TE OGH 2001/9/17 1R234/01x

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Veröffentlicht am 17.09.2001
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Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Präsidenten des Landesgerichtes Dr. Dür als Vorsitzenden sowie die Richter des Landesgerichtes Dr. Fußenegger und Dr. Höfle als weitere Senatsmitglieder in der Pflegschaftssache der mj Yvonne T*****, wohnhaft und in Obsorge bei den Pflegeeltern Armin und Christine H*****, wegen Ersatz der Kosten der vollen Erziehung nach § 40 JWG durch die Mutter Michaela T*****, diese vertreten durch den Sachwalter Siegfried K*****, infolge Rekurses der Bezirkshauptmannschaft B***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bezau vom 30. August 2001, 2 P 30/99 x-21, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Präsidenten des Landesgerichtes Dr. Dür als Vorsitzenden sowie die Richter des Landesgerichtes Dr. Fußenegger und Dr. Höfle als weitere Senatsmitglieder in der Pflegschaftssache der mj Yvonne T*****, wohnhaft und in Obsorge bei den Pflegeeltern Armin und Christine H*****, wegen Ersatz der Kosten der vollen Erziehung nach Paragraph 40, JWG durch die Mutter Michaela T*****, diese vertreten durch den Sachwalter Siegfried K*****, infolge Rekurses der Bezirkshauptmannschaft B***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bezau vom 30. August 2001, 2 P 30/99 x-21, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Pflegschaftssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die am 18.5.1994 geborene Yvonne T***** ist das eheliche Kind von Michaela und Simon T*****. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 15.9.1995, ON 3, wurde die Obsorge hinsichtlich der Minderjährigen den beiden Kindeseltern Michaela und Simon T***** zur Gänze entzogen und gemäß § 176 a ABGB dem jeweils zuständigen Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Von September 1994 bis 28.9.1998 befand sich das Kind bei den Pflegeeltern Renate und Robert K***** in B*****. Anschließend wurde Y***** vorübergehend in der Auffanggruppe des V***** in B***** untergebracht. Seit 26.11.1998 befindet sich das Kind im Rahmen der vollen Erziehung bei der Pflegefamilie Armin und Christine H***** in S*****.Die am 18.5.1994 geborene Yvonne T***** ist das eheliche Kind von Michaela und Simon T*****. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 15.9.1995, ON 3, wurde die Obsorge hinsichtlich der Minderjährigen den beiden Kindeseltern Michaela und Simon T***** zur Gänze entzogen und gemäß Paragraph 176, a ABGB dem jeweils zuständigen Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Von September 1994 bis 28.9.1998 befand sich das Kind bei den Pflegeeltern Renate und Robert K***** in B*****. Anschließend wurde Y***** vorübergehend in der Auffanggruppe des V***** in B***** untergebracht. Seit 26.11.1998 befindet sich das Kind im Rahmen der vollen Erziehung bei der Pflegefamilie Armin und Christine H***** in S*****.

Über Antrag der Pflegeeltern übertrug das Erstgericht mit Beschluss vom 18.6.2001, ON 14, die Obsorge gemäß § 186 a ABGB zur Gänze auf die Pflegeeltern Armin und Christine H*****.Über Antrag der Pflegeeltern übertrug das Erstgericht mit Beschluss vom 18.6.2001, ON 14, die Obsorge gemäß Paragraph 186, a ABGB zur Gänze auf die Pflegeeltern Armin und Christine H*****.

Am 1.8.2001 beantragte die Bezirkshauptmannschaft B***** die Verpflichtung der Mutter Michaela T***** zur Bezahlung eines monatlichen Kostenersatzbeitrages von ATS 800,-- ab 1.6.2001 mit der Begründung, die Kosten der Unterbringung bei der Pflegefamilie von derzeit monatlich ATS 6.600,-- würden von der Bezirkshauptmannschaft B***** bezahlt. Die Mutter habe bisher zu keinen Kostenersatzzahlungen verpflichtet werden können. Lediglich ihr Sachwalter habe eine Stellungnahme abgegeben. Tatsächlich sei die Mutter berufstätig und erziele ein monatliches Nettoeinkommen von durchschnittlich ATS 12.636,--. Damit sei sie in der Lage, monatlich ATS 800,-- als Kostenersatzbeitrag aufzubringen.

Über Aufforderung des Erstgerichtes sprach sich der Sachwalter der Mutter gegen die Festsetzung des begehrten Kostenersatzbeitrages aus und wendete mangelnde Leistungsfähigkeit ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Bezirkshauptmannschaft B***** ab und vertrat dabei die Auffassung, durch die Übertragung der Obsorge zur Gänze vom Jugendwohlfahrtsträger auf die Pflegeeltern iSd § 186 a ABGB könne nicht mehr von einer "vollen Erziehung" nach § 28 Abs 1 JWG ausgegangen werden. Wenn der Jugendwohlfahrtsträger die Pflege und Erziehung nicht mehr ausübe, könnten ihm auch keine Kosten hiefür zugesprochen werden.Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Bezirkshauptmannschaft B***** ab und vertrat dabei die Auffassung, durch die Übertragung der Obsorge zur Gänze vom Jugendwohlfahrtsträger auf die Pflegeeltern iSd Paragraph 186, a ABGB könne nicht mehr von einer "vollen Erziehung" nach Paragraph 28, Absatz eins, JWG ausgegangen werden. Wenn der Jugendwohlfahrtsträger die Pflege und Erziehung nicht mehr ausübe, könnten ihm auch keine Kosten hiefür zugesprochen werden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der fristgerecht erhobene Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Mutter antragsgemäß zur Bezahlung eines monatlichen Kostenersatzbeitrages von ATS 800,-- ab 1.6.2001 verpflichtet werde. Der Rekurs ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags begründet.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 33 JWG (hier iVm § 33 Abs 2 Vlbg L-JWG) haben die Kosten der vollen Erziehung der Minderjährige und seine Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht nach bürgerlichem Recht zu tragen oder zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind. Die Höhe der nach diesen Bestimmungen geltend gemachten Ersatzforderung hängt von der Unterhaltsverpflichtung der in Anspruch genommenen Eltern ab (RIS-Justiz RS0078933). Soweit eine Vereinbarung über das Tragen und den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (§ 33 JWG) nicht zustande kommt, entscheidet gemäß § 40 JWG über entstandene wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruches, unabhängig vom Alter des Kindes, auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträger das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen, wobei § 183 AußStrG sinngemäß anzuwenden ist. Für Entscheidungen über Kostenersatzfragen nach dem JWG ist die Zuständigkeit des Rechtspflegers gegeben (EvBl 1998/97; ÖA 1999, 177).Gemäß Paragraph 33, JWG (hier in Verbindung mit Paragraph 33, Absatz 2, Vlbg L-JWG) haben die Kosten der vollen Erziehung der Minderjährige und seine Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht nach bürgerlichem Recht zu tragen oder zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind. Die Höhe der nach diesen Bestimmungen geltend gemachten Ersatzforderung hängt von der Unterhaltsverpflichtung der in Anspruch genommenen Eltern ab (RIS-Justiz RS0078933). Soweit eine Vereinbarung über das Tragen und den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (Paragraph 33, JWG) nicht zustande kommt, entscheidet gemäß Paragraph 40, JWG über entstandene wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruches, unabhängig vom Alter des Kindes, auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträger das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen, wobei Paragraph 183, AußStrG sinngemäß anzuwenden ist. Für Entscheidungen über Kostenersatzfragen nach dem JWG ist die Zuständigkeit des Rechtspflegers gegeben (EvBl 1998/97; ÖA 1999, 177).

§ 28 Abs 1 JWG in der Fassung vor der Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998, BGBl I 1999/53, lautete: "Zur vollen Erziehung gehören Pflege und Erziehung des Minderjährigen in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung (§ 12 Abs 1 Z 5)."Paragraph 28, Absatz eins, JWG in der Fassung vor der Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998, BGBl römisch eins 1999/53, lautete: "Zur vollen Erziehung gehören Pflege und Erziehung des Minderjährigen in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung (Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 5,)."

Durch die erwähnte Novelle, die am 1.7.1999 in Kraft getreten ist, wurde § 28 Abs 1 JWG wie folgt geändert: "Volle Erziehung umfasst die Pflege und Erziehung des Minderjährigen in einer Pflegefamilie, bei Personen gemäß § 21 Abs 2, in einem Heim, in einer sonstigen Einrichtung (§ 12 Abs 1 Z 7) oder durch nicht ortsfeste Formen der Pädagogik, sofern der Jugendwohlfahrtsträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut wurde."Durch die erwähnte Novelle, die am 1.7.1999 in Kraft getreten ist, wurde Paragraph 28, Absatz eins, JWG wie folgt geändert: "Volle Erziehung umfasst die Pflege und Erziehung des Minderjährigen in einer Pflegefamilie, bei Personen gemäß Paragraph 21, Absatz 2,, in einem Heim, in einer sonstigen Einrichtung (Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 7,) oder durch nicht ortsfeste Formen der Pädagogik, sofern der Jugendwohlfahrtsträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut wurde."

Wie bereits im Schreiben des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 27.8.2001, AS 79 f, festgehalten worden ist, führen die Erläuterungen in der Regierungsvorlage (1556 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrates XX. GP) dazu aus: "Die Vielfalt der in den letzten Jahren entstandenen Formen der Betreuung Minderjähriger in voller Erziehung, insbesondere Angebote der Erlebnispädagogik, welche außerhalb traditioneller Einrichtungen durchgeführt werden, haben es notwendig gemacht, die volle Erziehung mittels Legaldefinition von Angeboten zur Unterstützung der Erziehung abzugrenzen. Zentrales Kriterium für die Abgrenzung zwischen voller Erziehung und Unterstützung der Erziehung ist die Betrauung des Jugendwohlfahrtsträgers mit Pflege und Erziehung des Minderjährigen. Nur wenn diese dem Jugendwohlfahrtsträger zur Gänze zustehen, liegt volle Erziehung im Sinne des Gesetzes vor. Der Jugendwohlfahrtsträger kann im Wege einer schriftlichen Vereinbarung gemäß § 29 Abs 1 oder durch Gerichtsbeschluss mit Pflege und Erziehung betraut werden."Wie bereits im Schreiben des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 27.8.2001, AS 79 f, festgehalten worden ist, führen die Erläuterungen in der Regierungsvorlage (1556 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrates römisch XX. GP) dazu aus: "Die Vielfalt der in den letzten Jahren entstandenen Formen der Betreuung Minderjähriger in voller Erziehung, insbesondere Angebote der Erlebnispädagogik, welche außerhalb traditioneller Einrichtungen durchgeführt werden, haben es notwendig gemacht, die volle Erziehung mittels Legaldefinition von Angeboten zur Unterstützung der Erziehung abzugrenzen. Zentrales Kriterium für die Abgrenzung zwischen voller Erziehung und Unterstützung der Erziehung ist die Betrauung des Jugendwohlfahrtsträgers mit Pflege und Erziehung des Minderjährigen. Nur wenn diese dem Jugendwohlfahrtsträger zur Gänze zustehen, liegt volle Erziehung im Sinne des Gesetzes vor. Der Jugendwohlfahrtsträger kann im Wege einer schriftlichen Vereinbarung gemäß Paragraph 29, Absatz eins, oder durch Gerichtsbeschluss mit Pflege und Erziehung betraut werden."

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sprechen diese erläuternden Bemerkungen sowie die Formulierung der Einschübe in § 28 Abs 1 JWG durch die zitierte Novelle für die von der Rekurswerberin dargelegte Interpretation, dass sich die Forderung der "Betrauung des Jugendwohlfahrtsträgers mit der Pflege und Erziehung zur Gänze" nur auf die durch die Novelle eingefügten Maßnahmen bezieht. Schon bisher war nämlich Voraussetzung für die Unterbringung eines Minderjährigen in einer Pflegefamilie gegen den Willen der bisher Obsorgeberechtigten, dass der Jugendwohlfahrtsträger mit der Pflege und Erziehung betraut worden ist.Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sprechen diese erläuternden Bemerkungen sowie die Formulierung der Einschübe in Paragraph 28, Absatz eins, JWG durch die zitierte Novelle für die von der Rekurswerberin dargelegte Interpretation, dass sich die Forderung der "Betrauung des Jugendwohlfahrtsträgers mit der Pflege und Erziehung zur Gänze" nur auf die durch die Novelle eingefügten Maßnahmen bezieht. Schon bisher war nämlich Voraussetzung für die Unterbringung eines Minderjährigen in einer Pflegefamilie gegen den Willen der bisher Obsorgeberechtigten, dass der Jugendwohlfahrtsträger mit der Pflege und Erziehung betraut worden ist.

Im Übrigen bringt eine Obsorgeübertragung nach § 186 a ABGB das Pflegeverhältnis iSd § 186 ABGB in der Fassung vor dem Kindschaftsrechts-Änderungs- gesetz 2001, BGBl I 2000/135, keinesfalls zum Erlöschen. Dieses Pflegeverhältnis wird vielmehr durch die übertragene Obsorge lediglich auf eine qualifizierte Stufe gehoben und zugleich überlagert (Stabentheiner in Rummel3, § 186 a Rz 1 a).Im Übrigen bringt eine Obsorgeübertragung nach Paragraph 186, a ABGB das Pflegeverhältnis iSd Paragraph 186, ABGB in der Fassung vor dem Kindschaftsrechts-Änderungs- gesetz 2001, BGBl römisch eins 2000/135, keinesfalls zum Erlöschen. Dieses Pflegeverhältnis wird vielmehr durch die übertragene Obsorge lediglich auf eine qualifizierte Stufe gehoben und zugleich überlagert (Stabentheiner in Rummel3, Paragraph 186, a Rz 1 a).

Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren mehrfach im Zusammenhang mit der Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen und dem Versagungsgrund nach § 2 Abs 2 Z 2 UVG mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen bei Unterbringung eines Minderjährigen in einer Pflegefamilie aufgrund einer Maßnahme der vollen Erziehung ein Anspruch auf Vorschüsse besteht oder nicht. In diesem Zusammenhang wurde die Auffassung vertreten, dass die Übertragung der Obsorge an die Pflegeeltern iSd § 186 a ABGB nicht mit einer Maßnahme der vollen Erziehung gleichgesetzt werden kann (RIS-Justiz RS0048889). Es genügt auch nicht, dass neben der bloßen Obsorgeübertragung nach § 186 a ABGB auf Pflegeeltern eine Pflegebewilligung nach § 16 JWG erteilt und die Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe getragen werden. Vielmehr muss die Pflege und Erziehung eines Kindes in einer Pflegefamilie ausdrücklich als Maßnahme der vollen Erziehung statuiert und erfasst werden (1 Ob 348/99 d, 9 Ob 27/00 m ua). Als weiteres Kriterium für das Vorliegen eines bescheidmäßigen Zuweisungsaktes wird von der Judikatur der Umstand berücksichtigt, ob die Pflegeeltern einen Rechtsanspruch auf Pflegegeld nach den jeweiligen Landes-Jugendwohlfahrtsgesetzen haben (EF 69.396; RZ 1997/28; 1 Ob 613/95; 8 Ob 299/99 z; 1 Ob 348/99 d; 9 Ob 27/00 m). Gemäß § 12 Abs 3 Vlbg L-JWG ist jenen Personen, die einen Minderjährigen im Rahmen einer Maßnahme nach Abs 1 in Pflege und Erziehung übernommen haben, zur Erleichterung der mit der Pflege verbundenen Lasten ein Pflegegeld zu gewähren, soweit sie dem Kind nicht selbst Unterhalt schulden oder Unterhaltsleistungen für das Kind erhalten. Somit handelt es sich nach dem Vlbg L-JWG nicht nur um eine "Kannbestimmung" wie etwa im Wiener L-JWG, sondern um eine "Mussbestimmung" wie auch in Niederösterreich (RZ 1994/10) oder in Tirol (RZ 1997/28). Aus dieser rechtlichen Verpflichtung des Landes zur Gewährung von Pflegegeldern ist somit gleichfalls abzuleiten, dass es sich bei der Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie auch nach einer Obsorgeübertragung gemäß § 186 a ABGB um eine Maßnahme der vollen Erziehung handelt.Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren mehrfach im Zusammenhang mit der Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen und dem Versagungsgrund nach Paragraph 2, Absatz 2, Ziffer 2, UVG mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen bei Unterbringung eines Minderjährigen in einer Pflegefamilie aufgrund einer Maßnahme der vollen Erziehung ein Anspruch auf Vorschüsse besteht oder nicht. In diesem Zusammenhang wurde die Auffassung vertreten, dass die Übertragung der Obsorge an die Pflegeeltern iSd Paragraph 186, a ABGB nicht mit einer Maßnahme der vollen Erziehung gleichgesetzt werden kann (RIS-Justiz RS0048889). Es genügt auch nicht, dass neben der bloßen Obsorgeübertragung nach Paragraph 186, a ABGB auf Pflegeeltern eine Pflegebewilligung nach Paragraph 16, JWG erteilt und die Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe getragen werden. Vielmehr muss die Pflege und Erziehung eines Kindes in einer Pflegefamilie ausdrücklich als Maßnahme der vollen Erziehung statuiert und erfasst werden (1 Ob 348/99 d, 9 Ob 27/00 m ua). Als weiteres Kriterium für das Vorliegen eines bescheidmäßigen Zuweisungsaktes wird von der Judikatur der Umstand berücksichtigt, ob die Pflegeeltern einen Rechtsanspruch auf Pflegegeld nach den jeweiligen Landes-Jugendwohlfahrtsgesetzen haben (EF 69.396; RZ 1997/28; 1 Ob 613/95; 8 Ob 299/99 z; 1 Ob 348/99 d; 9 Ob 27/00 m). Gemäß Paragraph 12, Absatz 3, Vlbg L-JWG ist jenen Personen, die einen Minderjährigen im Rahmen einer Maßnahme nach Absatz eins, in Pflege und Erziehung übernommen haben, zur Erleichterung der mit der Pflege verbundenen Lasten ein Pflegegeld zu gewähren, soweit sie dem Kind nicht selbst Unterhalt schulden oder Unterhaltsleistungen für das Kind erhalten. Somit handelt es sich nach dem Vlbg L-JWG nicht nur um eine "Kannbestimmung" wie etwa im Wiener L-JWG, sondern um eine "Mussbestimmung" wie auch in Niederösterreich (RZ 1994/10) oder in Tirol (RZ 1997/28). Aus dieser rechtlichen Verpflichtung des Landes zur Gewährung von Pflegegeldern ist somit gleichfalls abzuleiten, dass es sich bei der Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie auch nach einer Obsorgeübertragung gemäß Paragraph 186, a ABGB um eine Maßnahme der vollen Erziehung handelt.

Nach dem Akteninhalt wurde den Eltern bereits mit Beschluss des Bezirksgerichtes F***** vom 15.9.1994 die Obsorge entzogen und diese dem jeweiligen Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Das Mädchen befindet sich seit damals ständig auf Pflegeplätzen. Die Initiative zur Unterbringung des Kindes bei den Pflegeeltern Armin und Christine H***** ging gleichfalls von der zu diesem Zeitpunkt obsorgeberechtigten Jugendwohlfahrtsbehörde aus, sodass die Pflege und Erziehung des Kindes in der Pflegefamilie ausdrücklich als Maßnahme der vollen Erziehung statuiert und erfasst wurde. Wie schon oben ausgeführt worden ist, bringt eine Obsorgeübertragung nach § 186 a ABGB das einmal begründete Pflegeverhältnis nicht zum Erlöschen. Schließlich wird auch vom Erstgericht nicht das Vorbringen der Rekurswerberin in ihrem Antrag ON 15 in Zweifel gezogen, dass die Kosten der Unterbringung von derzeit monatlich ATS 6.600,-- vom Jugendwohlfahrtsträger bezahlt werden.Nach dem Akteninhalt wurde den Eltern bereits mit Beschluss des Bezirksgerichtes F***** vom 15.9.1994 die Obsorge entzogen und diese dem jeweiligen Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Das Mädchen befindet sich seit damals ständig auf Pflegeplätzen. Die Initiative zur Unterbringung des Kindes bei den Pflegeeltern Armin und Christine H***** ging gleichfalls von der zu diesem Zeitpunkt obsorgeberechtigten Jugendwohlfahrtsbehörde aus, sodass die Pflege und Erziehung des Kindes in der Pflegefamilie ausdrücklich als Maßnahme der vollen Erziehung statuiert und erfasst wurde. Wie schon oben ausgeführt worden ist, bringt eine Obsorgeübertragung nach Paragraph 186, a ABGB das einmal begründete Pflegeverhältnis nicht zum Erlöschen. Schließlich wird auch vom Erstgericht nicht das Vorbringen der Rekurswerberin in ihrem Antrag ON 15 in Zweifel gezogen, dass die Kosten der Unterbringung von derzeit monatlich ATS 6.600,-- vom Jugendwohlfahrtsträger bezahlt werden.

Nach Ansicht des Rekursgerichtes hindert sohin die Bestimmung des § 28 Abs 1 JWG idgF im hier zu entscheidenden Fall grundsätzlich nicht eine Verpflichtung der Mutter zum Kostenersatz gemäß §§ 33, 34, 40 JWG. Für die Bemessung des Kostenersatzes sind die Regelungen des Unterhaltsrechtes nach §§ 140 ff ABGB maßgeblich und es gelten dieselben Grundsätze, wie sie für die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes Anwendung finden. Dazu hat das Erstgericht jedoch aufgrund einer vom Rekursgericht nicht geteilten Rechtsansicht keine Erhebungen durchgeführt und Feststellungen getroffen, sodass der bekämpfte Beschluss aufzuheben und die Pflegschaftssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Pflegschaftsgericht zurückzuverweisen ist.Nach Ansicht des Rekursgerichtes hindert sohin die Bestimmung des Paragraph 28, Absatz eins, JWG idgF im hier zu entscheidenden Fall grundsätzlich nicht eine Verpflichtung der Mutter zum Kostenersatz gemäß Paragraphen 33,, 34, 40 JWG. Für die Bemessung des Kostenersatzes sind die Regelungen des Unterhaltsrechtes nach Paragraphen 140, ff ABGB maßgeblich und es gelten dieselben Grundsätze, wie sie für die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes Anwendung finden. Dazu hat das Erstgericht jedoch aufgrund einer vom Rekursgericht nicht geteilten Rechtsansicht keine Erhebungen durchgeführt und Feststellungen getroffen, sodass der bekämpfte Beschluss aufzuheben und die Pflegschaftssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Pflegschaftsgericht zurückzuverweisen ist.

Anmerkung

EFE00043 01r02341x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00929:2001:00100R00234.01X.0917.000

Dokumentnummer

JJT_20010917_LG00929_00100R00234_01X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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