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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der S KEG in L, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner und Mag. Georg Wageneder, Rechtsanwälte in 4490 St. Florian, Marktplatz 10, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 2. September 2005, Zl. BMSG-228909/0003-II/A/3/2005, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. A in L; 2. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77; 3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Gegenschrift des Arbeitsmarktservice Oberösterreich wird zurückgewiesen.
Begründung
Im Akt befindet sich die Kopie einer als "freier Dienstvertrag" benannten Vereinbarung vom 9. November 2001, wonach der Erstmitbeteiligte ausgebildeter Taxilenker ist und diese Tätigkeit für die Beschwerdeführerin im Rahmen dieser Vereinbarung ausüben werde.
Am 17. September 2002 gab der Erstmitbeteiligte vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse niederschriftlich im Wesentlichen zu Protokoll, nachdem er Mitte Oktober 2001 die Taxilenkerprüfung abgelegt habe, habe er sich bei S (Geschäftsführer der Beschwerdeführerin) vorgestellt. Er habe ihm mitgeteilt, dass er nur nebenberuflich Taxi lenken könne, weil er im Hauptberuf Objektleiter eines Reinigungsunternehmens sei. Er sei daher von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr im Hauptberuf tätig und könne in dieser Zeit nicht Taxi lenken. Das sei für S kein Problem gewesen. S habe dem Erstmitbeteiligten mitgeteilt, dass er 40 % vom Umsatz erhalten werde. Mit S sei vereinbart, dass der Erstmitbeteiligte grundsätzlich am Montag und am Freitag nach seinem Dienst frühestens von 17.30 Uhr bis 21.30 Uhr fahre. Außerdem fahre er auch am Sonntag entweder vormittags oder nachmittags fünf bis sechs Stunden. Wenn er einmal an den vereinbarten Tagen nicht fahren könne, rufe er S an und sage entweder ab oder verschiebe seinen Dienst auf einen anderen Tag. S teile dem Erstmitbeteiligten kurzfristig telefonisch mit, mit welchem Taxi er fahren solle, wo es abzuholen und auch wieder abzustellen sei. Das Auto stehe meistens bei dem Unternehmen S und beim Hauptfahrer R. Es gebe aber keine Probleme bei der gemeinsamen Benützung des Autos, weil nur S sage, ob der Erstmitbeteiligte fahren könne oder nicht. Das Auto sei vom Standort abzuholen und dort wieder hinzubringen. Die Fahraufträge erhalte der Erstmitbeteiligte über die Taxizentrale. Mit seiner Codenummer melde er sich bei der Zentrale an und nach Dienstschluss auch wieder ab. Außerdem gebe er die Nummern der Standplätze ein, auf denen er sich befinde. Dies müsse bekannt sein, damit der Computer das dem Fahrgast nächstgelegene Taxi eruieren könne. Die Abrechnung erfolge monatlich, weil der Erstmitbeteiligte selten fahre. Er schreibe Wochenberichte, in die er Datum, Zeit, Kilometerstand, Einnahmen, AST-Fahren und Ausgaben (z.B. Tanken) eintrage. Nach Ende des Dienstes bereite er ein Kuvert vor, in das er das vereinnahmte Geld und einen Bericht für diesen einen Dienst dazulege (Tagesbericht). Im Kofferraum sei eine Box, in die er dieses Kuvert einwerfe. Einmal monatlich verfasse der Erstmitbeteiligte einen Wochenbericht (da er nur ca. 10 bis 12 Mal pro Monat fahre, reiche der Platz aus), den er S übergebe. Dieser Bericht sei Basis für die Abrechnung. Bisher habe der Erstmitbeteiligte monatlich ca. EUR 200,-- bis EUR 300,-- verdient. Dabei fahre er abends ein- bis zweimal die Woche und am Sonntag. Samstag fahre der Erstmitbeteiligte nicht. Sein Entgelt bekomme er in bar. Die vertragliche Regelung über die Einsatzzeiten sei für ihn nicht wichtig. Er selbst habe noch nie einen Vertreter geschickt und wüsste auch gar nicht wen. Wenn er nicht fahren könne, rufe er S an und sage ihm ab.
Nach einem Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 8. März 2005 ausgesprochen, dass der Erstmitbeteiligte hinsichtlich der für die Beschwerdeführerin ausgeübten Tätigkeit als Taxilenker vom 1. November 2001 bis einschließlich 31. März 2002 als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG der Vollversicherung (Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) sowie der Arbeitslosenversicherung unterlegen sei. Weiters habe für diese Tätigkeit Teilversicherung in der Unfallversicherung vom 1. April 2002 bis 30. September 2002 bestanden.
Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben und ausgesprochen, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin vom 1. November 2001 bis einschließlich 31. März 2002 als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG der Vollversicherung sowie gemäß § 1 Abs. 2 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung unterlegen sei. Weiters habe für diese Tätigkeit Teilversicherung in der Unfallversicherung vom 1. April 2002 bis 30. September 2002 bestanden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen und Ersatz für den Vorlageaufwand begehrt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat, ebenso wie das Arbeitsmarktservice Oberösterreich, eine Gegenschrift erstattet. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen. Die sonstigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vorliegende Fall gleicht hinsichtlich des wesentlichen Sachverhaltes und der Rechtslage jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Zl. 2005/08/0176, zugrunde gelegen ist.
Im vorliegenden Fall liegt zwar neben der Tätigkeit als Taxilenker auch eine andere ("hauptberufliche") Tätigkeit des Erstmitbeteiligten vor. Dieser Umstand allein bewirkt aber nicht, dass nicht auch zur Beschwerdeführerin ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit bestehen kann. Insbesondere bedeutet die hauptberufliche Tätigkeit des Erstmitbeteiligten nicht, dass eine zeitliche Bindung hinsichtlich der Tätigkeit als Taxilenker damit bereits von vornherein ausgeschlossen wäre. Auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil er auch aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit ein Entgelt bezogen hat.
Außerdem wurde, anders als im Fall des genannten Erkenntnisses, hier hinsichtlich eines bestimmten Zeitraumes eine bloße Teilversicherungspflicht in der Unfallversicherung festgestellt. Diese ist auf Grund des § 7 Z. 3 lit. a ASVG iVm § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG bei lediglich geringfügiger Beschäftigung gegeben und davon unabhängig, ob ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 oder Abs. 4 ASVG vorliegt; dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen kommt daher insoweit keine Berechtigung zu.
Abgesehen davon ist aber auch der gegenständliche Bescheid auf Grund der im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/08/0176, genannten Gründe, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zur Gänze mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Die Gegenschrift des Arbeitsmarktservice Oberösterreich war zurückzuweisen, da das Arbeitsmarktservice über keine eigenen subjektiv öffentlichen Rechte verfügt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2004/08/0055) und daher nicht die Stellung der mitbeteiligten Partei haben kann.
Wien, am 31. Jänner 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005080177.X00Im RIS seit
14.05.2007