TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/13 2004/18/0399

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Veröffentlicht am 13.02.2007
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des SJ, geboren 1975, vertreten durch Dr. Stefan Eigl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lederergasse 33b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. September 2004, Zl. St 7/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. September 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Mai 1995 als Tourist von Tunesien nach Österreich eingereist und habe sich hier niedergelassen. Zuletzt sei ihm ein bis zum 7. September 2001 befristeter Aufenthaltstitel für jeglichen Aufenthaltszweck erteilt worden. Am 4. September 2001 habe er beim Magistrat Linz einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels eingebracht. Über diesen Antrag sei bisher nicht entschieden worden, weil er die erforderlichen Unterlagen nicht beigebracht habe. Anlässlich seiner Antragstellung sei er auch aufgefordert worden, zur Sicherung seines Lebensunterhaltes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, was ihm auf Grund einer bis zum 27. Juni 2003 gültigen Arbeitserlaubnis möglich gewesen wäre. Es sei ihm in dieser Zeit nicht gelungen, eine dauerhafte Anstellung bei einem Arbeitgeber zu erlangen. Er habe überwiegend nicht gearbeitet und sei nicht krankenversichert gewesen. Zuletzt sei er bei der Firma F. beschäftigt gewesen. Er habe jedoch selbst gekündigt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. November 1996 sei der Beschwerdeführer gemäß § 127, § 83 Abs. 1, und § 15, § 107 (richtig § 105) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt worden. Er habe am 17. Juli 1996 seiner damaligen Lebensgefährtin Christa W. ATS 1000,- mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch Zueignung des Geldes zu bereichern. Außerdem habe er diese durch Versetzen von Faustschlägen verletzt und sie ferner durch die Äußerung "Wenn du mich bei der Polizei anzeigst, mach ich dich kaputt. Mir ist das sicher egal", zur Unterlassung der Anzeigeerstattung genötigt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 7. November 2002 sei er gemäß § 15, § 105 Abs. 1, § 125, § 107 Abs. 1 und 2, sowie § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Er habe am 23. Mai 2001 den Horst A. durch die Äußerung "Lass meine Frau in Ruhe, sonst gibt's etwas. Ich hole 300 Ausländer, die dich tot machen! Ich werde dich umbringen, wenn du meine Frau noch einmal schnappst!", dazu genötigt, dass dieser von jeglichem Kontakt zu seiner (damaligen) Frau Abstand nehme. Diese Äußerungen seien durch die Ausführung einer eindeutigen Handbewegung, die das Durchschneiden der Kehle angedeutet habe, begeleitet gewesen. Weiters habe er am 5. März 2002 den Mohamed I. durch Versetzen mehrerer Faustschläge am Körper verletzt und fremde Sachen beschädigt, indem er mit einem Sessel die Glastür des Gastlokales 'Islamischer Kulturverein' eingeschlagen, eine Stereoanlage vom Tisch geworfen und das T-Shirt des Mohamed I. zerrissen habe. Am 19. Jänner 2002 habe er Angela K. mit dem Tod bedroht, indem er ihr ein Küchenmesser vorgehalten und dabei geäußert habe "Pass auf, was du tust". Am 27. September 2001 und am 17. Jänner 2002 habe er Angela K. durch das Versetzen eines Kopfstoßes verletzt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 30. September 2003 sei er gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt worden, weil er am 8. Mai 2003 (seine nunmehrige Lebensgefährtin) Mag. Karin H. durch Tätlichkeiten verletzt habe.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1995 im Bundesgebiet auf und habe am 17. August 1996 die österreichische Staatsangehörige Elke Maria O. geheiratet. Diese Ehe sei mittlerweile (am 27. Jänner 2000) geschieden worden. Aus dieser Ehe entstamme die Tochter des Beschwerdeführers. Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. Oktober 2003 sei er von der Absicht, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit gegeben worden, seine Privat- und Familienverhältnisse bekannt zu geben und zum Sachverhalt Stellung zu nehmen.

In seiner Stellungnahme vom 29. November 2003 habe er angegeben, dass er für sich in Tunesien keine Zukunft sehen würde. Er wäre schon lange in Österreich und wäre gewohnt, hier zu leben. Er hätte eine siebenjährige Tochter, die in Linz lebte. Seit ca. eineinhalb Jahren (seit 2002) hätte er eine neue Lebensgefährtin, Mag. Karin H., gefunden. Ab 1. Februar 2004 könnte er bei der Malerfirma H. als Lehrling anfangen. Diesbezüglich wäre schon ein Antrag auf Beschäftigungsbewilligung beim AMS gestellt worden. Er hätte vor, sich zu ändern und eine Therapie zu machen.

Am 24. Februar 2004 sei der Beschwerdeführer wegen Verdachts der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und der Sachbeschädigung angezeigt worden. Überdies sei über ihn ein Betretungsverbot verhängt worden, weil es wiederum zu tätlichen Auseinandersetzungen mit seiner Lebensgefährtin Mag. Karin H. gekommen sei. Er habe seine Lebensgefährtin auf den Kopf, die Ohren und die Oberarme geschlagen und mit den Füßen gegen ihre Knie und Schienbeine getreten, wodurch diese einen Bluterguss am linken Unterschenkel, eine Rötung beider Knie, eine Schwellung am linken Oberarm und eine Abschürfung am linken Ellbogen erlitten habe. Dieses Fehlverhalten habe er im Zug der niederschriftlichen Einvernahme vom 25. Februar 2004 eingestanden.

Durch das Aufenthaltsverbot werde in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Der Eingriff in sein Familienleben sei insofern zu relativieren, als er in Österreich lediglich eine Lebensgefährtin habe und diese Lebensbeziehung "bei genauerer Betrachtung der Vorfälle in der Vergangenheit" - es sei immer wieder zu Streitigkeiten gekommen - noch nicht stabilisiert sei. Auch in beruflicher Hinsicht könne der Beschwerdeführer noch nicht als vollständig integriert angesehen werden. Seit seiner Einreise im Jahr 1995 habe er sich in regelmäßigen Abständen strafbar gemacht. Selbst die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen habe den Beschwerdeführer nicht davon abzuhalten vermocht, neuerlich in der gleichen Art und Weise (mit seinem Verhalten) fortzufahren. Insbesondere sei zu beachten, dass er einem Opfer bereits einmal ein Küchenmesser vorgehalten und mit dem Tod gedroht habe. Von der Androhung zur tatsächlichen Ausführung einer Straftat sei es oftmals nur ein kleiner Schritt. Umso gefährlicher seien gefährliche Drohungen einzuschätzen, wenn bereits Waffen oder andere gefährliche Gegenstände (Küchenmesser) mit im Spiel seien. Es sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung habe nicht das Auslangen gefunden werden können. Insbesondere auf Grund der Regelmäßigkeit der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers sei von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch zu machen gewesen.

Da unter Abwägung aller angeführten Tatsachen im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Daran vermöge auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine "Läuterung" nach dem erstmaligen Haftübel nichts zu ändern. Auf Grund der Regelmäßigkeit der Straftaten und der Tatsache, dass er sogar nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotes neuerlich straffällig geworden sei, sei der Hinweis auf das verspürte "Haftübel" zu wenig, um eine grundlegende Umstellung seiner Einstellung nachzuweisen. Daran könne das Vorbringen des Beschwerdeführers, sich in psychologischer Betreuung zu befinden, nichts ändern.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer stellt die im angefochtenen Bescheid genannten rechtskräftigen Verurteilungen nicht in Abrede. Er ist insgesamt dreimal wegen vorsätzlicher Körperverletzung und zweimal wegen versuchter Nötigung durch gefährliche Drohung, sohin wegen strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, verurteilt worden. Zudem wurde er je einmal wegen Diebstahls und Sachbeschädigung verurteilt. Es besteht daher kein Zweifel daran, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfüllt ist.

2. Durch sein Gesamtfehlverhalten hat er gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität und der Eigentumskriminalität (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. März 2003, Zl. 2000/18/0074, bzw. vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0451) verstoßen. Er hat sich durch die strafgerichtlichen Verurteilungen nicht davon abhalten lassen, neuerlich straffällig zu werden. Überdies hat sich der Beschwerdeführer - was er nicht bestreitet - auch durch die Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotes vom 11. Dezember 2003 nicht davon abhalten lassen, gegen seine Lebensgefährtin Mag. Karin H. tätlich zu werden und sie auf den Kopf, die Ohren und die Oberarme zu schlagen und mit den Füßen gegen ihre Knie und Schienbeine zu treten, wodurch diese mehrere Verletzungen erlitten hat. Wegen dieses Fehlverhaltens wurde er am 24. Februar 2004 wegen des Verdachts der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und der Sachbeschädigung angezeigt. In Anbetracht dieses beharrlichen Fehlverhaltens und in Ermangelung außergewöhnlicher Umstände, die ausnahmsweise ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers gewährleisten könnten - eine erlittene Strafhaft stellt keinen solchen Umstand dar -, kann für ihn keine günstige Verhaltensprognose getroffen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0556, vom 19. Mai 2004, Zl. 2000/18/0233, und vom 8. November 2006, Zl. 2004/18/0030). Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet daher keinem Einwand.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 1995, seine daraus ableitbare Integration sowie den Umstand, dass er seit 2002 mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin zusammen lebt, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Auch eine einvernehmliche Auflösung des letzten Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers (statt der festgestellten Kündigung des Dienstverhältnisses durch diesen) würde nichts an dem Umstand ändern, dass sich der Beschwerdeführer trotz seines langen inländischen Aufenthaltes nicht in den inländischen Arbeitsmarkt integrieren konnte.

Den insgesamt dennoch erheblichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht die von seinen Straftaten ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Berücksichtigt man das gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewalt- und der Eigentumskriminalität (II.2.), kann die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der in Art 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dies auch unter Einbeziehung des von der belangten Behörde nicht berücksichtigten Umstandes, dass die Tochter des Beschwerdeführers in Österreich lebt. Dem Beschwerdevorbringen, Kinder hätten das Recht, vom Vater besucht zu werden, ist entgegenzuhalten, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass nicht ein, wenn auch eingeschränkter Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter durch Besuche im Ausland aufrecht erhalten werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0024).

4. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Februar 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004180399.X00

Im RIS seit

30.03.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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