Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des WS in N, vertreten durch Dr. Jürgen Amann, Dr. Alexander Jehle und Dr. Alexander Juen, Rechtsanwälte in 6830 Rankweil, Brisera 12a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14. Februar 2006, Zl. UVS-1-829/E6-2005, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Februar 2006 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 16. Mai 2005 um 00.30 Uhr ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug an einem näher genannten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt; der Blutalkoholgehalt habe (Anm.: in der von der belangten Behörde berichtigten Fassung des Bescheidspruches) zum Lenkzeitpunkt (16. Mai 2005, 00.30 Uhr) 1,56 Promille betragen. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung des § 99 Abs. 1a i. V.m. § 5 Abs. 1 StVO begangen, weshalb über ihn eine (von der belangten Behörde herabgesetzte) Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet u. a. ein, es seien von den ermittelnden Beamten keinerlei Anstalten unternommen worden, um zu ermitteln, ob ein Nachtrunk stattgefunden habe oder nicht. Eine weiterführende Ermittlungstätigkeit sei zum damaligen Zeitpunkt (offenbar gemeint: zum Zeitpunkt des Einschreitens der Beamten) ohne Weiteres möglich gewesen. Die belangte Behörde habe es gleichfalls unterlassen, den Sachverhalt amtswegig zu erheben und die für die Erledigung maßgebenden Umstände vollständig zu ermitteln. Auf Grund dieser zu bemängelnden Vorgangsweise der ausführenden Beamten habe der Amtsarzt in seinem Gutachten vom 20. Juni 2005 auch zu keinem objektiv nachvollziehbaren Ergebnis gelangen können.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde von der belangten Behörde darauf hingewiesen, dass die im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung als Zeugen einvernommenen Beamten RI W. und Asp. H. übereinstimmend aussagten, der Beschwerdeführer habe bei der am 16. Mai 2005 um 09.36 Uhr vorgenommenen Alkomatuntersuchung angegeben, dass er vom Nachmittag des 15. Mai 2005 bis gegen Mitternacht bzw. 01.00 Uhr des 16. Juni 2005 mehrere Bier und harte Getränke getrunken habe. Der Beschwerdeführer habe aber mit Sicherheit nicht gesagt, dass er konkret zwei Flaschen Bier und zwei Stamperl Schnaps bis gegen 04.00 Uhr getrunken habe. Erst in der Rechtfertigung (vom 8. Juli 2005) habe der Beschwerdeführer gegenüber der Behörde erster Instanz einen Nachtrunk geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. Oktober 2006, Zl. 2005/02/0315, m.w.N.) im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beigemessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat. In Anbetracht der Wichtigkeit dieses Umstandes ist nach dieser Rechtsprechung davon auszugehen, dass vom Lenker auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit - von sich aus - hingewiesen wird. Weiters entspricht es der hg. Rechtsprechung (vgl. auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis), dass derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen hat.
Aus dem Umstand, dass die Zeugen angaben, der Beschwerdeführer habe ihnen gegenüber angegeben, er habe "bis gegen Mitternacht bzw. 01.00 Uhr" mehrere Bier und harte Getränke getrunken, ist für den Beschwerdeführer im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur bezüglich des erst nachträglich (im Rahmen der Rechtfertigung) behaupteten Nachtrunks schon deshalb nichts zu gewinnen, weil er bei der Amtshandlung keine konkreten Angaben über die Menge des konsumierten Alkohols gemacht hatte. Es begegnet daher im Lichte der vorzitierten Judikatur keinen rechtlichen Bedenken, wenn die belangte Behörde der erst nachträglich aufgestellten Nachtrunkbehauptung des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, es hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass er ein Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe: Er sei von RI Wagner sogleich mit dem Vorwurf konfrontiert worden, er habe "dieses Fahrzeug" sicher in alkoholisiertem Zustand gelenkt und habe nun zu blasen. Dieses Verhalten überrasche insofern, als der Beschwerdeführer selbst nach der Sachverhaltsdarstellung (offenbar gemeint: in der Anzeige) einen sicheren Gang, eine deutliche Aussprache und ein beherrschtes Benehmen gehabt habe.
Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass bei ihm - so schon nach der Anzeige, aber auch der Zeugenaussage des RI W. in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde - im Zuge der Amtshandlung vom Zeugen RI W. Alkoholgeruch wahrgenommen wurde. Die an ihn gerichtete Aufforderung zur Ablegung des Alkomattests bezog sich, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Amtshandlung (ca. 9 Stunden nach dem Verkehrsunfall) an die Unfallstelle mit einem Fahrrad zurückkehrte, zunächst auf den Verdacht des alkoholisierten Lenkens dieses Fahrrades (siehe auch die diesbezüglichen Ausführungen im Straferkenntnis vom 3. November 2005).
Das bei der anschließenden Messung erzielte Ergebnis (0,33 mg/l Atemalkoholgehalt) wurde jedoch, nachdem sich im Zuge weiterer Ermittlungen herausstellte, dass der Beschwerdeführer - entgegen seinen ursprünglichen Angaben - selbst zum Zeitpunkt des Unfalls ein näher genanntes Kraftfahrzeug lenkte, dahingehend verwertet, dass der Grad der Alkoholisierung des Beschwerdeführers auf den Unfallszeitpunkt mit Hilfe eines medizinischen Amtssachverständigen zurückgerechnet wurde, wobei die belangte Behörde in Korrektur der ursprünglichen Berechnungen einen für den Beschwerdeführer günstigeren Abbauwert (0,10 Promille pro Stunde) ihren Berechnungen zu Grunde legte, weshalb auch der Alkoholgehalt bezogen auf den Zeitpunkt des Unfalls von 1,75 Promille auf 1,56 Promille im Rahmen der von der belangten Behörde vorgenommenen Spruchänderung reduziert wurde. Angemerkt wird, dass von der belangten Behörde auf Grund dieser Spruchänderung auch die Höhe der Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) reduziert wurde.
Insofern der Beschwerdeführer im Hinblick auf den ca. 9- stündigen Zeitraum zwischen dem Verkehrsunfall und dem Alkomattest das Fehlen einer besonderen Begründung für das Vorliegen der Verpflichtung zur Ablegung eines solchen Tests rügt, übersieht er, dass im Zeitpunkt der Aufforderung auf Grund des vom Zeugen wahrgenommenen Alkoholgeruchs aus dem Mund des Beschwerdeführers und des wahrgenommenen Lenkens eines Fahrrades schon deshalb sehr wohl die Berechtigung zur Aufforderung eines Alkomattests gegeben war, ohne dass es einer besonderen Begründung für die Zulässigkeit der Durchführung des Alkomattests bedurft hätte. Es liegt daher auch kein wesentlicher Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides in diesem Zusammenhang vor.
Dass sich die belangte Behörde ohne nähere Begründung mit - nach Behauptung des Beschwerdeführers - widersprüchlichen Beweisergebnissen nicht auseinander gesetzt habe, trifft in dieser Form auch nicht zu, zumal bereits in der Begründung des - von der belangten Behörde im Wesentlichen bestätigten - Straferkenntnisses eingehend dargelegt wurde, weshalb den Ausführungen des Zeugen RI W. mehr Glauben als den Ausführungen des Beschwerdeführers geschenkt wurde. Darüber hinaus wertete auch die belangte Behörde die im Zuge des Berufungsverfahrens gemachten und wiederholten Aussagen des Zeugen RI W. und der Zeugin Asp. H. als glaubwürdig. Damit wurde im Rahmen der Beweiswürdigung auch hinreichend begründet, weshalb der vom Beschwerdeführer wiederholt vorgetragenen Version, das in Rede stehende Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht gelenkt zu haben, kein Glauben geschenkt wurde. Den gerügten Ermittlungs- und Verfahrensfehlern fehlt es daher an Relevanz.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, dass von einem medizinischen Sachverständigen hätte geprüft werden müssen, welche Auswirkungen die Verwendung des Mundwassers einer näher genannten Marke auf die Berechnung des Alkoholgehaltes im Blut bzw. auf die Richtigkeit einer Atemluftmessung gehabt habe.
Wie die belangte Behörde zutreffend in der erstatteten Gegenschrift ausführt, hat der Beschwerdeführer nie im Zuge des behördlichen Verwaltungsstrafverfahrens behauptet, zwischen dem Lenkzeitpunkt und der Atemluftuntersuchung das in Rede stehende Mundwasser benützt zu haben. Auch in der mündlichen Verhandlung wurde von ihm lediglich allgemein aufgeführt, das er "Mundwasser nehme". Die belangte Behörde war jedoch nicht gehalten, dem auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinauslaufenden Begehren des Beschwerdeführers Folge zu leisten. Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, anlässlich der Amtshandlung auf die Verwendung eines alkoholhaltigen Mundwassers hinzuweisen (vgl. die obigen Ausführungen zum "Nachtrunk").
Insoweit der Beschwerdeführer die unterlassene Einvernahme des Zeugen R. S. für die Bestätigung der "Nüchternheit" des Beschwerdeführers rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Zeuge - wie der Beschwerdeführer in seinem an die belangte Behörde im Zuge der mündlichen Verhandlung gerichteten Beweisantrag selbst zu erkennen gibt - lediglich hätte bestätigen können, dass der Beschwerdeführer "zumindest bis 21.00 Uhr" des 15. Mai 2005 in nüchternem Zustand mit der Prüfung von Saldenlisten in einem näher genannten Unternehmen beschäftigt gewesen sei.
Da ein verwertbares Messergebnis der Alkomatuntersuchung vorlag, kam es weder auf die Aussage dieses Zeugen über den Alkoholisierungsgrad des Beschwerdeführers für einen einige Stunden vor dem Lenken eines Fahrzeugs liegenden Zeitraum, noch auf jene des Zeugen D. - beide medizinische Laien -, der mit dem Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Unfall Kontakt hatte und dabei laut seiner Aussage vor der belangten Behörde keine Alkoholisierungssymptome des Beschwerdeführers habe feststellen können, an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2003, Zl. 2001/02/0139, und die dort zitierte, diesbezügliche hg. Vorjudikatur). Es liegt daher kein Verfahrensmangel vor.
Insoweit der Beschwerdeführer die Ermächtigung des Zeugen RI W. "zur Vornahme dieser Amtshandlung" (offenbar gemeint: zur Durchführung der Alkomatuntersuchung) sowie die Eichung des Alkomaten in Zweifel zieht, ist er auf die diesbezüglichen Angaben in der Anzeige sowie auf die diese Angaben bestätigende Aussage des Zeugen RI W. im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zu verweisen.
Ferner rügt der Beschwerdeführer die unterlassene Übermittlung einer Ausfertigung der Verhandlungsschrift der Berufungsverhandlung.
Nach § 14 Abs. 6 AVG ist den beigezogenen Personen "auf Verlangen" eine Ausfertigung der Niederschrift auszufolgen oder zuzustellen. Anhaltspunkte dafür, dass seitens des Beschwerdeführers oder seines Rechtsvertreters ein derartiges Verlangen gestellt worden wäre, finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht. Die in der verwendeten Maske der Niederschrift vorgesehen Spalte "Eine Ausfertigung der Verhandlungsschrift wird verlangt von:" blieb unausgefüllt. Es liegt daher kein - unabhängig von der Frage der Relevanz (vgl. § 17 AVG) - Verfahrensmangel vor.
Geradezu mutwillig erscheint das Vorbringen, es sei nicht klar, welcher Lenkzeitpunkt gemeint sei, auf den die Rückrechung der belangten Behörde bezüglich des Alkoholgehaltes erfolgt sei, zumal sich aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des angefochtenen Bescheids unmissverständlich ergibt, dass sich die Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt 00.30 Uhr des 16. Mai 2005 bezog.
Darüber hinaus kam es bei der Rückrechnung des Alkoholisierungsgrades des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Lenkens, auch nicht auf das Körpergewicht und die Körpergröße des Beschwerdeführers an, zumal nach der hg. Judikatur der durchschnittliche Verbrennungswert des Alkohols im Blut im Verlauf einer Stunde ungefähr 0,10 bis 0,12 %o beträgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juli 1997, Zl. 97/02/0123, m.w.N.). Die belangte Behörde war angesichts der vom Beschwerdeführer erst nachträglich aufgestellten Nachtrunkbehauptung (siehe dazu auch die vorstehenden Ausführungen) und angesichts der vorhandenen gültigen Ergebnisse der Alkomatmessung auch - entgegen den Beschwerdebehauptungen - nicht gehalten, nähere Ermittlungen darüber anzustellen, wie der Beschwerdeführer die Zeitspanne zwischen dem Verkehrsunfall und der Alkomatmessung verbrachte. Ein Fall des "in dubio pro reo" liegt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht vor.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 16. Februar 2007
Schlagworte
Ablehnung eines Beweismittels Besondere Rechtsgebiete Alkoholisierung Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweismittel Zeugen Ermittlungsverfahren Allgemein Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Nachtrunk Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006020090.X00Im RIS seit
19.03.2007