TE OGH 2001/9/5 9ObA197/01p

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Veröffentlicht am 05.09.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef B*****, derzeit ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Evamaria Sluka-Grabner, Rechtsanwältin in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei L***** Handels Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Brandstetter, Pritz & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen S 88.280,42 brutto sA, über die Revision (Revisionsinteresse S 86.654,70) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 2001, GZ 9 Ra 7/01t-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. April 2000, GZ 5 Cga 188/99i-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.871,68 (darin S 1.145,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bewarb sich aufgrund eines Zeitungsinserates bei der beklagten Partei und wurde zu zwei Vorstellungsgesprächen eingeladen. Im Zuge eines Telefonates hatte er seine (richtige) Wohnadresse bekanntgegeben. Bei Arbeitsantritt am 1. 3. 1999 war von der beklagten Partei bereits eine Einstellungsvereinbarung vorbereitet worden, auf welcher Name, Adresse, Telefonnummer, Sozialversicherungsnummer, Staatsbürgerschaft, Religion, Familienstand sowie die Bankverbindung des Klägers mit Maschinschrift eingetragen waren. In dieser Einstellungsvereinbarung war der Straßenname der Wohnanschrift des Klägers, obwohl von diesem mündlich richtig mit "Fischelgasse 25" angegeben, unrichtig mit "Fischergasse 25" angeführt. Dies fiel dem Kläger, welcher diese Vereinbarung unterfertigte, nicht auf. Ebensowenig fiel ihm in der Folge die Vertauschung des einen Buchstaben auf, als er Schriftstücke (Lohn-, Gehaltsabrechnungen) erhielt, die ihm trotz dieses Adressfehlers zugestellt werden konnten. In der Einstellungsvereinbarung vom 1. 3. 1999 wurde festgehalten, dass das Dienstverhältnis bis 30. 6. 1999 befristet sei und danach automatisch in einen unbefristeten Dienstvertrag übergehe.

Ab 2. 6. 1999 war der Kläger im Krankenstand. Am 28. 6. 1999 verfasste die beklagte Partei ein Schreiben an den Kläger, in welchem "bestätigt wurde, dass sein Dienstverhältnis nach Ablauf der Befristung nicht verlängert wird, es somit am 30. 6. 1999 endet". Dieses an die Adresse "Fischergasse 25, *****" gerichtete Schreiben wurde per Einschreiben noch am selben Tag an den Kläger abgesandt. Das Schreiben ging dem Kläger jedoch nicht zu, sondern gelangte mit dem Postvermerk "unbekannt" an die beklagte Partei zurück. Hingegen wurde dem Kläger die am 6. 7. 1999 von der beklagten Partei ausgestellte Arbeitsbescheinigung, ebenfalls mit dem Adressfehler versehen, am 8. 7. 1999 an seiner richtigen Adresse zugestellt. Darin war vermerkt, dass das Dienstverhältnis durch "einverständliche Lösung" beendet wurde.

Der Kläger akzeptierte die Beendigung des Dienstverhältnisses durch die Klägerin per 7. 7. 1999, begehrt jedoch mit seiner Klage den Zuspruch von Krankenentgelt für die Zeit vom 1. 7. bis 7. 7. 1999, Urlaubszuschuss für die Zeit vom 1. 3. bis 7. 7. 1999, anteilige Sonderzahlungen bis 7. 7. 1999 sowie Kündigungsentschädigung einschließlich Sonderzahlungen für die Zeit vom 8. 7. bis 31. 8. 1999 sowie Urlaubsentschädigung für 15,16 Werktage. Die Beendigung des Dienstverhältnisses sei durch zeitwidrige Auflösung seitens der beklagten Partei erfolgt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass das Schreiben über die Nichtverlängerung des befristeten Dienstverhältnisses an die vom Kläger bekanntgegebene Adresse abgegangen sei. Soweit das Schreiben dem Kläger nicht rechtzeitig zugegangen sei, liege dies in seiner Sphäre, da er zur Angabe einer korrekten Adresse verpflichtet gewesen sei. Das Dienstverhältnis sei daher, wie vereinbart, über die vereinbarte Frist hinaus nicht fortgesetzt worden.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich eines (der Höhe nach nicht mehr strittigen) Betrages von S 86.654,70 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 1.625,72 sA (rechtskräftig) ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass es der beklagten Partei zuzurechnen sei, wenn sie eine vom Kläger richtig angegebene Adresse unrichtig in die von ihr vorbereitete Dienstvereinbarung aufgenommen habe. Dies habe dem Kläger nicht auffallen müssen. Eine Erklärung der Dienstgeberin, welche den Übergang des befristeten in ein unbefristetes Dienstverhältnis verhindert hätte, hätte dem Kläger bis 30. 6. 1999 zugehen müssen, dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Das befristete sei daher in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergegangen. Erst das dem Kläger am 8. 7. 1999 zugegangene Schreiben sei als einseitige Auflösungserklärung aufzufassen. Der Kläger habe daher Anspruch auf Ersatz jener Beträge, welche ihm bei fristgerechter Kündigung zugestanden wären.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass es Sache der beklagten Partei gewesen sei, dem Kläger rechtzeitig eine Nichtverlängerungserklärung zukommen zu lassen. Der Fehler in der von der beklagten Partei vorbereiteten Dienstvereinbarung könne nicht dem Kläger angelastet werden. Die Mitteilung über die Nichtfortsetzung des befristeten Dienstverhältnisses hätte den Kläger spätestens am 30. 6. 1999 erreichen müssen, um Zugangswirkung zu entfalten. Eine Zustellfiktion sei hier nicht am Platze. Eine solche sei nur dann anzunehmen, wenn der Dienstnehmer den Zugang einer solchen Erklärung treuwidrig verhindere. Es könne diesbezüglich auf die Judikatur zur Dienstgeberkündigung, welche ein Dienstnehmer zu verhindern trachtete, verwiesen werden. Desgleichen sei eine (analoge) Anwendung der Bestimmungen der §§ 1162b ABGB und § 32 AngG nicht angezeigt, weil es an einem entsprechenden Verschulden des Klägers mangle.Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass es Sache der beklagten Partei gewesen sei, dem Kläger rechtzeitig eine Nichtverlängerungserklärung zukommen zu lassen. Der Fehler in der von der beklagten Partei vorbereiteten Dienstvereinbarung könne nicht dem Kläger angelastet werden. Die Mitteilung über die Nichtfortsetzung des befristeten Dienstverhältnisses hätte den Kläger spätestens am 30. 6. 1999 erreichen müssen, um Zugangswirkung zu entfalten. Eine Zustellfiktion sei hier nicht am Platze. Eine solche sei nur dann anzunehmen, wenn der Dienstnehmer den Zugang einer solchen Erklärung treuwidrig verhindere. Es könne diesbezüglich auf die Judikatur zur Dienstgeberkündigung, welche ein Dienstnehmer zu verhindern trachtete, verwiesen werden. Desgleichen sei eine (analoge) Anwendung der Bestimmungen der Paragraphen 1162 b, ABGB und Paragraph 32, AngG nicht angezeigt, weil es an einem entsprechenden Verschulden des Klägers mangle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben, hilfsweise dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; überdies wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte, die Revision wegen Nichtigkeit zu verwerfen und sie im Übrigen als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Auffassung der klagenden Partei zulässig, weil die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses strittig ist und daher ein privilegierter Fall nach § 46 Abs 3 Z 1 ASGG vorliegt; sie ist aber nicht berechtigt.Die Revision ist entgegen der Auffassung der klagenden Partei zulässig, weil die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses strittig ist und daher ein privilegierter Fall nach Paragraph 46, Absatz 3, Ziffer eins, ASGG vorliegt; sie ist aber nicht berechtigt.

Zur geltend gemachten Nichtigkeit:

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Revisionswerberin lässt das angefochtene Urteil ausreichend deutlich erkennen, dass ein Mitverschulden des Klägers deshalb verneint wird, weil diesem der von der beklagten Partei verursachte Adressfehler nicht auffallen musste.Der Nichtigkeitsgrund des Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 9, ZPO liegt nicht vor. Entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Revisionswerberin lässt das angefochtene Urteil ausreichend deutlich erkennen, dass ein Mitverschulden des Klägers deshalb verneint wird, weil diesem der von der beklagten Partei verursachte Adressfehler nicht auffallen musste.

Desgleichen wurde der von der beklagten Partei in diesem Zusammenhang behauptete Mangel des Berufungsverfahrens geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).Desgleichen wurde der von der beklagten Partei in diesem Zusammenhang behauptete Mangel des Berufungsverfahrens geprüft, er liegt nicht vor (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Das Berufungsgericht hat im Übrigen die Frage, ob das zunächst befristete Arbeitsverhältnis des Klägers in ein unbefristetes übergegangen ist und diesem daher Ansprüche wie bei einer termingerechten Kündigung des (unbefristeten) Dienstverhältnisses zustehen, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Das Berufungsgericht hat im Übrigen die Frage, ob das zunächst befristete Arbeitsverhältnis des Klägers in ein unbefristetes übergegangen ist und diesem daher Ansprüche wie bei einer termingerechten Kündigung des (unbefristeten) Dienstverhältnisses zustehen, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Soweit sich die beklagte Partei auf die Rechtsprechung beruft, nach welcher derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, deren Inhalt zu seiner Erklärung macht, stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen dazu nicht im Widerspruch. Auch diese gehen davon aus, dass der Kläger mit seiner Unterschrift einen Dienstvertrag zur beklagten Partei mit den Rechten und Pflichten eingegangen ist, wie sie sich aus dem schriftlichen Vertrag ergeben. Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Verantwortung für den späteren Zustellanstand nicht beim Kläger, sondern bei der Beklagten zu suchen ist, welche eine schriftliche Vertragsurkunde ausgefertigt und dabei den Fehler der Verwechslung eines Buchstaben der Anschrift des Klägers begangen hat bzw sich den Fehler der Person anrechnen lassen muss, welche diese Urkunde für sie verfertigt hat. Zutreffend wurde auch darauf verwiesen, dass die Unterfertigung eines Dienstvertrages durch einen Arbeitnehmer keine alltägliche Angelegenheit darstellt und daher das Übersehen des einen falschen Buchstabens nicht vorwerfbar und somit nicht geeignet ist, für die Begründung eines Mitverschuldens im Sinne des § 1304 ABGB zu dienen.Soweit sich die beklagte Partei auf die Rechtsprechung beruft, nach welcher derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, deren Inhalt zu seiner Erklärung macht, stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen dazu nicht im Widerspruch. Auch diese gehen davon aus, dass der Kläger mit seiner Unterschrift einen Dienstvertrag zur beklagten Partei mit den Rechten und Pflichten eingegangen ist, wie sie sich aus dem schriftlichen Vertrag ergeben. Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Verantwortung für den späteren Zustellanstand nicht beim Kläger, sondern bei der Beklagten zu suchen ist, welche eine schriftliche Vertragsurkunde ausgefertigt und dabei den Fehler der Verwechslung eines Buchstaben der Anschrift des Klägers begangen hat bzw sich den Fehler der Person anrechnen lassen muss, welche diese Urkunde für sie verfertigt hat. Zutreffend wurde auch darauf verwiesen, dass die Unterfertigung eines Dienstvertrages durch einen Arbeitnehmer keine alltägliche Angelegenheit darstellt und daher das Übersehen des einen falschen Buchstabens nicht vorwerfbar und somit nicht geeignet ist, für die Begründung eines Mitverschuldens im Sinne des Paragraph 1304, ABGB zu dienen.

Da sich der Kläger überdies bereits seit 2. Juni im Krankenstand befand, wäre es der beklagten Partei zuzumuten gewesen, nicht bis zwei Tage vor Ablauf des letzten Tages der Befristung des Dienstvertrages zuzuwarten, sondern die Nichtverlängerungserklärung so rechtzeitig abzusenden, dass auch noch im Falle eines Zustellanstandes andere Dispositionen hätten getroffen werden können.

Die Revisionswerberin unterstellt dem Berufungsgericht zu Unrecht, dass es die - zur Vermeidung einer Überführung des befristeten in ein unbefristetes Dienstverhältnis unbedingt notwendige Nichtverlängerungs- erklärung (RIS-Justiz RS0063980) als Kündigung aufgefasst habe. Als Auflösungserklärung wurde vielmehr das dem Kläger am 8. 7. 1999 zugegangene Schreiben beurteilt. Wenngleich darin von einer "einvernehmlichen Auflösung" die Rede ist, so hat der Kläger doch durch seine prompte Reaktion deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er wohl die Auflösungserklärung, nicht jedoch eine einvernehmliche Auflösung akzeptiert. Im Übrigen ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Judikatur zur Zustellfiktion bei treuwidriger Verhinderung des Zuganges einer Kündigung durch den Dienstnehmer auf den Fall anwendbar ist, dass eine "Nichtverlängerungserklärung" zugehen muss, um die automatische Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses zu verhindern. Eine solche Zustellfiktion ist im vorliegenden Fall aber zu verneinen, weil dem Kläger treuwidriges Verhalten nicht unterstellt werden kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E62793 09B01971

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:009OBA00197.01P.0905.000

Dokumentnummer

JJT_20010905_OGH0002_009OBA00197_01P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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