletzung in verschiedenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, die vom Beschwerdeführer wie folgt bezeichnet werden: "der Grundsatz des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes des zuständigen Richters und der grundsätzlichen verfassungsgemäßen Abwicklung eines Verfahrens", "Grundsatz des fairen und ordentlichen Verfahrens", "Grundsatz des ordentlichen Richters", "Verfassungsgrundsatz der freien Berufsausbildung", "die freie Berufswahl", "der freien Vereinsbildung", "Grundsatz des Schutzes der persönlichen Freiheit", "Recht der freien Vermögensbildung", "der Freizügigkeit des Verkehrs" sowie der "freien Meinungsäußerung".
Weiters wird in der Beschwerde auch ein als Anregung zu deutender "Antrag" gestellt, die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsnormen, insbesondere den gesetzlich vorgesehenen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung (gemeint: den gemäß §57 Abs2 DSt 1990 vorgesehenen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung bei Rechtsmitteln gegen einstweilige Maßnahmen gemäß §19 DSt 1990) auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
1.3. Die Beschwerden enthalten jedoch keine Darstellung jenes "Sachverhalts, aus dem der Antrag hergeleitet wird", im Sinne des §15 Abs2 VfGG:
a) Die zu B970/01 protokollierte Beschwerde enthält lediglich im Rahmen des Vorwurfs, der angefochtene Bescheid verstoße "gegen die Unschuldsvermutung", den Hinweis, daß dem Beschwerdeführer "bisher immer nur der Vorwurf gemacht werden konnte", daß er nicht bereit sei, "Angaben über den Verbleib des Kaufschillings zu machen". Er sei nicht verpflichtet, derartige Angaben zu machen, insbesondere da "es" sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit handle und es dem Beschwerdeführer "als Anwalt in eigener Sache [zustehe], entsprechende Rechtsüberlegungen anzustellen".
b) Auch die zu B1563/01 protokollierte Beschwerde enthält kein Vorbringen, dem zu entnehmen ist, welches tatsächliche Geschehen ihr eigentlich zugrundeliegt. Neben weitwendigen Ausführungen, in denen der Beschwerdeführer die Zusammensetzung der OBDK und die Besoldung deren Mitglieder, die Art und Weise des Zustellvorgangs des erstinstanzlichen Bescheides, sowie das System der "Zwangsmitgliedschaft" bei den Rechtsanwaltskammern einer allgemeinen Kritik unterzieht, finden sich vereinzelt auf bestimmte Sachverhaltselemente hindeutende Passagen. So ist die Rede von einem Strafverfahren, in dem der Beschwerdeführer (wegen Veruntreuung eines nicht näher genannten Geldbetrages) verurteilt wurde, von einem zivilrechtlichen Vergleich, sowie davon, daß "die Vertrauensschadensversicherung eingesprungen ist", ohne daß dies näher konkretisiert wird.
Aufgrund der Beschwerden ist in keiner Weise erkennbar, welches tatsächliche Geschehen geschildert werden soll; vielmehr wird die Kenntnis des Sachverhaltes in den jeweiligen Beschwerdevorbringen als bekannt vorausgesetzt.
In dieser fragmentartigen "Andeutung" des den Beschwerden zugrundeliegenden realen Geschehens liegt keinesfalls eine Darstellung des Sachverhalts im Sinne des §15 Abs2 VfGG. Aus den in der Beschwerde vorgetragenen Sachverhaltshinweisen ist auch nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang diese zueinander stehen. Insbesondere geht aus den Beschwerden nicht einmal ansatzweise hervor, in welchem Zusammenhang über den Beschwerdeführer eine einstweilige Maßnahme verhängt wurde, welcher Vorwurf dieser Maßnahme zugrundeliegt, welches Verhalten der Beschwerdeführer (seiner Ansicht nach) tatsächlich gesetzt hat und welche tatsächlichen Umstände vorliegen, die den angefochtenen Bescheid als verfassungswidrig erscheinen lassen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, erstmals im Wege der Einsicht in die Verwaltungsakten zu ermitteln, welche tatsächlichen Vorgänge Gegenstand einer Beschwerde sind.
2.1. Die "Darstellung des Sachverhaltes, aus dem der Antrag hergeleitet wird" gemäß §15 Abs2 VfGG dient dazu, dem Verfassungsgerichtshof noch vor der Vorlage der Verwaltungsakten in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht eine Würdigung des der Beschwerde zugrundeliegenden Lebenssachverhaltes zu ermöglichen. Das Fehlen einer solchen Darstellung, die ein notwendiges Beschwerdeelement darstellt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht als bloßes Formgebrechen, sondern als inhaltlicher Mangel der Beschwerde zu beurteilen, der einer Verbesserung nach §18 VfGG nicht zugänglich ist (vgl. VfSlg. 11354/1987, 11611/1988, 12630/1991, 12925/1991, 13100/1992, 15415/1999).
2.2. Soweit aber in den Beschwerden auf Schriftsätze in anderen Verfahren verwiesen wird (zB "der gesamte Inhalt der Beschwerde des Beschwerdeführers vom 6.12.2000 an die OBDK wird zum Inhalt der gegenständlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben"), ist darauf nicht einzugehen, da Verweisungen auf andere, nicht in einem verbundenen Verfahren erstattete Schriftsätze im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof grundsätzlich unzulässig sind (VfSlg. 11611/1988, 12577/1990, 15458/1999).
3. Dazu kommt, daß die Eingaben keine Bezugnahme auf einen Artikel des B-VG enthalten, auf Grund dessen der Verfassungsgerichtshof angerufen wird. Gemäß §15 Abs2 VfGG ist jedoch für Anträge an den Verfassungsgerichtshof (unter anderem) dieses Erfordernis zwingend vorgeschrieben. Das Fehlen dieses Erfordernisses in einer Eingabe stellt - wie der Verfassungsgerichtshof schon des öfteren ausgesprochen hat (vgl. etwa VfSlg. 8733/1980, 11243/1987, 12442/1990) - keinen verbesserungsfähigen Formmangel, sondern einen inhaltlichen Fehler dar.
Dieses Erfordernis mußte im Übrigen gerade dem (rechtskundigen) Beschwerdeführer vor Einbringung der vorliegenden Eingaben bekannt gewesen sein, weil der Verfassungsgerichtshof bereits zuvor eine von ihm eingebrachte Beschwerde aus diesem Grund zurückgewiesen hat (VfSlg. 15985/2000).
4. Ist eine Eingabe jedoch mit inhaltlichen Fehlern behaftet, so führt dies zu ihrer Zurückweisung.
5. Die als Abtretungsanträge zu deutenden Anträge, die Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof "überzuleiten", waren abzuweisen, weil nach Art144 Abs3 B-VG (und §87 Abs3 VfGG) eine solche Abtretung für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde nicht vorgesehen ist (davon abgesehen, daß eine Abtretung der vorliegenden Beschwerde auch deshalb nicht zulässig wäre, weil es sich beim angefochtenen Bescheid um eine Entscheidung in einer Angelegenheit handelt, die von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nach Art133 Z4 B-VG ausgeschlossen ist).
6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / FormerfordernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B970.2001Dokumentnummer
JFT_09979076_01B00970_2_00