Index
23/01 Konkursordnung;Norm
BAO §198;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/15/0372Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerden des Dr. Wolfgang Lirk, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rochusgasse 4/1, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B GmbH in Salzburg, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 4. Dezember 2006, 1. GZ RV/0225-S/06 und
2. GZ RV/0264-S/06, beide betreffend Zurückweisung eines Vorlageantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 22. Juni 2005 wurde über das Vermögen der B-GmbH der Konkurs eröffnet und der Beschwerdeführer zum Masseverwalter bestellt. Noch zuvor hatte das Finanzamt Bescheide an die B-GmbH erlassen, nämlich am 13. Juni 2005 nach einer Lohnsteuerprüfung einen Haftungs- und Abgabenbescheid für die Jahre 2000 bis 2004 und am 9. Juni 2005 einen Sicherstellungsauftrag.
Gegen diese Bescheide brachte der Beschwerdeführer als Masseverwalter fristgerecht Berufung ein, welche vom Finanzamt mit zwei als Berufungsvorentscheidungen bezeichneten Erledigungen abgewiesen wurden. Diese Erledigungen vom 6. März 2006 waren gerichtet an die B-GmbH zu Handen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer brachte mit Eingaben vom 4. April 2006 jeweils einen Vorlageantrag ein. Diese Anträge legte das Finanzamt der belangten Behörde vor.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Vorlageantrag betreffend die Berufung gegen den Haftungs- und Abgabenbescheid für die Jahre 2000 bis 2004 als unzulässig zurück. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies sie den Vorlageantrag betreffend die Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag als unzulässig zurück. Gemäß § 273 Abs. 1 BAO sei eine Berufung zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig sei. Nach § 276 Abs. 4 BAO sei § 273 Abs. 1 BAO für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Masseverwalter für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt seien - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO.
Eine Erledigung könne gegenüber dem Gemeinschuldner, welchem in den die Masse betreffenden Angelegenheiten gemäß § 1 Abs. 1 KO die Verfügungsfähigkeit entzogen sei, nicht wirksam erlassen werden. Eine wirksame Erledigung sei daher an den Masseverwalter und nicht an den Gemeinschuldner zu richten und dem Masseverwalter zuzustellen. Eine an "Herrn (Gemeinschuldner) z.H. Herrn (Masseverwalter)" adressierte Erledigung sei nicht an den Masseverwalter, sondern an den Gemeinschuldner gerichtet (Hinweis auf den hg Beschluss vom 2. März 2006, 2006/15/0087). Durch die bloße Zustellung der an den Gemeinschuldner gerichteten Erledigung an den Masseverwalter werde sie dem Masseverwalter gegenüber nicht wirksam.
Da die als Berufungsvorentscheidung bezeichneten Erledigungen des Finanzamtes an die Gemeinschuldnerin gerichtet gewesen seien, lägen keine rechtswirksam erlassenen Bescheide (Berufungsvorentscheidungen) vor. Ein Vorlageantrag setze unabdingbar eine Berufungsvorentscheidung voraus. Die Bestimmung des § 273 Abs. 2 BAO, wonach eine Berufung nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden dürfe, weil sie vor Beginn der Berufungsfrist eingebracht worden sei, gelte mangels eines Verweises in § 276 Abs. 4 BAO nicht für Vorlageanträge. Vor Wirksamkeit der Berufungsvorentscheidung eingebrachte Vorlageanträge seien ohne rechtliche Wirkung. Die Vorlageanträge vom 4. April 2006 seien somit als unzulässig zurückzuweisen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:
§ 273 Abs. 1 BAO lautet:
"Die Abgabenbehörde hat eine Berufung durch Bescheid
zurückzuweisen, wenn die Berufung a) nicht zulässig ist oder b)
nicht fristgerecht eingebracht wurde."
§ 276 Abs. 4 BAO lautet:
"Auf das Recht zur Stellung des Vorlageantrages ist in der Berufungsvorentscheidung hinzuweisen. § 93 Abs. 4 bis 6, § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 4, § 249 Abs. 1, § 255, § 256 sowie § 273 Abs. 1 sind sinngemäß anzuwenden."
Der Beschwerdeführer bringt vor, bei den Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes vom 6. März 2006 handle es sich um wirksame Bescheide. Diese Berufungsvorentscheidungen seien nämlich an die Gemeinschuldnerin "zu Handen" des Beschwerdeführers gerichtet. Damit sei erkennbar, dass der Beschwerdeführer als die richtige Verfahrenspartei habe angesprochen werden sollen. Die Vorlageanträge hätten daher nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Steuerpflichtigen wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 1 Abs. 1 KO). Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Oktober 2001, 95/14/0099, und vom 2. Juli 2002, 2002/14/0053). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 18. September 2003, 2003/15/0061, und vom 22. Oktober 1997, 97/13/0023). Dies gilt in gleicher Weise auch für Haftungsbescheide und Sicherstellungsaufträge.
Die belangte Behörde ist daher im Recht mit der Auffassung, dass die Erledigungen vom 6. März 2006 ("Berufungsvorentscheidungen") keine wirksamen Bescheide darstellen. Diese Erledigungen konnten gegenüber der Gemeinschuldnerin, der in den die Masse betreffenden Angelegenheiten gemäß § 1 Abs. 1 KO die Verfügungsfähigkeit entzogen ist, nicht wirksam erlassen werden. Die Erledigungen wären daher an den Masseverwalter und nicht an die Gemeinschuldnerin zu richten und dem Masseverwalter zuzustellen gewesen. Eine an die Gemeinschuldnerin zu Handen des Masseverwalters adressierte Erledigung ist nicht an den Masseverwalter, sondern an den Gemeinschuldner gerichtet. Durch die bloße Zustellung der an die Gemeinschuldnerin gerichteten Erledigung an den Masseverwalter ist sie dem Masseverwalter gegenüber jedoch nicht wirksam geworden (vgl den hg Beschluss vom 2. März 2006, 2006/15/0087, mwN). Über die streitgegenständlichen Berufungen ist sohin noch keine Berufungsvorentscheidung ergangen.
Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrages ist, dass die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufungsvorentscheidung erlassen hat (vgl das hg Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, 93/14/0146). Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie, weil die als Berufungsvorentscheidungen intendierten Erledigungen des Finanzamtes vom 6. März 2006 keine wirksamen Bescheide darstellen, die Vorlageanträge vom 4. April 2006 als unzulässig zurückgewiesen hat.
Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 8. Februar 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006150371.X00Im RIS seit
06.03.2007