TE OGH 2001/9/25 1Ob134/01i

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Veröffentlicht am 25.09.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Regina Z*****, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Norbert O*****, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger, Dr. Brigitte Haßlinger und Mag. Christian Planinc, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen Entfernung eines Holzzauns (Streitwert 40.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2000, GZ 17 R 216/00k-20, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. März 2001, GZ 17 R 216/00k-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Eibiswald vom 13. September 2000, GZ 2 C 141/00y-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die jetzt 56jährige Klägerin übergab mit Notariatsakt vom 16. September 1997 ihre Hälfteanteile an zwei näher bezeichneten Liegenschaften dem Beklagten, ihrem jetzt 30jährigen Sohn, der Eigentümer der übrigen Liegenschaftsanteile im Verlassenschaftsverfahren nach seinem Vater geworden war. Der Beklagte übernahm darin die auf den Liegenschaften haftenden Lasten, räumte der Klägerin ein lebenslanges, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohnrecht in dem auf einer dieser Liegenschaften befindlichen sogenannten Althaus ein, verpflichtete sich zur Tragung der Betriebs- und Energiekosten sowie zu gewissen Adaptierungen und zur Zahlung einer wertgesicherten monatlichen Leibrente von 2.000 S. Bei Abschluss des Notariatsakts befanden sich gegenüber dem Wohn- und Schlafzimmer der Klägerin ein Wirtschaftsgebäude und ein 6 m hoher Silo, die beide Ende 1997/Anfang 1998 abgerissen wurden.

Im April und Mai 1998 errichtete der Beklagte im Zuge von Meinungsverschiedenheiten mit der Klägerin - sie beschimpfte insbesondere Besucher des Beklagten, warf diverse Gegenstände (Speisereste, Alteisen, Glasdosen, Blumenstöcke, Asche, Plastik, Fliesen, eine tote Maus und eine Nußkrone) aus ihrem Fenster und brachte verschiedene "handschriftliche Vermerke" an der Eingangstür des Beklagten mit einem Nagel an - einen 2,10 - 2,20 m hohen, blickdichten Holzzaun vor dem von der Klägerin bewohnten Althauses an drei Seiten; die vierte (Nord-)Seite grenzt an eine Straße. Der Zaun ist etwa 1,40 m vom Küchenfenster und etwa 1,90 m vom Badezimmer- sowie vom Schlafzimmerfenster der Klägerin entfernt. Der Lichteinfall in das Haus wird durch den Zaun nicht beschränkt, allerdings existieren "optische Beeinträchtigungen". Der Ausblick aus dem Küchenfenster ist durch den Zaun zur Hälfte verstellt, die Sichtbehinderung im Wohnzimmer nimmt _ des Fensters ein und im Schlafzimmer verdeckt der Zaun das Fenster bis zu 4/5. Die Klägerin empfindet die Einschränkung durch den Zaun subjektiv sehr stark ("herzzerreißend").

Sie begehrte die Entfernung des Zauns, weil ihre Wohnqualität in unzumutbarer Weise beeinträchtigt und sie gleichsam gezwungen sei, wie in einem Käfig zu wohnen. Darin liege eine unzumutbare Einschränkung der Ausübung ihres Wohnrechts.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Entzug der Aussicht begrifflich keine Immission iSd § 364 Abs 2 ABGB sei und die Errichtung des Zauns nicht aus Schikane, sondern deshalb erfolgt sei, um die Lebensbereiche der Streitteile abzugrenzen.

Die zweite Instanz gab dem Klagebegehren unter den Gesichtspunkten des § 523 ABGB, der Auslegung des Erwerbstitels zur Bestimmung des Umfangs der eingeräumten Dienstbarkeit und der dabei notwendigen Abwägung der Interessen der klagenden Servitutsberechtigten und des beklagten servitutsbelasteten Eigentümers und Störers statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige, und ließ im Verfahren nach § 508 ZPO die ordentliche Revision nachträglich zu.

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a ZPO) liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Anwendung der vom Berufungsgericht richtig dargestellten Rechtsgrundsätze auf einen konkreten Einzelfall, von dem kaum anzunehmen ist, dass er in dieser Form auch weiteren Rechtsstreitigkeiten zugrunde liegen wird, ist nicht revisibel. Die Zulässigkeit der Revision hat zur Voraussetzung, dass im Einzelfall dargetan wird, aus welchen Gründen der Entscheidung über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042742).

In casu nimmt die Klägerin als Servitutsberechtigte gegenüber dem Beklagten als Servitutsbelasteten den Schutz ihres dinglichen Wohnrechts (§ 478, § 521 ABGB) nach § 523 ABGB (Servitutenklage oder actio confessoria) durch Entfernung des Zauns, somit die Wiederherstellung des früheren Zustands, in Anspruch.

Das Ausmaß einer persönlichen Servitut und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richten sich nach dem Inhalt des Titels und bei dessen Auslegung insbesondere nach Natur und Zweck der Dienstbarkeit bei deren Einräumung. Aus dem insoweit klaren Text des Vertrags der Streitteile, die davon abweichende Vereinbarungen gar nicht behaupteten, ergibt sich das Recht der Klägerin, den "Altbau" zu bewohnen. Die in § 521 ABGB geregelte Dienstbarkeit der Wohnung unterliegt entweder der Grundsätzen des Gebrauchsrechts (§§ 504 ff ABGB) oder ist den Regeln der Fruchtnießung (§§ 509 ff ABGB) unterworfen und gewährt, wie die zweite Instanz zutreffend erkannte, in beiden Fällen die Befugnis, die Wohnräume oder - wie hier - ein ganzes Einfamilienhaus im Rahmen seiner Bedürfnisse zu benützen (8 Ob 55/97i = MietSlg 50.038). Zu diesen Bedürfnissen des Wohnungsdienstbarkeitsberechtigten zählt zweifellos auch der ungehinderte Ausblick aus den Fenstern der Wohnräume, dies jedenfalls dann, wenn der Ausblick - wie hier - bei Einräumung der Servitut durch einen unmitelbar vor oder doch ganz nahe den Fenstern aufgerichteten, noch dazu die Sicht zur Gänze verstellenden Zaun noch nicht verwehrt war.

Klagegrund der Servitutenklage ist jede Störung der Dienstbarkeit, selbst wenn sie nur geringfügig ist, aber doch dauernd wirkt oder wenn Wiederholung droht. Sie kann auf Beseitigung des Hindernisses oder der Beeinträchtigungen und gegen jeden gerichtet werden, der den Dienstbarkeitsberechtigten an der Ausübung seines Rechts hindert oder ihn darin stört. Als beachtliche Störungshandlung kommt jedes Verhalten in Betracht, das unter oder auch ohne Mitwirkung des Störers in adäquat-kausaler Weise eine Beeinträchtigung der Servitut zur Folge haben kann (1 Ob 36/95 mwN ua). Die Beschränkung der Rechtsausübung durch den Belasteten ist ohne zumindest schlüssige - hier indes nicht erteilte - Zustimmung des Berechtigten nur dann zulässig, wenn die Ausübung des Rechts dadurch nicht ernstlich erschwert oder gefährdet wird (Hofmann in Rummel3, § 484 ABGB Rz 5). Erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernisse (Beschränkungen der Rechtsausübung durch den Belasteten) müssen dagegen nicht hingenommen werden (MietSlg 48.023; RIS-Justiz RS0011733; Hofmann aaO § 484 ABGB Rz 1). So entspricht es etwa der Rsp, dass bei Wegeservituten selbst die Errichtung eines unversperrten Tors in der Regel nicht schlechthin, sondern nur dann erlaubt ist, wenn dies auf Grund einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Natur und des Zwecks der Dienstbarkeit dem Berechtigten zumutbar ist (Hofmann aaO § 484 ABGB Rz 5 mwN). Das muss auch dann gelten, wenn ein verbüchertes, inhaltlich nicht eingeschränktes Wohnrecht an einem Einfamilienhaus (vgl 1 Ob 533/95 = MietSlg 47.029), das vom Servitutsbelasteten an drei Seiten mit einem über 2 m hohen blickdichten, vom Haus bloß 1,40 m bis etwa 1,90 m entfernten Zaun umschlossen wird, zu beurteilen ist.Klagegrund der Servitutenklage ist jede Störung der Dienstbarkeit, selbst wenn sie nur geringfügig ist, aber doch dauernd wirkt oder wenn Wiederholung droht. Sie kann auf Beseitigung des Hindernisses oder der Beeinträchtigungen und gegen jeden gerichtet werden, der den Dienstbarkeitsberechtigten an der Ausübung seines Rechts hindert oder ihn darin stört. Als beachtliche Störungshandlung kommt jedes Verhalten in Betracht, das unter oder auch ohne Mitwirkung des Störers in adäquat-kausaler Weise eine Beeinträchtigung der Servitut zur Folge haben kann (1 Ob 36/95 mwN ua). Die Beschränkung der Rechtsausübung durch den Belasteten ist ohne zumindest schlüssige - hier indes nicht erteilte - Zustimmung des Berechtigten nur dann zulässig, wenn die Ausübung des Rechts dadurch nicht ernstlich erschwert oder gefährdet wird (Hofmann in Rummel3, § 484 ABGB Rz 5). Erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernisse (Beschränkungen der Rechtsausübung durch den Belasteten) müssen dagegen nicht hingenommen werden (MietSlg 48.023; RIS-Justiz RS0011733; Hofmann aaO § 484 ABGB Rz 1). So entspricht es etwa der Rsp, dass bei Wegeservituten selbst die Errichtung eines unversperrten Tors in der Regel nicht schlechthin, sondern nur dann erlaubt ist, wenn dies auf Grund einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Natur und des Zwecks der Dienstbarkeit dem Berechtigten zumutbar ist (Hofmann aaO § 484 ABGB Rz 5 mwN). Das muss auch dann gelten, wenn ein verbüchertes, inhaltlich nicht eingeschränktes Wohnrecht an einem Einfamilienhaus vergleiche 1 Ob 533/95 = MietSlg 47.029), das vom Servitutsbelasteten an drei Seiten mit einem über 2 m hohen blickdichten, vom Haus bloß 1,40 m bis etwa 1,90 m entfernten Zaun umschlossen wird, zu beurteilen ist.

Die zweite Instanz hat hier im Einklang mit den Grundsätzen der stRsp zu dem im § 484 ABGB vorgezeichneten Interessenausgleich zwischen der servitutsberechtigten Klägerin und dem beklagten Eigentümer und Störer entschieden (vgl 3 Ob 1517/86; RIS-Justiz RS0044201). Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit ist in ein billiges Verhältnis zu setzen. Nach den jeweiligen Verhältnissen soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie nur möglich geschadet werden. Die vom Gericht zweiter Instanz angestellte Interessenabwägung - mit der es die optische Beeinträchtigung und das subjektiv empfundene aber auch durchaus verständliche Engegefühl der Klägerin der vom Beklagten damit verübten Retorsion gegen zugegebenermaßen lästige Verhaltensweisen seiner Mutter gegenüberstellte, mit denen er, wie das Berufungsgericht zutreffend betont, diesen gar nicht wirksam abhelfen konnte, sodass sich die beanstandeten Vorkehrungen auf eine bloße, aber als solche unzulässige Strafsanktion reduzieren - trifft den Kern der Auseinandersetzung zwischen der Mutter als Ausgedingerin und dem Sohn als Gutsübernehmer und geht daher ganz eindeutig zu ihren Gunsten aus. Von einer vom Obersten Gerichtshof zu korrigierenden Fehleinschätzung des Sachverhalts durch das Gericht zweiter Instanz kann somit keine Rede sein.Die zweite Instanz hat hier im Einklang mit den Grundsätzen der stRsp zu dem im § 484 ABGB vorgezeichneten Interessenausgleich zwischen der servitutsberechtigten Klägerin und dem beklagten Eigentümer und Störer entschieden vergleiche 3 Ob 1517/86; RIS-Justiz RS0044201). Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit ist in ein billiges Verhältnis zu setzen. Nach den jeweiligen Verhältnissen soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie nur möglich geschadet werden. Die vom Gericht zweiter Instanz angestellte Interessenabwägung - mit der es die optische Beeinträchtigung und das subjektiv empfundene aber auch durchaus verständliche Engegefühl der Klägerin der vom Beklagten damit verübten Retorsion gegen zugegebenermaßen lästige Verhaltensweisen seiner Mutter gegenüberstellte, mit denen er, wie das Berufungsgericht zutreffend betont, diesen gar nicht wirksam abhelfen konnte, sodass sich die beanstandeten Vorkehrungen auf eine bloße, aber als solche unzulässige Strafsanktion reduzieren - trifft den Kern der Auseinandersetzung zwischen der Mutter als Ausgedingerin und dem Sohn als Gutsübernehmer und geht daher ganz eindeutig zu ihren Gunsten aus. Von einer vom Obersten Gerichtshof zu korrigierenden Fehleinschätzung des Sachverhalts durch das Gericht zweiter Instanz kann somit keine Rede sein.

Damit wird aber in der Revision weder eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfen, noch ist dem Berufungsgericht eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende rechtliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen. Die Revision ist damit als unzulässig zurückzuweisen. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO bedürfen diese Erwägungen keiner noch weiterführenden Begründung.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die Klägerin hat nur die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts dargetan, aber weder behauptet, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben seien, noch die Zurückweisung der Revision aus diesem Grund beantragt. Die Revisionsbeantwortung dient somit nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.Die Kostenentscheidung fußt auf den Paragraphen 40 und 50 ZPO. Die Klägerin hat nur die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts dargetan, aber weder behauptet, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben seien, noch die Zurückweisung der Revision aus diesem Grund beantragt. Die Revisionsbeantwortung dient somit nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Textnummer

E63530

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00134.01I.0925.000

Im RIS seit

25.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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