TE Vfgh Beschluss 2002/9/24 B1361/02

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §15 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung von Beschwerden eines Rechtsanwaltes gegen Bescheide der OBDK aufgrund mangelnder Sachverhaltsdarstellung und fehlender Bezugnahme auf einen Artikel des B-VG; keine behebbaren Formgebrechen; Unzulässigkeit der Verweisung auf Schriftsätze in anderen Verfahren

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Über den Beschwerdeführer wurde die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Berufsausübung als Rechtsanwalt verhängt. Der Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer (in der Folge: Disziplinarrat) wies einen Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung dieser Maßnahme mit Bescheid vom 16. Jänner 2002 ab. Mit dem angefochtenen Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (in der Folge: OBDK) wurde der gegen diesen Bescheid des Disziplinarrates erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid der OBDK richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerde ist aus folgenden Gründen unzulässig:

1.2. In der Beschwerde wird - wörtlich zitiert - im Wesentlichen vorgebracht, daß der Beschwerdeführer, der sich "aufgrund seines bedingungslosen Einsatzes für seine Klienten nicht das Wohlwollen der Rechtsanwaltskammer erworben [habe]", einem "Vernichtungsfeldzug" ausgesetzt sei. Es könne nur als "Hohn" bezeichnet werden, daß nunmehr durch die "Einnahme eines zivilrechtlichen Standpunkts des Beschwerdeführers als Privatperson plötzlich eine Gefahr für die rechtssuchende Bevölkerung gegeben" sei. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Bestehen einer Zwangsmitgliedschaft zur Rechtsanwaltskammer, welche "jede freie Berufsausübung" unterbinde und der Meinungsfreiheit widerspreche. Über den Beschwerdeführer sei in rechtswidriger Weise eine einstweilige Maßnahme verhängt worden, und die bisher getroffenen Entscheidungen würden das Recht auf "faire Verfahrensabwicklung" und auf "Verfahrensabwicklung in zumutbarer Zeit" verletzen. Es sei außer Acht gelassen worden, daß die Verhängung einer einstweiligen Maßnahme über eine Dauer von sechs Monaten nicht statthaft sei. Es widerspreche dem "verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung", daß eine einstweilige Maßnahme vom Disziplinarrat verhängt werden könne und nicht als Strafe anzusehen sei. Die "Vorgänge gegenüber dem Beschwerdeführer" würden, so die Beschwerde, "an der Verfassung vorbeigeleitet". Die Zusammensetzung der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission mit Richtern des OGH und Anwaltsrichtern sei verfassungswidrig, weil sie von vornherein jede Objektivität vermissen lasse.

Der Beschwerdeführer habe lediglich "als Privatperson von seinen zivilrechtlichen Rechten in einem Verlassenschaftsverfahren Gebrauch gemacht", weshalb alle ihm gegenüber gesetzten "Maßnahmen" rechtswidrig seien. Es sei gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen worden, weil die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfahren nur dazu gedient hätten, Beweismaterial zu beschaffen. Von einem Strafgericht sei er fehlerhaft verurteilt worden, weil er des Verbrechens der Veruntreuung schuldig gesprochen worden sei, weil er zivilrechtlich geltend gemachte Forderungen nicht erfüllt habe. Der Oberste Gerichtshof habe ein "Fehlurteil" verkündet aber noch nicht schriftlich ausgefertigt. Es bestünden verfassungswidrige Querverbinungen zwischen der OBDK und dem OGH. Die einstweilige Maßnahme verstoße gegen das verfassungsrechtliche Doppelbestrafungsverbot.

2.1. Die gemäß §15 Abs2 VfGG erforderliche "Darstellung des Sachverhaltes, aus dem der Antrag hergeleitet wird" dient dazu, dem Verfassungsgerichtshof noch vor der Vorlage der Verwaltungsakten in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht eine Würdigung des der Beschwerde zugrundeliegenden Lebenssachverhaltes zu ermöglichen. Das Fehlen einer solchen Darstellung, die ein notwendiges Beschwerdeelement darstellt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht als bloßes Formgebrechen, sondern als inhaltlicher Mangel der Beschwerde zu beurteilen, der einer Verbesserung nach §18 VfGG nicht zugänglich ist (vgl. VfSlg. 11354/1987, 11611/1988, 12630/1991, 12925/1991, 13100/1992, 15415/1999).

2.2. Die Beschwerde enthält jedoch keine Darstellung jenes "Sachverhalts, aus dem der Antrag hergeleitet wird", im Sinne des §15 Abs2 VfGG:

Aufgrund des Beschwerdevorbringens ist in keiner Weise erkennbar, welches tatsächliche Geschehen geschildert werden soll; vielmehr wird die Kenntnis des Sachverhaltes als bereits bekannt vorausgesetzt.

In den (oben zitierten) Beschwerdeausführungen, die nicht über eine bloße Andeutung des realen Geschehens hinausgehen, liegt keinesfalls eine Darstellung des Sachverhalts im Sinne des §15 Abs2 VfGG. Aus den in der Beschwerde vorgetragenen Hinweisen ist auch nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang diese zueinander stehen. Insbesondere geht aus der Beschwerde nicht ansatzweise hervor, in welchem Zusammenhang über den Beschwerdeführer eine einstweilige Maßnahme verhängt wurde, welcher Vorwurf dieser Maßnahme zugrundeliegt, welches Verhalten der Beschwerdeführer (seiner Ansicht nach) tatsächlich gesetzt hat und welche tatsächlichen Umstände vorliegen, die den angefochtenen Bescheid als verfassungswidrig erscheinen lassen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, erstmals im Wege der Einsicht in die Verwaltungsakten zu ermitteln, welche tatsächlichen Vorgänge Gegenstand einer Beschwerde sind.

2.3. Soweit aber in der Beschwerde auf Schriftsätze in anderen Verfahren verwiesen wird, ist darauf nicht einzugehen, da Verweisungen auf andere, nicht in einem verbundenen Verfahren erstattete Schriftsätze im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof grundsätzlich unzulässig sind (VfSlg. 11611/1988, 12577/1990, 15458/1999).

3. Dazu kommt, daß die Eingaben keine Bezugnahme auf einen Artikel des B-VG enthalten, auf Grund dessen der Verfassungsgerichtshof angerufen wird. Gemäß §15 Abs2 VfGG ist jedoch für Anträge an den Verfassungsgerichtshof (unter anderem) dieses Erfordernis zwingend vorgeschrieben. Das Fehlen dieses Erfordernisses in einer Eingabe stellt - wie der Verfassungsgerichtshof schon des öfteren ausgesprochen hat (vgl. etwa VfSlg. 8733/1980, 11243/1987, 12442/1990) - keinen verbesserungsfähigen Formmangel, sondern einen inhaltlichen Fehler dar.

Dieses Erfordernis mußte im Übrigen gerade dem (rechtskundigen) Beschwerdeführer vor Einbringung der vorliegenden Eingabe bekannt gewesen sein, weil der Verfassungsgerichtshof bereits zuvor eine von ihm eingebrachte Beschwerde aus diesem Grund zurückgewiesen hat (VfSlg. 15958/2000).

4. Ist eine Eingabe jedoch mit inhaltlichen Fehlern behaftet, so führt dies zu ihrer Zurückweisung.

5. Der als Abtretungsantrag zu deutende Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof "überzuleiten", war abzuweisen, weil nach Art144 Abs3 B-VG (und §87 Abs3 VfGG) eine solche Abtretung für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde nicht vorgesehen ist (davon abgesehen, daß eine Abtretung der vorliegenden Beschwerde auch deshalb nicht zulässig wäre, weil es sich beim angefochtenen Bescheid um eine Entscheidung in einer Angelegenheit handelt, die von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nach Art133 Z4 B-VG ausgeschlossen ist).

6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1361.2002

Dokumentnummer

JFT_09979076_02B01361_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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