Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Nejmi K*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Savo M. C*****, vertreten durch Dr. Georg Hesz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 56.750,01 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2001, GZ 7 Ra 363/00d-18, mit dem infolge der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. Juni 2000, GZ 18 Cga 150/99f-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 2. März 1998 als Mechaniker beim Beklagten in 1100 Wien mit einem Bruttomonatslohn von S 17.720,- beschäftigt. Der Beklagte erteilte dem Kläger gelegentlich kleine Rügen wegen Oberflächlichkeit bei Reparaturen, an die sich der Kläger auch hielt. Am 19. Mai 1999 war ein Kundenfahrzeug im Garantieweg zu reparieren, wobei als Fertigstellungstermin der 20. Mai, 12 Uhr, vereinbart war. Der Kläger zerlegte vorerst am 19. Mai den Motor und stellte fest, welche Ersatzteile benötigt würden. Der Beklagte bezieht seine Ersatzteile vom Unternehmen Friedrich R***** in 1030 Wien. Dort bestellte er auch am 19. Mai um 14.30 Uhr die benötigten Ersatzteile, wobei eine Zustellung durch Botendienst nicht mehr möglich war, sodass die Übersendung per Taxi angeboten wurde; dies lehnte der Beklagte ab, der eine Eigenabholung oder eine solche durch den Kläger ins Auge fasste. Der Beklagte erteilte dem Kläger sodann den Auftrag zur Abholung der Ersatzteile von der Firma R*****, wohin der Kläger noch niemals gefahren war, und zur Rückkehr in den Betrieb, weil der Beklagte davon ausging, dass der Kläger bis spätestens 16 Uhr wieder im Betrieb eintreffen würde und bis zum Ende seiner Arbeitszeit um
16.30 Uhr die Ersatzteile so vorbereiten könne, dass am nächsten Tag mit den Arbeiten zügig begonnen werden könnte. Er ersuchte die Firma R***** um Bereithaltung der Ersatzteile im Verkaufslokal (Öffnungszeit bis 18 Uhr). Obwohl dem Kläger der Weg beschrieben worden war, irrte er sich unterwegs an einem Abbiegepunkt und fuhr sodann bis 16.30 Uhr im dritten Bezirk umher, ohne die Firma R***** zu finden. Sodann entschloss er sich, ohne den Beklagten zu verständigen, seine Kinder vom Kindergarten abzuholen, da bei einer Abholung der Kinder nach 17 Uhr eine Gebühr von S 300 eingehoben wurde. Danach fuhr der Kläger nach Hause, von wo er auch keinen Kontakt mit dem Beklagten aufnahm, obwohl ihm dies aufgrund der Kenntnis der Telefonnummern möglich gewesen wäre. Einen Auftrag zur Einschaltung des Handys hatte der Kläger vom Beklagten nicht erhalten.
Am nächsten Tag erklärte der Kläger bei Dienstantritt über Befragen des Beklagten, dass "R***** schon zu gehabt habe", worauf ihn der Beklagte aufforderte die Teile zu holen. Von der Firma R***** erhielt der Beklagte die Auskunft, dass bis 18 Uhr geöffnet gewesen sei und die Teile nicht abgeholt worden seien. Der Beklagte nahm daraufhin mit der Wirtschaftskammer Kontakt auf, die die Auskunft erteilte, es liege ein Grund für eine vorzeitige Entlassung vor.
Der Beklagte teilte dem Kläger nach seiner Rückkehr in den Betrieb seine inzwischen erhaltenen Informationen nicht mit, weil er die Fertigstellung der Arbeiten durch den Kläger (einziger Mechaniker im Betrieb) sicherstellen wollte und den Kläger vorerst auch nicht entlassen wollte.
Bis Mittag stellte der Kläger den Kundenwagen fertig. Nach der Mittagspause führte der Beklagte mit dem Kläger eine Aussprache, worin er ihm die Auskunft von R***** vorhielt. Der Kläger beharrte auf seiner Darstellung, dass die Firma bereits geschlossen gewesen war und er den Kläger wegen eines leeren Handyakkus nicht habe anrufen können. Der Beklagte kam deshalb zur Auffassung, dass ihn der Kläger zweimal angelogen habe, weshalb er wegen mangelnder Loyalität die Entlassung des Klägers aussprach.
Der Kläger begehrte Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung sowie aliquote Sonderzahlungen mit der Begründung, er sei fristwidrig gekündigt worden.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, da der Kläger wegen zweimaligen Anlügens zu Recht entlassen worden sei.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt - zusammenfassend dargestellt - dahin, dass der Kläger keinen Entlassungsgrund gesetzt habe und gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es führte aus, das Verhalten des Klägers vom Vortag (Nichtabliefern der Ersatzteile) sei trotz Kenntnis des Dienstgebers von der Unrichtigkeit der Verantwortung des Klägers, das Unternehmen habe bereits geschlossen gehabt, nicht sanktioniert worden, sondern sei die Entgegennahme der Arbeitsleistung durch den Dienstgeber bis Mittag erfolgt. Der beharrenden, leugnenden Verantwortung des Klägers komme als Deckungshandlung, die objektiv nach geeignet sei, das Vertrauen des Arbeitgebers noch weiter zu beeinträchtigen, insbesondere da kein Schaden entstanden sei, keine so schwerwiegende Bedeutung zu, dass dadurch eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin unzumutbar sei.
Der Beklagte erhebt Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt die Abänderung der Entscheidung im klagsabweisenden Sinn; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragte der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässige Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Der geltend gemachte Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung liegt nicht vor.Die gemäß Paragraph 46, Absatz 3, Ziffer eins, ASGG zulässige Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Der geltend gemachte Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung liegt nicht vor.
Unter Pflichtvernachlässigung im Sinne des § 82 lit f GewO 1859 ist die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung der den Dienstnehmer aus dem Dienstvertrag, der Arbeitsordnung, dem Kollektivvertrag oder Gesetz treffenden, mit der Ausübung des Dienstes verbundenen und ihm zumutbaren Pflichten zu verstehen (Arb 10.631 = RdW 1988, 204; ARD 4565/15/94; RdW 1996, 178 ua; zuletzt 9 ObA 313/00w). Als beharrlich ist eine Pflichtenvernachlässigung anzusehen, wenn in ihr die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des auf die Verletzung der Pflichten gerichteten Willens zum Ausdruck kommt. Sie liegt vor, wenn sie sich wiederholt ereignet oder so schwerwiegend ist, dass mit Recht auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Dienstnehmers geschlossen werden kann. Im ersten Fall bedarf es einer vorangegangenen Ermahnung oder einer wiederholten Aufforderung zur Dienstleistung bzw Befolgung der Anordnung (Arb 6493; ZAS 1981, 217; DRdA 1982, 305; Arb 9991 uva, zuletzt 8 ObA 17/01k; 9 ObA 313/00w).Unter Pflichtvernachlässigung im Sinne des Paragraph 82, Litera f, GewO 1859 ist die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung der den Dienstnehmer aus dem Dienstvertrag, der Arbeitsordnung, dem Kollektivvertrag oder Gesetz treffenden, mit der Ausübung des Dienstes verbundenen und ihm zumutbaren Pflichten zu verstehen (Arb 10.631 = RdW 1988, 204; ARD 4565/15/94; RdW 1996, 178 ua; zuletzt 9 ObA 313/00w). Als beharrlich ist eine Pflichtenvernachlässigung anzusehen, wenn in ihr die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des auf die Verletzung der Pflichten gerichteten Willens zum Ausdruck kommt. Sie liegt vor, wenn sie sich wiederholt ereignet oder so schwerwiegend ist, dass mit Recht auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Dienstnehmers geschlossen werden kann. Im ersten Fall bedarf es einer vorangegangenen Ermahnung oder einer wiederholten Aufforderung zur Dienstleistung bzw Befolgung der Anordnung (Arb 6493; ZAS 1981, 217; DRdA 1982, 305; Arb 9991 uva, zuletzt 8 ObA 17/01k; 9 ObA 313/00w).
Beharrliche Pflichtenvernachlässigung liegt im gegenständlichen Fall aber nicht vor. Der Kläger hat zwar die ihn treffenden Pflichten nicht gehörig erfüllt, da er den Beklagten - trotz Kenntnis der Telefonnummern - nicht davon informiert hat, dass er die Firma R***** nicht finden konnte, um abzusprechen, wie weiter vorgegangen werden soll. Eine nachhaltige pflichtverletzende Willenshaltung kommt in dieser einzigen Pflichtversäumung aber nicht zum Ausdruck, zumal sich der Kläger davor wohlverhalten hat - ihm mussten lediglich kleine Rügen wegen Oberflächlichkeiten bei Reparaturen erteilt werden, an die sich der Kläger auch hielt - und er am nächsten Tag die Aufträge des Beklagten auch unverzüglich erfüllte. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wollte der Beklagte den Kläger deshalb auch gar nicht entlassen, auch in der Revision betont der Beklagte nochmals, dass ihm das zweimalige Anlügen und die fadenscheinige Ausrede zur Entlassung veranlasst haben.
Dabei verkennt der Beklagte aber, dass den taxativ aufgezählten Entlassungsgründen der GewO 1859 kein dem § 27 Z 1 AngG vergleichbarer Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit zu entnehmen ist (Arb 9517; 10323; RdW 1993, 252 ua; zuletzt 9 ObA 52/98g). § 82 lit d GewO 1859 setzt eine die Vertrauensunwürdigkeit bewirkende strafbare Handlung voraus (RdW 1993, 252), welche im gegenständlichen Fall aber nicht einmal behauptet wurde.Dabei verkennt der Beklagte aber, dass den taxativ aufgezählten Entlassungsgründen der GewO 1859 kein dem Paragraph 27, Ziffer eins, AngG vergleichbarer Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit zu entnehmen ist (Arb 9517; 10323; RdW 1993, 252 ua; zuletzt 9 ObA 52/98g). Paragraph 82, Litera d, GewO 1859 setzt eine die Vertrauensunwürdigkeit bewirkende strafbare Handlung voraus (RdW 1993, 252), welche im gegenständlichen Fall aber nicht einmal behauptet wurde.
Der Kläger hat daher keinen Entlassungsgrund gesetzt, sodass auch auf den Einwand der Revision, dass die Entlassung nicht verspätet erfolgt sei, nicht einzugehen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich §§ 41, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich Paragraphen 41,, 50 ZPO.
Anmerkung
E63391 08B01651European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:008OBA00165.01Z.0913.000Dokumentnummer
JJT_20010913_OGH0002_008OBA00165_01Z0000_000