TE OGH 2001/9/12 12R139/01a

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Veröffentlicht am 12.09.2001
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch Dr.Weihs als Vorsitzenden sowie Dr.Bydlinski und Dr.Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. T*****, Rechtsanwalt in *****, wider die beklagte Partei B*****, wegen S 2.323,495.507,-- samt Nebengebühren, infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 31.5.2001, GZ 9 Nc 8/00d-15, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Antrag des Verfahrenshelfers aufgetragen.

Text

Begründung:

Zugleich mit seiner am 1.9.2000 (ohne anwaltliche Vertretung) eingebrachten Klage über mehr als S 2,3 Mrd begehrte der Kläger die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Beigabe eines Rechtsanwalts. Er machte im Wesentlichen geltend, dass über sein Vermögen sowie über das Vermögen der H*****, deren alleiniger Geschäftsführer er gewesen sei, in den Jahren 1982 bzw 1983 der Konkurs eröffnet worden sei. Dadurch seien auch weitere Gesellschaften, deren Gesellschafterin die H***** gewesen sei, in die Insolvenz hineingerissen und in der Folge "zerschlagen" worden. Die Eröffnung des Anschlusskonkurses über das Vermögen der H***** sei rechtswidrig erfolgt, und zwar infolge unrichtiger Bewertung der Liegenschaften und Warenbestände unter Mitwirkung der Beklagten, einer "Nichtanfechtung des Pfandlagers" der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch den Masseverwalter unter deren aktiver Mitwirkung sowie einer "Nichtanfechtung von Zinsen" zu Gunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten unter deren aktiver Mitwirkung. Bei betriebswirtschaftlich richtiger Bewertung der Liegenschaften und Warenbestände und bei "pflichtgemäßer Anfechtung des Pfandlagers und der Zinsen" wäre der angebotene 40%-ige Ausgleich jedenfalls erfüllbar gewesen, wodurch die Zerschlagung der Unternehmen des Klägers verhindert worden wäre. Daran treffe die Beklagte ein grobes Verschulden. Der Klagebetrag errechne sich wie folgt:

Verkehrswerte für die Fabriksobjekte

Flirsch, Schönwies und Wolfurt  S   100,000.000,--

Warenlager      S   100,000.000,--

Forderungen sowie Ausgleichsumsätze

und Pfandlagerumsätze   S   150,000.000,--

Privatvermögen     S   100,000.000,--

Verlust "G***** GesmbH" (Warenlager, Außenstände und

Firmenwert)     S    50,000.000,--

Maschinen-Wiederbeschaffungswert in

Schönwies, Flirsch, Wolfurt und

Wien       S   150,000.000,--

Verlust "A***** GesmbH"

(Warenlager, Außenstände, Maschinen

und Firmenwert)     S    50,000.000,--

Firmenwert "H***** GesmbH" S   200,000.000,--

zusammen      S   900,000.000,--

zuzüglich 6% jährlich kapitalisierte

Zinsen für 18 Jahre

(= Faktor 1,693)    S 1.523,495.507,--

minus Gesamt-Passiva    S   200,000.000,--

Gesamtforderung daher   S 2.323,495.507,--

Mit Beschluss vom 19.9.2000 (ON 2) bewilligte das Erstgericht die Verfahrenshilfe im vollen Umfang und sprach aus, dass die Beigebung des Rechtsanwaltes für die "Prüfung von Ansprüchen laut ON 1, etwaige Klagserhebung" und das weitere Verfahren gewährt werde. In seiner Begründung führte der Erstrichter aus, dass die Rechtsverfolgung nach der Darlegung im Schriftsatz des Klägers nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos zu beurteilen sei, weil sich die vom Kläger behaupteten Ansprüche ohne nähere Prüfung nicht als solche erwiesen, denen wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit oder Mutwilligkeit eine Gewährung von Verfahrenshilfe entgegenstehen würde. Eine nähere Prüfung der Ansprüche habe jedoch erst im Hauptverfahren und nicht in der Entscheidung über die Verfahrenshilfe zu erfolgen. Der zum Verfahrenshelfer bestellte Verfahrenshelfer Dr.T***** beantragte in seiner Eingabe vom 29.5.2001 (ON 14), die dem Kläger bewilligte Verfahrenshilfe iSd § 68 Abs 1 ZPO für erloschen zu erklären, weil dieser eine Verbesserung der von ihm persönlich eingebrachten Klage durch sein Verhalten vereitelt habe, indem er es unterlassen habe, die erforderlichen nachvollziehbaren Erläuterungen zum Sachverhalt zu geben.Mit Beschluss vom 19.9.2000 (ON 2) bewilligte das Erstgericht die Verfahrenshilfe im vollen Umfang und sprach aus, dass die Beigebung des Rechtsanwaltes für die "Prüfung von Ansprüchen laut ON 1, etwaige Klagserhebung" und das weitere Verfahren gewährt werde. In seiner Begründung führte der Erstrichter aus, dass die Rechtsverfolgung nach der Darlegung im Schriftsatz des Klägers nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos zu beurteilen sei, weil sich die vom Kläger behaupteten Ansprüche ohne nähere Prüfung nicht als solche erwiesen, denen wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit oder Mutwilligkeit eine Gewährung von Verfahrenshilfe entgegenstehen würde. Eine nähere Prüfung der Ansprüche habe jedoch erst im Hauptverfahren und nicht in der Entscheidung über die Verfahrenshilfe zu erfolgen. Der zum Verfahrenshelfer bestellte Verfahrenshelfer Dr.T***** beantragte in seiner Eingabe vom 29.5.2001 (ON 14), die dem Kläger bewilligte Verfahrenshilfe iSd Paragraph 68, Absatz eins, ZPO für erloschen zu erklären, weil dieser eine Verbesserung der von ihm persönlich eingebrachten Klage durch sein Verhalten vereitelt habe, indem er es unterlassen habe, die erforderlichen nachvollziehbaren Erläuterungen zum Sachverhalt zu geben.

Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Erstgericht die Verfahrenshilfe für erloschen. Der Verfahrenshelfer habe bei einer Besprechung mit dem Kläger versucht, an Hand der von diesem persönlich verfassten Klage einen nachvollziehbaren Sachverhalt "herauszufiltern", was gänzlich unmöglich gewesen sei. Der Kläger habe, anstelle Aufklärung über den Sachverhalt zu geben, dem Verfahrenshelfer etwa 60 Seiten an nicht nachvollziehbaren und teils unvollständigen oder unverständlichen Schriftstücken vorgelegt, welche durch den Verfahrenshelfer nicht nachvollzogen hätten werden können. Es sei diesem im Zuge einer längeren Besprechung nicht möglich gewesen, aus den vorliegenden Unterlagen ein schlüssiges Begehren zu konkretisieren.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der (rechtzeitige) Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag des Verfahrenshelfers abgewiesen wird; hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Der Rekurs ist in seinem Aufhebungsantrag berechtigt. In seinem Rechtsmittel bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass es eine einzige Besprechung mit seinem Verfahrenshelfer gegeben habe, bei der er sich ausdrücklich erboten habe, dem Verfahrenshelfer jederzeit zu jeder weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und des umfangreichen Urkundenmaterials zur Verfügung zu stehen und zu weiteren Informationsaufnahmen nach Wien zu kommen; dass ein dermaßen komplexer Sachverhalt nicht in einer einmaligen Besprechung "aufgearbeitet" werden könne, verstehe sich von selbst. Eine Aufforderung zur weiteren Aufklärung zur Klage sei an den Kläger nicht ergangen. Der Verfahrenshelfer habe entgegen den Feststellungen des Erstgerichts gar nicht den Versuch unternommen, sich in die (äußerst komplexe) Materie einzuarbeiten und vom Kläger die allenfalls erforderlichen weiteren Informationen einzuholen.

Stattdessen habe er erklärt, er könne und wolle gegen die Beklagte

nicht vorgehen und werde bei der Rechtsanwaltskammer seine

Umbestellung beantragen. Keineswegs habe der Kläger daher eine

zweckdienliche Verbesserung der Klage durch den Verfahrenshelfer

vereitelt. Er sei selbstverständlich auch heute und in Zukunft

weiterhin bereit, dem derzeitigen bzw einem anderen Verfahrenshelfer

mündlich oder schriftlich jede gewünschte Information zu erteilen.

In der Sache macht der Rekurswerber damit im Wesentlichen geltend,

dass die Entscheidung des Erstgerichts allein auf Grund der Angaben

des Verfahrenshelfers in seinem Erlöschensantrag ergangen sei, ohne

dass dem Kläger Gelegenheit gegeben worden ist, dazu Stellung zu

nehmen. Damit zeigt der Kläger einen erheblichen Verfahrensmangel

auf, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss.

Wie das Rekursgericht (15 R 92/01m) bereits ausgesprochen hat, darf

über einen Antrag des Verfahrenshelfers, die Verfahrenshilfe für

erloschen zu erklären, nicht entschieden werden, ohne der davon

betroffenen Partei ausreichendes rechtliches Gehör einzuräumen. Dies

ergibt sich schon zwingend daraus, dass bei einem derartigen Antrag

des Verfahrenshelfers dessen Interessen und jene der von ihm

vertretenen Partei diametral entgegengesetzt sind, sodass insoweit

ein "Zwischenstreit" zwischen dem Verfahrenshelfer und der

Verfahrenshilfe genießenden Partei vorliegt.

Da der Kläger seine Darstellung des für die Entscheidung über den

Antrag des Verfahrenshelfers maßgeblichen Sachverhalts bereits in

seinem Rekurs vorgetragen hat, erscheint es nicht erforderlich, ihm

im fortzusetzenden Verfahren neuerlich den formellen Auftrag zu

erteilen, zu den Behauptungen seines Verfahrenshelfers Stellung zu nehmen. Da die entsprechenden Behauptungen des Verfahrenshelfers einerseits und des Klägers andererseits einander in entscheidenden Punkten widersprechen, wird das Erstgericht nicht umhin können, darüber ein Bescheinigungsverfahren durchzuführen, in dessen Rahmen jedenfalls beide Seiten als Auskunftspersonen zu vernehmen sein werden; darüber hinaus wird der Kläger aufzufordern sein, alle jene Urkunden vorzulegen, die er seinerzeit seinem Verfahrenshelfer präsentiert hat. Allenfalls werden vom Kläger weitere Aufklärungen zu fordern bzw Urkunden abzuverlangen sein.

All dies hätte zweckmäßigerweise bereits vor Bewilligung der Verfahrenshilfe erfolgen sollen, ist aber offenbar deshalb nicht geschehen, weil der Erstrichter die (unzutreffende) Rechtsansicht vertreten hat, dass eine (eingeschränkte) Bewilligung der Verfahrenshilfe "für die Prüfung der Klageansprüche" möglich sei. Wie das Rekursgericht bereits in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom 11.4.2001 (ON 12) ausgesprochen hat, käme der Ausspruch des Erlöschens der Verfahrenshilfe grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn mit ausreichender Deutlichkeit feststeht, dass der Kläger eine sachdienliche Information des Verfahrenshelfers unterlassen hat. Ausnahmsweise käme ein Vorgehen nach § 68 Abs 1 ZPO unter Umständen auch dann in Betracht, wenn das Erstgericht - wie hier - die Verfahrenshilfe ohne jegliche (auch nur kursorische) Prüfung der Erfolgsaussichten bewilligt hat und sich erst bei einer näheren Prüfung der Sach- und Rechtslage durch den Verfahrenshelfer ergibt, dass die Klageführung aussichtslos oder mutwillig iSd § 63 Abs 1 ZPO ist (idS etwa WR 573).All dies hätte zweckmäßigerweise bereits vor Bewilligung der Verfahrenshilfe erfolgen sollen, ist aber offenbar deshalb nicht geschehen, weil der Erstrichter die (unzutreffende) Rechtsansicht vertreten hat, dass eine (eingeschränkte) Bewilligung der Verfahrenshilfe "für die Prüfung der Klageansprüche" möglich sei. Wie das Rekursgericht bereits in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom 11.4.2001 (ON 12) ausgesprochen hat, käme der Ausspruch des Erlöschens der Verfahrenshilfe grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn mit ausreichender Deutlichkeit feststeht, dass der Kläger eine sachdienliche Information des Verfahrenshelfers unterlassen hat. Ausnahmsweise käme ein Vorgehen nach Paragraph 68, Absatz eins, ZPO unter Umständen auch dann in Betracht, wenn das Erstgericht - wie hier - die Verfahrenshilfe ohne jegliche (auch nur kursorische) Prüfung der Erfolgsaussichten bewilligt hat und sich erst bei einer näheren Prüfung der Sach- und Rechtslage durch den Verfahrenshelfer ergibt, dass die Klageführung aussichtslos oder mutwillig iSd Paragraph 63, Absatz eins, ZPO ist (idS etwa WR 573).

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW00378 12R139-01a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLGW009:2001:01200R00139.01A.0912.000

Dokumentnummer

JJT_20010912_OLGW009_01200R00139_01A0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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